Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Nachweis der Erbenstellung im Hinterlegungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Zum Nachweis der Erbenstellung im Hinterlegungsverfahren.
Normenkette
BayHintG Art. 16, 18 Abs. 2 Nr. 1, Art. 20 Abs. 1 Nr. 2, Art. 21; BGB §§ 1922, 2353; EGGVG § 23 Abs. 1-2; FamFG § 352e Abs. 1 S. 1, § 357 Abs. 2 S. 1; VwVfG §§ 33-34
Tenor
I. Der Bescheid des Amtsgerichts München - Hinterlegungsstelle - vom 5. März 2020 und der Beschwerdebescheid vom 27. März 2020, Az. 38 HL 678/91, werden aufgehoben. Der Antragsgegner wird angewiesen, den Antrag des Antragstellers vom 7. Oktober 2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.
II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Antragsteller, der als einer der möglichen Empfänger der Hinterlegungssumme benannt worden ist, begehrt die Auszahlung der hinterlegten Geldsumme nebst Zinsen an sich.
Die Hinterlegerin hatte zur Begründung ihres Hinterlegungsantrags vom 30. Juli 1991 ausgeführt, Dr. L. habe gegen sie bestehende Honoraransprüche am 9. März 1985 - im Zusammenhang mit einem Vertrag über die Benutzung medizinischer Apparate - an den Antragsteller abgetreten und am 24. November 1989 an Rechtsanwalt H. Mit Schreiben vom 2. Mai 1991 habe Rechtsanwalt H. die Wirksamkeit der Abtretung vom 9. März 1985 bestritten. Die Hinterlegung erfolge gemäß § 372 Satz 2 Alt. 2 BGB wegen Ungewissheit über die Person des Gläubigers; als mögliche Empfänger für den hinterlegten Betrag kämen der Antragsteller und Rechtsanwalt H. in Betracht. Die Hinterlegerin hatte in ihrem Antrag weitere Zahlungen angekündigt und auf das Recht der Rücknahme verzichtet. Mit Schreiben vom 26. November 1991 hatte die Hinterlegerin als weitere mögliche Empfangsberechtigte eine Bank angegeben, die mit Schreiben vom 12. September 1991 eine Abtretungserklärung vom 3. Mai 1982 vorgelegt habe. Die Annahme der von der Hinterlegerin eingezahlten Beträge in Höhe von 399,60 DM, 54.389,94 DM, 819,60 DM, 843,60 DM und 723,60 DM (insgesamt 57.176,34 DM) ist am 11. Juli 1991, 19. September 1991, 22. Mai 1992, 10. September 1992 und 1. Dezember 1992 angeordnet worden.
Die Hinterlegungsstelle hat dem Antragsteller auf dessen Nachfrage am 25. Februar 2013 mitgeteilt, dass ein Betrag von (umgerechnet) 29.233,80 EUR hinterlegt sei. Gemäß § 8 HintO seien bis einschließlich November 2010 Zinsen in Höhe von 6.643,93 EUR angefallen, ab dem 1. Dezember 2010 werde der hinterlegte Betrag gemäß Art. 16 BayHintG nicht mehr verzinst.
Ausweislich der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen ist Rechtsanwalt H. am 4. Juni 2016 verstorben. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 18. September 2019 beantragt, bezogen auf die Bank das Verfahren nach Art. 21 BayHintG durchzuführen. Mit gleichem Schreiben hat er - so seine Behauptung - beglaubigte Abschriften des notariellen Ehe- und Erbvertrags vom 1. August 1983 zwischen Rechtsanwalt H. und dessen künftiger Ehefrau (im Folgenden: Frau H.), des Protokolls des als Nachlassgericht tätigen baden-württembergischen Notars vom 22. September 2016 über die Eröffnung dieser Verfügung von Todes wegen und über die Erklärung von Frau H. vorgelegt, dass sie das Amt der Testamentsvollstreckerin annehme, sowie im Original die Bewilligungserklärung von Frau H. über die Auszahlung eines Teilbetrags von 35.167,73 EUR. Nach § 1 des vorgelegten Erbvertrags setzt der zuerst versterbende Ehegatte den überlebenden Ehegatten zu einer Hälfte des Nachlasses und die gemeinschaftlichen Abkömmlinge (Im Erbvertrag heißt es dazu "derzeit ist dies unser gemeinsamer Sohn ... geboren ... 1982".) nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolgeordnung zu Erben ein. Gemäß § 2 Buchstabe b) des Erbvertrags wird der überlebende Ehegatte zum Testamentsvollstrecker mit allen Rechten berufen, die ihm nach dem Gesetz übertragen werden können.
Unter Bezugnahme auf eine weitere Auszahlungsbewilligung von Frau H. über den Gesamtbetrag der Hinterlegungssumme, die im Original mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2019 vorgelegt worden ist, hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2019 die Auszahlung des Gesamtbetrags (29.233,80 EUR zzgl. 6.643,93 EUR = 35.867,73 EUR [gemeint 35.877,73 EUR]) beantragt.
Mit Bescheid vom 9. Oktober 2019 ist die beteiligte Bank unter Hinweis auf die Bewilligungsfiktion des Art. 21 Abs. 2 BayHintG aufgefordert worden, sich binnen eines Monats zu erklären, ob sie die von dem Antragsteller beantragte Herausgabe des hinterlegten Betrags bewillige oder dies ablehne.
Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2019 hat der Antragsteller den Ausdruck einer E-Mail von Frau H. vorgelegt, aus der sich ergibt, dass sie nicht im Besitz eines Erbscheins sei; sie habe den gesamten Nachlass ohne einen Erbschein abgewickelt.
Am 10. Dezember 2019 hat das Amtsgericht München darauf hingewiesen, dass die Bewilligung der Bank zur H...