Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Testierunfähigkeit bei Vorliegen einer vaskulären Demenz.
2. Zur ergänzenden Auslegung eines Testaments, in dem die Erblasserin unter Übergehung ihrer Geschwister einen Neffen des vorverstorbenen Ehemanns einsetzt, dieser vor ihr stirbt und zwei Töchter hinterlässt.
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 21.06.2004; Aktenzeichen 16 T 6179/02) |
AG München (Aktenzeichen 61-VI 7472/01) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 6 gegen den Beschluss des LG München I vom 21.6.2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 6 hat die den Beteiligten zu 1) und 2) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 24.735,98 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die 2001 im Alter von 87 Jahren verstorbene Erblasserin war in einziger Ehe verheiratet. Aus der Ehe ging ein Sohn hervor, der 1991 kinderlos verstorben ist. Ihr 1970 verstorbener Ehemann hatte einen 1985 verstorbenen Bruder; dieser hatte zwei Söhne, die 1930 geborenen Zwillingsbrüder A (verstorben im Jahr 1994) sowie aus dessen Ehe die 1954 geborene Beteiligte zu 1) und die 1956 geborene Beteiligte zu 2) hervorgingen, (verstorben im Jahr 2000).
Die Erblasserin hatte fünf Geschwister, die Beteiligten zu 3) und 4) sowie einen bereits 1955 verstorbenen weiteren Bruder sowie zwei Schwestern, verstorben 1991 bzw. 1988. Die Beteiligten zu 5) und 8) sind die Abkömmlinge der einen Schwester, die Beteiligten zu 6) und 7) sind die 1942 bzw. 1945 geborenen Töchter der anderen Schwester.
Ausweislich des von der Beteiligten zu 1) am 30.7.2001 errichteten Nachlassverzeichnisses beträgt der Reinnachlass 197.887,85 Euro.
Am 25.1.1996 unterzeichnete die Erblasserin eine Verfügung für den Fall, dass die gerichtliche Bestellung eines Betreuers notwendig werden sollte, nach der B, ersatzweise die Beteiligten zu 1) und 2), mit dieser Aufgabe betraut werden sollten. Unter dem Datum 12.8.1996 errichtete die Erblasserin ein eigenhändiges Testament mit folgendem Wortlaut:
"Ich setzte meinen Neffen B als Alleinerben ein."
Die Erblasserin befand sich vom 16. bis 23.9.1996 und vom 27. 9. bis 7.10.1996 in stationärer Behandlung im Krankenhaus; dabei wurde bei ihr u.a. eine mäßige psycho-organische Störung, eine depressive Verstimmung bei Verdacht auf cerebralem Gefäßprozess, diagnostiziert. Die Erblasserin befand sich vom 16.7. bis 23.7.1998 wiederum in stationärer Behandlung im Krankenhaus; dabei wurde ein demenzielles Syndrom mit akuten Verwirrtheitszuständen sowie Aggressivität und Weglauftendenz diagnostiziert. Deswegen wurde die Erblasserin am 23.7.1998 in das Bezirkskrankenhaus überwiesen, wo sie bis zum 23.9.1998 stationär untergebracht war. Anschließend befand sie sich in verschiedenen Pflegeheimen.
Am 11.9.1998 wurde B durch das VormG zum Betreuer bestellt, nach dessen Tod einer Rechtsanwältin mit Beschluss vom 18.8.2000. Dieser Beschluss wurde vom LG am 24.11.2000 dahingehend abgeändert, dass anstelle der bisherigen Betreuerin nunmehr die Beteiligten zu 1) und 2) als Betreuerinnen bestellt wurden.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben einen Erbschein als Erben zu je ½ auf der Grundlage des Testaments vom 12.8.1996 beantragt. Sie sind der Auffassung, Ersatzerbinnen entsprechend § 2069 BGB nach B geworden zu sein; nach dem Willen der Erblasserin sollte der Stamm des B begünstigt werden.
Die Beteiligten zu 6) und 7) sind dieser Testamentsauslegung entgegengetreten und haben einen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge beantragt. Es bestünde nach dem Testament vom 12.8.1996 kein Anhaltspunkt, dass die Erblasserin Ersatzerbfolge angeordnet hätte. Darüber hinaus sei die Erblasserin am 12.8.1996 nicht mehr testierfähig gewesen.
Das Nachlassgericht hat mit Vorbescheid vom 19.11.2001 angekündigt, den von den Beteiligten zu 1) und 2) beantragten Erbschein zu erteilen. Dagegen haben die Beteiligten zu 6) und 7) Beschwerde eingelegt. Das LG hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeuginnen, durch Beiziehung der die Erblasserin betreffenden Betreuungsakten sowie Einholung ärztlicher Stellungnahmen der Hausärztin, des Bezirkskrankenhauses und des Krankenhauses; weiter hat es ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zur Testierfähigkeit der Erblasserin am 12.8.1996 eingeholt. Mit Beschluss vom 21.6.2004 hat das LG die Beschwerden der Beteiligten zu 6) und 7) zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beteiligte zu 6 mit der weiteren Beschwerde.
II. Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das LG hat ausgeführt:
Die Erblasserin sei bei Errichtung des Testaments vom 12.8.1996 als testierfähig anzusehen. Nach dem auf die eingeholten ärztlichen Stellungnahmen gestützten Sachverständigengutachten habe die Erblasserin an einer mittelgradigen - vaskulären - Demenz gelitten. Im Hinblick auf den stark schwankenden Verlauf und auf fehlende Belege für eine durchgängige Demenz im Jahr 1996 könne zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht mit hoher oder gar an Sicherhe...