Leitsatz (amtlich)
1. Wird das Betreuungsverfahren an ein anderes Vormundschaftsgericht abgegeben, entscheidet über Beschwerden gegen Verfügungen des abgebenden Gerichts unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Einlegung das dem zuständig gewordenen Gericht übergeordnete Landgericht.
2. Die Bewilligung einer Vergütung nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt auch in Betracht, wenn der Betreuer nicht Berufsbetreuer ist.
3. Die Entscheidung der Frage, ob jemand Berufsbetreuer ist, erfordert eine Gesamtbetrachtung der vom Betreuer ausgeführten Tätigkeiten.
Normenkette
FGG § 19 Abs. 2, §§ 65a, 46; BGB § 1836 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Würzburg (Beschluss vom 28.11.1995; Aktenzeichen 3 T 2108/95) |
AG Bensheim (Beschluss vom 12.08.1995) |
AG Würzburg (Aktenzeichen XVII 3794/95) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts Würzburg vom 28. November 1995 wird aufgehoben, soweit er den Beschluß des Amtsgerichts Bensheim vom 12. August 1995 über die Bewilligung einer Vergütung von 4.650 DM aufgehoben hat.
II. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.650 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Durch einstweilige Anordnung vom 26.4.1995 bestellte das Amtsgericht Bensheim für die Betroffene mit sofortiger Wirksamkeit H. zur vorläufigen Betreuerin für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung und Vermögens sorge.
Mit Beschluß vom 4.7.1995 bestellte das Amtsgericht Bensheim für die Betroffene deren Nichte B. zur Betreuerin für u.a. den Aufgabenkreis Vermögenssorge. Der Beschluß wurde der vorläufigen Betreuerin am 8.7. und der jetzigen Betreuerin am 12.7.1995 zugestellt.
Mit Schreiben vom 12.7.1995 beantragte die vorläufige Betreuerin, ihr aus dem Vermögen der Betroffenen für den Zeitraum 26.4. bis 6.7.1995 eine Vergütung von 4.650 DM (62 Stunden zu je 75 DM [einschließlich Mehrwertsteuer]) zu bewilligen. Sie führe derzeit sieben Betreuungen in einem Umfang, daß es einer beruflichen Tätigkeit gleichkomme. Die Betreuung der Betroffenen sei besonders schwierig gewesen. Die Aufwendungen bezifferte die vorläufige Betreuerin auf 275,23 DM.
Am 12.8.1995 erließ die Rechtspflegerin beim Amtsgericht Bensheim folgenden Beschluß:
„… wird die der Betreuerin H. gemäß §§ 1908i, 1836 Abs. 2 BGB zustehende Vergütung für den Zeitraum 26.4.95–6.7.95 auf 4.650 DM festgesetzt. Die Auslagen betragen 275,23 DM. Es sind demnach an diese insgesamt 4.925,23 DM aus dem Vermögen der Betreuten zu erstatten.”
Gegen diesen Beschluß legte die jetzige Betreuerin namens der Betreuten „Einspruch” ein.
Nach Übernahme des Betreuungsverfahrens durch das Amtsgericht Würzburg erließ das Landgericht Würzburg am 28.11.1995 folgenden Beschluß:
- „Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluß des Amtsgerichts Bensheim vom 12.8.1995 dahingehend abgeändert, daß die Betroffene der früheren Betreuerin H. für deren Betreuertätigkeit im Zeitraum vom 26.4. bis 6.7.1995 Aufwendungen in Höhe von 63,44 DM zu ersetzen hat.
- Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.”
Gegen diesen Beschluß wendet sich die vorläufige Betreuerin mit der weiteren Beschwerde, mit der sie ihren Vergütungsantrag weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. Das Landgericht Würzburg hat zwar zu Recht seine Zuständigkeit bejaht, der vorläufigen Betreuerin die ihr vom Amtsgericht bewilligte Vergütung jedoch zu Unrecht aberkannt.
1. Das Landgericht Würzburg war zur Entscheidung über das gegen den Beschluß des Amtsgerichts Bensheim vom 12.8.1995 eingelegte Rechtsmittel zuständig (§ 19 Abs. 2 FGG).
Wird das Betreuungsverfahren gemäß § 65a, § 46 FGG an ein anderes Vormundschaftsgericht abgegeben, entscheidet über Beschwerden gegen Verfügungen des abgebenden Gerichts unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Einlegung das dem zuständig gewordenen Gericht übergeordnete Landgericht (vgl. BayObLGZ 1985, 296; 1982, 261; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 7. Aufl. § 19 FGG Rn. 28; Bumiller/Winkler FGG 6. Aufl. § 19 Anm. 8 a; Jansen FGG 2. Aufl. § 19 Rn. 43; Keidel/Kahl FGG 13. Aufl. § 19 Rn. 43; Keidel/Kuntze § 46 Rn. 28).
2. Das Landgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Zum 12.7.1995 habe die Betroffene über ein Vermögen von 58.450,52 DM verfügt. Ihr laufendes Einkommen betrage 2.288,08 DM monatlich.
Ein Vergütungsanspruch der vorläufigen Betreuerin nach § 1836 Abs. 2 BGB komme nur in Betracht, wenn es sich bei ihr um eine sog. Berufsbetreuerin handle. Insoweit habe die vorläufige Betreuerin lediglich angegeben, daß sie derzeit sieben Betreuungen führe. Dies reiche jedoch nicht aus, um ihr die Eigenschaft einer Berufsbetreuerin zuzubilligen. Für die Beurteilung, ob eine Berufsbetreuung vorliege, sei eine Gesamtbetrachtung notwendig, wobei weniger auf die Anzahl der übertragenen Betreuungen als vielmehr entscheidend auf die zeitliche Arbeitsbelastung abzustellen sei. Um Berufsbetreuereigenschaft bejahen zu können, müßten in der Woche durchschnittlich mindestens 12 Stunden Betreuungsaufgaben wahrgenommen werden. Daneben müsse die Betreuertätigkeit die primäre berufliche Lebensaufgabe und Lebensgrundlage ...