Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerde im Erbscheinsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Zu der Frage, welche rechtlichen Konsequenzen sich ergeben, wenn ein Testamentsvollstrecker, der im Erbscheinsverfahren gegen einen Vorbescheid Beschwerde eingelegt hat, während des Beschwerdeverfahrens stirbt.
2. Zur Auslegung einer Testamentsbestimmung, in der sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzende Eheleute „für den Fall, daß wir beide gleichzeitig sterben, etwa infolge eines Unfalls, ohne Rücksicht darauf, wer am längsten lebt”, einen Testamentsvollstrecker ernennen, der den gesamten Nachlaß „einer sozialen Bestimmung zuführen” soll.
Normenkette
BGB §§ 140, 2065 Abs. 2, § 2225; FGG § 20
Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 26.03.1999; Aktenzeichen 16 T 21798/98) |
AG München (Entscheidung vom 04.11.1998; Aktenzeichen 64 VI 6260/98) |
Tenor
1. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 5 und 6 wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 26. März 1999 geändert wie folgt:
- Die Beschwerde der Beteiligten zu 5 und 6 wird verworfen.
- Die Beteiligten zu 5 und 6 haben den Beteiligten zu 2 und 3 die ihnen im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
Im übrigen wird die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 5 und 6 zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten zu 5 und 6 haben den Beteiligten zu 2 und 3 die ihnen im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Der 1998 im Alter von 71 Jahren verstorbene Erblasser hatte keine Kinder.
Mit seiner 1993 vor verstorbenen Ehefrau hatte er am 21.3.1986 folgendes von ihm eigenhändig geschriebenes, auch von seiner Ehefrau unterzeichnetes gemeinschaftliches Testament errichtet:
„Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.
Da wir keine pflichtteilsberechtigten Erben haben, sind wir in unseren Bestimmungen frei.
Für den Fall, daß wir beide gleichzeitig sterben sollten, etwa infolge eines Unfalls, bestimmen wir (ohne Rücksicht darauf, wer am längsten lebt) folgendes:
Als Testamentsvollstrecker soll Frau Rechtsanwältin … (die frühere Beteiligte zu 1) unseren Nachlaß regeln und ihn einer sozialen Bestimmung zuführen, da wir ausdrücklich wünschen, daß die beiderseitige Verwandtschaft nichts erhalten soll.
Vermächtnisse werden wir im einzelnen noch festlegen.”
Der Erblasser hatte vor seiner Heirat mit eigenhändigem Testament vom 21.3.1983 zugunsten seiner späteren Ehefrau folgendes bestimmt:
„Aufgrund ihrer Sorge und Pflege für mich gehört im Falle meines Todes mein gesamter fester und beweglicher Besitz als Alleinerbin Frau … Dies ist notwendig, da mir mein Bruder … (der Beteiligte zu 2) nur einen minimalen Erbanteil am Haus unserer Mutter ausbezahlte. Dadurch war mir die Schaffung von Wohneigentum zugunsten von Frau … und eine weitere Versorgung für sie nicht möglich. …
Bei etwa gleichzeitig eintretendem Tod von mir und Frau … fällt das o.g. Erbe an … (den 1985 verstorbenen Vater der späteren Ehefrau des Erblassers), keinesfalls an Frau … (die Ehefrau des Bruders) und Herrn …. (den Beteiligten zu 2).”
Mit Beschluß vom 24.7.1998 hat das Nachlaßgericht zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses Nachlaßpflegschaft angeordnet und den Beteiligten zu 4 zum Nachlaßpfleger bestellt, da nicht feststehe, vielmehr erst in einem Erbscheinsverfahren geklärt werden müsse, ob das gemeinschaftliche Testament vom 21.3.1986 für die Erbfolge maßgeblich sei.
Die frühere Beteiligte zu 1 beantragte, ihr ein Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen, und „gemäß dem Willen des Verstorbenen” zwei von ihr benannte gemeinnützige Vereine zu 75 % bzw. 25 % „zu Erben zu ernennen”; für diese beantragte sie einen Erbschein.
Der Beteiligte zu 2 stellte als einziger gesetzlicher Erbe der zweiten Ordnung einen Erbscheinsantrag, weil der Fall des gleichzeitigen Versterbens der Eheleute nicht gegeben sei, die für diesen Fall getroffenen Anordnungen des gemeinschaftlichen Testaments daher nicht zum Zuge kämen und es im übrigen auch an der wirksamen Bestimmung eines Ersatzerben für diesen Fall fehle; diese könne nicht einem Testamentsvollstrecker überlassen werden.
Mit Beschluß vom 4.11.1998 wies das Nachlaßgericht den Antrag der (früheren) Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses zurück und kündigte an, einen Erbschein zu erteilen, der den Beteiligten zu 2 als Alleinerben ausweise, falls nicht binnen 2 Wochen Beschwerde eingelegt werde. Zur Begründung führte es aus, das gemeinschaftliche Testament vom 21.3.1986 enthalte keine wirksame mit einer Testamentsvollstreckung verbundene Schlußerbeneinsetzung. Mit dem Fall des gleichzeitigen Versterbens der Eheleute sei gemeint, daß beide Ehegatten aufgrund desselben Ereignisses stürben und der Überlebende keine Möglichkeit mehr habe, als Erbe des anderen für den Fall seines Todes letztwillig zu verfügen. Dieser Fall liege nicht vor. Außerdem verstießen die für diesen Fall getroffenen Anordnungen gegen § 2065 Abs. 2 BGB.
Gegen diesen Beschluß legte die Beteiligte zu 1 durch ihre Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde ein. Während...