Leitsatz (amtlich)

In Wohnungseigentumssachen hat das Gericht einen ausdrücklich angebotenen und erheblichen Beweis grundsätzlich zu erheben, sofern dieser nicht ausnahmsweise als bloßer Beweisermittlungsantrag "ins Blaue hinein" behandelt werden kann.

 

Normenkette

FGG §§ 12, 15; WEG § 21 Abs. 1, 3

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 27.07.2004; Aktenzeichen 14 T 1865/04)

AG Nürnberg (Aktenzeichen 1 UR II 210/03)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth v. 27.7.2004 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungs- und Teileigentümer einer mehrgeschossigen Wohnanlage, die nunmehr von der weiteren Beteiligten zu 1) verwaltet wird. Die Beteiligte zu 2) war im Mai 2003 ihr Verwalter.

Die Wohnung der Antragstellerin zu 1) befindet sich im 5. Stock, die Wohnung des Antragstellers zu 2) im 2. Stock. Im Erdgeschoss wird in den Räumlichkeiten der Firma G. GmbH ein Lebensmittel-Supermarkt betrieben. Die Firma G. GmbH baute die Räume vor einigen Jahren aus und erneuerte oder bearbeitete dabei auch den Estrich.

Nach der Gemeinschaftsordnung ist die Eigentümerversammlung ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Wohnungseigentümer beschlussfähig (§ 13 Nr. 2 Abs. 1). Die Stimmenanzahl richtet sich nach den Miteigentumsanteilen. Die Wohnungseigentümer beschließen mit einfacher Mehrheit der erschienenen Stimmen, soweit im Gesetz oder in der Teilungserklärung nicht zwingend etwas anderes bestimmt ist. Bei der Feststellung der Stimmenmehrheit werden die Stimmen der nicht vertretenen Wohnungseigentümer nicht gerechnet (§ 13 Nr. 2 Abs. 3).

Die Antragsteller behaupten, in den Wohnungen der Antragsteller zu 1) und 2) seien verschiedene Geräusche störend zu vernehmen, die durch z.B. rollende Gegenstände in dem Supermarkt entstünden; es gebe Schallbrücken.

In der Eigentümerversammlung v. 19.5.2003 wurde unter Tagesordnungspunkt 10 folgender Beschluss gefasst:

Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens gegen die Fa. G. GmbH zur Feststellung eventuell vorhandener Mängel beim Ausbau des Supermarktes insb. im Hinblick auf den Trittschallschutz.

Nach eingehender Diskussion über den Sinn eines solchen Gutachtens wird mehrheitlich bei fünf Gegenstimmen beschlossen, kein Beweissicherungsverfahren gegen die Fa. G. GmbH einzuleiten.

Die Antragsteller haben beim AG u.a. beantragt, den Eigentümerbeschluss zu Tagesordnungspunkt 10 für ungültig zu erklären und die Antragsgegner zu verpflichten, ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Wohnungseigentümerin Firma G. GmbH einzuleiten mit dem Ziel, die Behauptung zu prüfen, dass beim letzten Umbau des Supermarkts im Erdgeschoss der Wohnanlage die Anforderungen an den Trittschallschutz entsprechend den Regeln der Technik nicht eingehalten wurden und deswegen eine unzumutbare Geräuschübertragung vom Erdgeschoss bis in die Obergeschosse stattfindet. Das AG hat dem Antrag mit Beschluss v. 5.2.2004 entsprochen. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner hat das LG nach Durchführung eines Augenscheins in der Wohnanlage am 27.7.2004 den Beschluss des AG insoweit aufgehoben. Gegen den Beschluss des LG richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung an das LG (§ 27 Abs. 1 FGG i.V.m. § 546 ZPO); es sind nämlich weitere Ermittlungen erforderlich, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht durchführen kann (vgl. §§ 562, 563 Abs. 1 S. 1 ZPO; s. Meyer/Holz in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27 Rz. 58).

1. Das LG hat ausgeführt:

Der Beschluss der Wohnungseigentümer sei auch als sog. Negativbeschluss anfechtbar. Im ersten Rechtszug sei nicht bestritten worden, dass in den Wohnungen der Antragsteller zu 1) und 2) störende Rollgeräusche wahrnehmbar seien. Das AG habe auf dieser Grundlage darüber entscheiden müssen, ob die Einleitung eines Beweisverfahrens als Maßnahme einer ordnungsmäßigen Verwaltung verlangt werden könne. Dies brauche nun nicht mehr entschieden zu werden, weil die Antragsteller die mittlerweile streitige Wahrnehmung von Rollgeräuschen nicht nachweisen könnten. Beim gerichtlichen Augenschein an einem Werktagmorgen seien keine Geräusche wahrnehmbar gewesen. Der Termin sei absichtlich auf 6.00 Uhr angesetzt gewesen, weil die Antragsteller zu 1) und 2) von täglichen Rollgeräuschen zwischen 6.00 Uhr und 6.30 Uhr berichtet hätten. Erst kurz vor dem Augenscheinstermin hätten die Antragsteller vortragen lassen, vor 7.00 Uhr seien zurzeit keine Geräusche wahrnehmbar. Dies stelle eine bemerkenswerte Einschränkung des bisherigen Vortrags dar. Davon abgesehen habe die Kammer auch zwischen 7.00 Uhr und ca. 7.45 Uhr keine...

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