Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersatzerbe

 

Leitsatz (amtlich)

Ob in der Einsetzung des Erben durch den Erblasser zugleich die Kundgabe des Willens gesehen werden kann, die Abkömmlinge des Bedachten zu Ersatzerben zu berufen, ist durch Auslegung zu ermitteln.

 

Normenkette

BGB §§ 2069, 2096

 

Verfahrensgang

LG Bayreuth (Beschluss vom 30.12.1998; Aktenzeichen 4 T 199/98)

AG Bayreuth (Beschluss vom 19.10.1998; Aktenzeichen VI 2392/98)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 bis 4 werden der Beschluß des Landgerichts Bayreuth vom 30. Dezember 1998 und der Beschluß des Amtsgerichts Bayreuth vom 19. Oktober 1998 aufgehoben.

II. Das Amtsgericht Bayreuth wird angewiesen, den Beteiligten zu 2 bis 4 folgenden Erbschein zu erteilen:

„Der … (= Erblasser) wird aufgrund des Erbvertrags vom 5. März 1969 beerbt von

  1. … (= Beteiligte zu 2)
  2. … (= Beteiligte zu 3)
  3. … (= Beteiligter zu 4)
  4. zu je einem Drittel.”
 

Tatbestand

I.

Der Erblasser war verwitwet und kinderlos. Der Beteiligte zu 1 ist sein Bruder. Der Erblasser hatte im Jahr 1951 geheiratet. Seine Ehefrau ist 1997 vorverstorben. Aus ihrer ersten Ehe stammte ein bereits 1972 verstorbener Sohn. Die 1961 bis 1968 geborenen Beteiligten zu 2 bis 4 sind dessen Kinder. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus Miteigentumsanteilen je zur Hälfte an zwei Eigentumswohnungen und einem Gartengrundstück. Diese Immobilien haben die Eheleute gemeinsam erworben.

In einem am 5.3.1969 beurkundeten Erbvertrag haben die Ehegatten folgendes bestimmt:

II.

1. (Der Erblasser) setzt hiemit für den Fall seines Vorablebens seine Ehefrau … zu seiner einzigen und ausschließlichen Erbin ein. Als Ersatzerben bestimmt er den Sohn der Erbin, …

2. (Die Ehefrau) setzt hiemit für den Fall ihres Vorablebens ihren Sohn aus erster Ehe … zu ihrem einzigen und ausschließlichen Erben ein und als Ersatzerben dessen Abkömmlinge (die Beteiligten zu 2 bis 4) zu unter sich gleichen Anteilen.

(Der Erblasser) erhält in diesem Fall vermächtnisweise auf Lebenszeit den vollen uneingeschränkten Nießbrauch am gesamten vorhandenen Grundbesitz, soweit er zum Nachlaß der Ehefrau gehört. Außerdem erhält er die gesamte Wohnungseinrichtung, soweit sie ihm nicht ohnedies gehört, als Vorausvermächtnis.

III.

Weiter verpflichtet sich der (der Erblasser) seiner Ehefrau … gegenüber, im Fall ihres Vorablebens seinen Anteil am gemeinsamen Grundbesitz – Eigentumswohnung in Bayreuth … und Gartengrundstück in der Gemarkung … – auf Verlangen des Berechtigten gegen Einräumung des vollen uneingeschränkten Nießbrauchs auf Lebenszeit ebenfalls auf seinen Stiefsohn …, bei dessen Vorableben auf seine Abkömmlinge (Beteiligte zu 2 bis 4) zu gleichen Anteilen zu übertragen. Diese Verpflichtung ist auf Verlangen des Berechtigten nach dem Tode der Ehefrau … durch Eintragung einer entsprechenden Vormerkung dinglich zu sichern.

Die Beteiligten zu 2 bis 4 haben einen Erbschein beantragt, der sie als Erben zu je einem Drittel ausweisen soll. Sie sind der Auffassung, daß sie als Ersatzerben an die Stelle ihres in dem Erbvertrag zum Ersatzerben berufenen, vorverstorbenen Vaters und damit auch der zur Erbin eingesetzten Ehefrau getreten sind. Der Beteiligte zu 1 hat einen Erbschein als Alleinerbe aufgrund Gesetzes beantragt. Er ist der Auffassung, daß dem Erbvertrag eine Ersatzerbeneinsetzung der Beteiligten zu 2 bis 4 nicht entnommen werden könne. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 bis 4.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Anweisung an das Nachlaßgericht, den Beteiligten zu 2 bis 4 den von ihnen beantragten Erbschein zu erteilen.

1. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) nicht stand.

a) Das Landgericht hat sich die Begründung des Amtsgerichts zur Frage einer Ersatzerbeneinsetzung der Beteiligten zu 2 bis 4 zu eigen gemacht. Es ist somit dessen Argumentation gefolgt, wonach der Erblasser dort die Erbfolge nur „für den Fall seines Vorablebens” geregelt habe, also für den Fall, daß er vor seiner Ehefrau versterben sollte. Die Auslegung der Vorinstanzen ist zwar im Verfahren der weiteren Beschwerde nur in eingeschränktem Umfang nachprüfbar (vgl. hierzu BayObLGZ 1991, 173/176 und Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 48 m.w.N.). Sie kann jedoch keinen Bestand haben, da die Gerichte wesentliche Umstände außer acht gelassen haben.

aa) Ob der Erblasser seine in dem Erbvertrag enthaltenen letztwilligen Verfügungen nur für den Fall treffen wollte, daß er vor seiner Ehefrau versterben würde, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der wirkliche Wille des Erblassers unter Heranziehung aller Umstände zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB). Es geht um die Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte (vgl. BGH NJW 1993, 256). Auch Äußerungen des Erblassers über die von ihm gewünschte Erbfolge sind zu berücksichtigen (BayObLG NJW-RR 1992...

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