Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsauslegung
Leitsatz (redaktionell)
Nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB will ein Erblasser mit der Zuwendung bestimmter Gegenstände oder bestimmter Gruppen von Gegenständen im Zweifel nur über diese konkreten Gegenstände verfügen und Vermächtnisse (§§ 2147, 2174 BGB) begründen, nicht aber sein Vermögen als Ganzes (§§ 1922, 1937 BGB) oder zu einem bestimmten Bruchteil dem auf diese Weise Bedachten zukommen lassen.
Normenkette
BGB §§ 1922, 1937, 2147, 2174, 2087 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 29.06.1998; Aktenzeichen 4 T 1586/97) |
AG Kaufbeuren (Aktenzeichen VI 590/89) |
Tenor
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 29. Juni 1998 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die im 71. Lebensjahr verstorbene Erblasserin war ledig und kinderlos. Die Beteiligte zu 2 ist ihre Zwillingsschwester und ebenfalls unverheiratet und ohne Kinder. Vater war H. Die Mutter heiratete später R. Aus dieser Ehe gingen die Beteiligten zu 1, 3 und 4 hervor. Die Mutter verstarb 1934.
Am 6.1.1977 fertigte die Erblasserin folgendes an die Beteiligte zu 2 gerichtetes, mit Hand geschriebenes und unterschriebenes Schreiben mit folgendem Inhalt:
„Testament! Liebe Schwester 6.1.1977
Ich Deine Schwester möchte Dir mitteilen, wenn ich sollte einmal vor Dir sterben daß von dem Geld auf der Sparkasse wenigstens die Hälfte für gute Zweck verwendet werden soll. Zum Beispiel Ostpriesterhilfe, Diaspora und für die Mission Das ist mein Wille Tante Emma soll ebenfalls bei Dir wohnen bleiben.
Und die Eigentumswohnung gehört Dir solange Du lebst.
Geschrieben an Hl. 3 König 6. Januar 1977 …”
Nach dem Tod der Erblasserin am 12.7.1989 übergab die Beteiligte zu 2 dieses Schreiben dem Nachlaßgericht und beantragte die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbin. Das Nachlaßgericht erteilte aufgrund Beschlusses vom 15.11.1989 den beantragten Erbschein, nachdem die hierzu gehörten Beteiligten zu 1, 3 und 4 keine Einwendungen erhoben hatten. Der Nachlaß besteht aus Geldvermögen in Höhe von DM 57.000,– und der im Schreiben vom 6.1.1977 erwähnten Eigentumswohnung im Wert von mindestens DM 80.000,–. Die Beteiligten zu 1, 3 und 4 erhielten von der Beteiligten zu 2 aus dem Nachlaß erhebliche Geldzuwendungen. Die Eigentumswohnung verkaufte die Beteiligte zu 2 im Jahr 1996.
Mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 2.7.1997 hat der Beteiligte zu 1 die Einziehung des Erbscheins beantragt. Der Erbschein sei unrichtig, weil das Testament vom 6.1.1977 bezüglich des Geldvermögens keine Verfügung zugunsten der Beteiligten zu 2 enthalte und diese bezüglich der Wohnung nur ein Vermächtnis erhalten habe oder Vorerbin geworden sei. Das Nachlaßgericht hat nach Vernehmung sämtlicher Beteiligter mit Beschluß vom 20.6.1997 den Einziehungsantrag zurückgewiesen. Es ist zur Auffassung gekommen, daß die Beteiligte zu 2 Alleinerbin geworden sei. Wegen der widersprechenden Angaben der Beteiligten zu 2 einerseits und der übrigen Beteiligten andererseits bestehe kein Hinweis auch außerhalb des Testaments, daß die Erblasserin Nacherbfolge habe anordnen wollen. Die Testamentsurkunde selbst erlaube diese Folgerung nicht. Die Klausel „… die Eigentumswohnung … gehört Dir solange Du lebst” enthalte lediglich eine Floskel.
Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluß vom 29.6.1998 zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1, mit der er die Einziehung des Erbscheins weiter verfolgt.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige, insbesondere formgerecht (§ 29 Abs. 1 Satz 2 FGG) eingelegte weitere Beschwerde ist unbegründet.
1. Das Landgericht, das sich in allen Punkten der Entscheidung des Nachlaßgerichts angeschlossen hat, legt das Testament vom 6.1.1977 dahin aus, daß die Beteiligte zu 2 Alleinerbin geworden sei. Dies ergebe sich bezüglich des Geldvermögens daraus, daß sie ohne diese Rechtsstellung den Auflagen der Erblasserin über die Verteilung eines Teils des Geldvermögens nicht hätte nachkommen können. Außer der mit einem Vermächtnis bedachten Tante Emma sei nur die Beteiligte zu 2 als Zuwendungsempfängerin genannt worden. Dieser sei ausdrücklich die Eigentumswohnung, die den wesentlichen Teil des Vermögens der Erblasserin ausgemacht habe, zugewiesen worden. Die Beweisaufnahme habe keine Umstände zu Tage gebracht, die auf einen anderen Testierwillen hingewiesen hätten. Die Angaben der Beteiligten zu 2 einerseits und der Beteiligten im übrigen andererseits seien widersprüchlich, ohne daß den Aussagen einer Seite ein höheres Gewicht zukomme als der anderen. Sie müßten daher bei der Testamentsauslegung außer Betracht bleiben. Der Formulierung im Testament vom 6.1.1977 „Und die Eigentumswohnung … gehört Dir solange Du lebst” komme keine eigenständige Bedeutung zu. Vielmehr sei diese eine Floskel, mit der die Erblasserin möglicherweise zum Ausdruck gebracht habe, das weitere Leben ihrer Zwilli...