Leitsatz (amtlich)
1. Die Erbeinsetzung des nichtehelichen Sohnes des Ehemannes der Erblasserin kann dahin auszulegen sein, dass im Falle des Vorversterbens des Bedachten dessen Abkömmlinge Ersatzerben sein sollen.
2. Zur Nachprüfung der Beweiswürdigung des Beschwerdegerichts hinsichtlich der Testierfähigkeit des Erblasserin im Rechtsbeschwerdeverfahren
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 26.01.2004; Aktenzeichen 8 T 1603/03) |
AG Rosenheim (Aktenzeichen VI 816/00) |
Tenor
A. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 4) und 5) gegen den Beschluss des LG Traunstein vom 26.1.2004 wird zurückgewiesen.
B. Die Beteiligten zu 4) und 5) haben den Beteiligten zu 1) bis 3) die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
C. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 202.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die verwitwete, kinderlose Erblasserin ist im Jahr 2000 im Alter von 94 Jahren verstorben. Ihr Ehemann ist 1964 vorverstorben. Der Ehemann der Erblasserin hatte einen 1919 geborenen nichtehelichen Sohn, der in der Familie als "Neffe" der Erblasserin bezeichnet wurde. Er ist 1994 verstorben, die Beteiligten zu 1) bis 3) sind seine Kinder. Die Beteiligten zu 4) und 5) sind Verwandte dritter Ordnung der Erblasserin und im Fall gesetzlicher Erbfolge deren Erben.
Die Erblasserin hat am 5.10.1990 ein Schriftstück handschriftlich verfasst und unterschrieben, das folgenden Wortlaut hat:
Vereinbarung
Hiermit wird zwischen mir (Erblasserin) und meinem Neffen (Vater der Beteiligten zu 1) bis 3) folgende Vereinbarung getroffen: Mein Neffe (Vater der Beteiligten zu 1) bis 3) soll als ausschließlicher Erbe meines Vermögens (Immobilien und anderes) eingesetzt werden.
Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Bankguthaben i.H.v. rund 370.000 DM sowie dem Hälfteanteil der Erblasserin an einem Grundstück im Wert von rund 30.000 DM.
Die Beteiligte zu 2) hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie und die Beteiligten zu 1) und 3) als Miterben zu je 1/3 aufgrund des Testaments vom 5.10.1990 ausweist. Der Beteiligte zu 5) hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn und den Beteiligten zu 4) als Miterben zu je 1/2 aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausweist. Das mit "Vereinbarung" überschriebene Schriftstück vom 5.10.1990 stelle keine letztwillige Verfügung dar.
Das Nachlassgericht hat die Betreuungsakten beigezogen, die Wohnungsnachbarin der Erblasserin und die Mutter der Beteiligten zu 3), als Zeugen vernommen, einen Zeugen schriftlich befragt und ärztliche Stellungnahmen des Hausarztes und des Neurologen sowie ein psychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt. Mit Beschluss vom 26.2.2003 hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen. Die Erblasserin sei am 5.10.1990 testierunfähig gewesen; überdies handle es sich bei dem Schriftstück vom 5.10.1990 nicht um eine letztwillige Verfügung.
Gegen den Beschluss des AG haben die Beteiligten zu 1) bis 3) Beschwerde eingelegt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, das mit "Vereinbarung" überschriebene Schriftstück vom 5.10.1990 enthalte eine testamentarische Erbeinsetzung zu Gunsten ihres Vaters, die konkludent auch ihre - der Beteiligten zu 1) bis 3) - Einsetzung als Ersatzerben beinhalte. Nach dem Gutachten des Sachverständigen könne Testierunfähigkeit erst ab Herbst 1991 angenommen werden.
Das LG hat einen Zeugen vernommen und ein ergänzendes Gutachten des Sachverständigen eingeholt. Mit Beschluss vom 26.1.2004 hat das LG den Beschluss des AG aufgehoben und es angewiesen, der Beteiligten zu 2) antragsgemäß einen Erbschein des Inhalts zu erteilen, dass die Erblasserin auf Grund Testaments vom 5.10.1990 von den Beteiligten zu 1) bis 3) zu je ein Drittel beerbt wurde, und den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 5) zurückzuweisen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 4) und 5).
II. Die nicht fristgebundene und formgerecht eingelegte weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 Abs. 1 S. 1, § 29 Abs. 1, Abs. 4, § 20 FGG). Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt:
Das von der Erblasserin eigenhändig geschriebene und unterschriebene, mit "Vereinbarung" überschriebene Schriftstück vom 5.10.1990 stelle ein Testament i.S.d. § 2247 BGB dar. Die Formulierung "soll eingesetzt werden" könne sowohl als Äußerung einer Absicht als auch im Sinne einer in "feierliche" Worte gekleideten Verfügung verstanden werden. Die Angaben des Zeugen, der die Erblasserin am Tag der Testamentserrichtung selbst auf die Notwendigkeit testamentarischer Erbeinsetzung in bestimmten Fällen hingewiesen habe, sprächen jedoch dafür, dass die Erblasserin in der Urkunde eine verbindliche letztwillige Verfügung habe treffen wollen. Die Bezeichnung als "Testament" habe die Erblasserin aus Aberglauben gemieden, wie sich aus den Angaben der Zeugin ergebe. Die letztwillige Verfügung sei dahin auszulegen, dass im Fall des Vorversterbens des Bedachten dessen Kinder Ersatzerben...