Leitsatz (redaktionell)
Ein unangefochtener Mehrheitsbeschluß der Wohnungseigentümer, der die Hundehaltung in einer Wohnanlage generell verbietet, bindet alle Wohnungseigentümer. Die Durchsetzung des Verbots kann allerdings im Einzelfall nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unzulässig sein.
Verfahrensgang
LG Regensburg (Beschluss vom 08.05.2000; Aktenzeichen 7 T 332/99) |
AG Regensburg (Beschluss vom 06.05.1999; Aktenzeichen 13 UR II 5/99) |
Tenor
- Der Antragsgegnerin zu 1 wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozeßkostenhilfe bewilligt; ihr wird Rechtsanwalt R… als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet.
- Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Regensburg vom 8. Mai 2000 aufgehoben.
- Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Regensburg zurückverwiesen.
- Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Antragsteller und die Antragsgegner sind die Wohnungseigentümer einer größeren Wohnanlage.
In der Teilungserklärung ist bestimmt:
Die Benutzung des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums kann durch eine vom Verwalter aufgestellte Hausordnung geregelt werden. Änderungen der Hausordnung werden vom Verwalter vorgenommen. Die Bestimmungen der Hausordnung können durch die Versammlung der Wohnungseigentümer mit einfacher Stimmenmehrheit geändert werden.
Die Hausordnung enthält folgende Regelung:
Hunde, Katzen und andere Tiere dürfen nur mit ausdrücklicher, jederzeit widerruflicher Genehmigung des Verwalters gehalten werden. Es ist darauf zu achten, daß die übrigen Hausbewohner dadurch nicht belästigt werden. Ebenso ist die Verunreinigung zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörender Räume und Grundstücksanlagen durch Haustiere zu vermeiden.
Am 23.9.1983 beschlossen die Wohnungseigentümer, daß in der Wohnanlage keine Hunde, Katzen und Hasen gehalten werden dürfen. Dieser Beschluß ist bestandskräftig.
Die Antragsgegnerin zu 1, die im Jahr 1986 Wohnungseigentum erwarb, schaffte sich im Jahr 1998 ohne Genehmigung des Verwalters einen Hund an.
Die Antragsteller tragen vor, bei der Hausverwaltung seien Beschwerden eingegangen, daß der Hund bis 23.00 Uhr belle und daß vor dem Hauseingang Hundekot liege.
Die Antragsgegnerin zu 1 trägt vor, daß sie schwer contergangeschädigt und aufgrund ihrer Behinderung ohne Arbeit sei. Sie sei an ihre Wohnung gebunden und unterhalte kaum Kontakt zu anderen Menschen. Der Hund sei, wie ärztlicherseits bestätigt worden sei, zur Stabilisierung ihres seelischen Zustands wichtig.
Die Antragsteller haben beantragt, die Antragsgegnerin zu 1 zu verpflichten, die Hundehaltung zu unterlassen und ihren Hund aus der Anlage zu entfernen. Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 6.5.1999 dem Antrag stattgegeben. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 8.5.2000 die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren sofortige weitere Beschwerde. Außerdem hat sie beantragt, ihr für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe liegen vor, § 14 FGG, §§ 114, 115 ZPO. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an dieses. Die Antragsgegnerin zu 1 verfügt weder über Einnahmen noch über einsetzbares Vermögen im Sinn des § 115 Abs. 2 ZPO, § 88 BSHG. Gemäß § 121 Abs. 2 ZPO ist ihr ein Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigter beizuordnen.
III.
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Das Landgericht hat ausgeführt:
Das Verbot der Hundehaltung sei aufgrund des bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses vom 23.9.1983 für alle Wohnungseigentümer verbindlich. Die Antragsteller müßten die Hundehaltung durch die Antragsgegnerin zu 1 auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben hinnehmen. Eine Duldung durch die übrigen Wohnungseigentümer sei nicht deshalb veranlaßt, weil die Antragsgegnerin zu 1 behindert und zur Erhaltung ihrer Lebensqualität auf einen Hund angewiesen sei. Vor Abschluß des Kaufvertrages habe sich die Antragsgegnerin zu 1 ohne weiteres bei der Hausverwaltung erkundigen können, inwieweit eine Hundehaltung zulässig sei. Die berechtigten Interessen der übrigen Wohnungseigentümer dürften nicht außer Betracht gelassen werden.
Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Das Landgericht geht zwar in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 129, 329) und des Senats (BayObLGZ 1995, 42) zutreffend davon aus, daß aufgrund des unangefochtenen Mehrheitsbeschlusses vom 23.9.1983 die Hundehaltung in der Wohnanlage generell verboten ist. Auch hat das Landgericht, wie vom Bundesgerichtshof ausgesprochen, beachtet, daß die Durchsetzung des Verbots un...