Leitsatz (amtlich)
1. Ablehnung der Bestimmung des zuständigen Gerichts mangels „rechtskräftiger” Unzuständigkeitserklärungen der am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte.
2. Zur Frage, ob das Mahngericht oder das Streitgericht für die Festsetzung von Kosten zuständig ist, die im Verfahren über den Antrag auf Erlass eines Teilvollstreckungsbescheids entstanden und in diesem nicht festgesetzt sind.
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 154 C 34763/02) |
AG Coburg (Aktenzeichen 02-3084473 12 N, 20 N) |
Tenor
I. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
II. Die Akten werden an das AG München zurückgegeben.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat beim AG Coburg als Mahngericht gegen die Antragsgegner Mahnbescheide erwirkt, gegen die von den Antragsgegnern jeweils nur teilweise Widerspruch eingelegt wurde. Über den nicht widersprochenen Teil der Hauptforderung ergingen Teilvollstreckungsbescheide, die keine Kostenfestsetzung enthalten. Hinsichtlich des widersprochenen Teils ging die Sache in das str. Verfahren vor dem AG München über, welches ein Endurteil zugunsten der Antragstellerin erließ. Die beantragte Kostenfestsetzung nahm die Rechtspflegerin des AG München vor, mit Ausnahme des Antrags auf Festsetzung der für den Antrag auf Erlass der Teilvollstreckungsbescheide gem. § 43 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO entstandenen Anwaltsgebühr. Insoweit hält das AG München das Mahngericht (AG Coburg) für zuständig, während das AG Coburg die Zuständigkeit des Streitgerichts (AG München) für gegeben hält. Die Akten wurden dem BayObLG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
II.1. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das BayObLG liegen nicht vor. Es fehlt an „rechtskräftigen” Unzuständigkeitserklärungen im Sinne dieser Vorschrift. Mit Beschluss vom 7.7.2003 hat das AG München zwar die „Verweisung” an das AG Coburg ausgesprochen. Hierbei handelt es sich der Sache nach aber lediglich um eine nicht bindende Abgabe; denn zum Zeitpunkt dieses Beschlusses war der hier in Streit stehende Kostenfestsetzungsantrag den Antragsgegnern noch nicht mitgeteilt worden. Das AG Coburg hat seinen Unzuständigkeitsbeschluss vom 30.9.2003 nur der Antragstellerin und nicht auch den Antragsgegnern bekannt gegeben. Derartige Entscheidungen stellen keine „rechtskräftigen” Unzuständigkeitserklärungen i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dar (vgl. BGH NJW-RR 1994, 322; v. 22.2.1995 – XII ARZ 2/95, MDR 1995, 739 = NJW-RR 1995, 641; v. 4.6.1997 – XII ARZ 13/97, NJW-RR 1997, 1161 und st. Rspr.; BayObLG v. 16.7.1991 – AR 1 Z 57/91, BayObLGZ 1991, 280 [281]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 36 Rz. 24).
2. Die Akten werden an das AG München zurückgegeben, an das sich der Antragsteller zuerst gewandt hat. Der Senat weist vorsorglich auf Folgendes hin: Gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 ZPO entscheidet über einen Kostenfestsetzungsantrag das Gericht des ersten Rechtszugs, worunter nach dem Verhältnis, in dem das gerichtliche Mahnverfahren zum eigentlichen Streitverfahren steht, nicht das Mahngericht, sondern dasjenige Gericht zu verstehen ist, das für den etwa nachfolgenden Rechtsstreit zuständig ist (BayObLG v. 17.9.2002 – 1 Z AR 113/02, Rpfleger 2003, 35; OLG Köln v. 21.12.1998 – 5 W 126/98, NJW-RR 1999, 1737; vgl. auch BGH NJW 1991, 2084; Zöller/Herget, § 104 Rz. 21 – „Zuständigkeit”; Musielak/Wolst, ZPO, 3. Aufl., § 104 Rz. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 103 Rz. 4). Das Gericht des ersten Rechtszugs ist auch bei Durchführung des vorgelagerten Mahnverfahrens dasjenige Gericht, das im Falle eines str. Verfahrens über die geltend gemachten Ansprüche zu befinden hätte. Lediglich für den Fall, dass ein Widerspruch vom Antragsgegner im Mahnverfahren nicht erhoben wird, sieht das Gesetz als Ausnahme von der grundsätzlichen Zuständigkeitsregelung des § 104 Abs. 1 S. 1 ZPO vor, dass das Mahngericht in einen ggf. zu erlassenden Vollstreckungsbescheid auch die bisher entstandenen Kosten des Verfahrens aufzunehmen hat (§ 699 Abs. 3 S. 1 ZPO).
Hier liegen Teilvollstreckungsbescheide vor, die keine Kostenfestsetzung enthalten (vgl. zur Kostenentscheidung in Teilvollstreckungsbescheiden Musielak/Voit, § 699 Rz. 6, m.w.N.; Fritzsche, Rpfleger 2001, 581). In diesem Fall wird es für ein sich anschließendes Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. Zöller/Vollkommer, § 699 Rz. 10; Musielak/Voit, § 699 Rz. 6) bei der grundsätzlichen Zuständigkeit des Streitgerichts als Gericht des ersten Rechtszugs zu verbleiben haben. Dass die geltend gemachten Kosten im Verfahren über den Antrag auf Erlass eines Teilvollstreckungsbescheids entstanden sind und nicht den Teil der Hauptforderung betreffen, der beim AG als Streitgericht rechtshängig wurde, steht dessen Zuständigkeit für die Festsetzung nicht entgegen; denn die Zuständigkeit nach § 104 Abs. 1 S. 1 ZPO hängt nicht davon ab, dass das (fiktive) Gericht erster Instanz überhaupt mit der Sache befasst war (vgl. BayObLG v. 17.9.2002 – 1 Z AR 113/02, Rpfleger...