Leitsatz (amtlich)
Die vormundschaftsgerichtliche Ersetzungsentscheidung wegen Gleichgültigkeit gemäß § 1748 Abs. 2 Satz 1 BGB in der am 1.4.1993 in Kraft getretenen Neufassung durch Art. 4 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch v. 16.2.1993 (BGBl I 239) ist von einer vorausgegangenen Belehrung durch das Jugendamt abhängig. Dagegen ist die Beratung durch das Jugendamt aufgrund der in § 1748 Abs. 2 Satz 1 BGB enthaltenen Verweisung auf § 51 Abs. 2 SGB VIII nicht als zwingende Voraussetzung für die Ersetzungsentscheidung anzusehen.
Zu den Rechtsfolgen einer unterbliebenden Belehrung und Beratung, wenn der zu belehrende Elternteil abschließend erklärt hat, daß er keine Belehrung wünscht und seinem gesamten Verhalten zu entnehmen ist, daß der Zweck der Belehrung nicht erreicht werden kann.
Normenkette
BGB §§ 1748, 1793, 1589; SGB VIII § 51
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 02.01.1996; Aktenzeichen 16 T 19938/95) |
AG München (Aktenzeichen 717 XVI 3414/94) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 2. Januar 1996 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 2 hat die der Beteiligten zu 4 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die im Jahr 1988 geborene Beteiligte zu 1 ist die Tochter des Beteiligten zu 2 aus dessen im Jahr 1991 geschiedener Ehe. Die Mutter des Kindes, die an Epilepsie litt, ist 1992 verstorben. Das Familiengericht hatte noch im Jahre 1988 den Eltern, die sich vor der Geburt des Kindes getrennt hatten, für die Dauer des Getrenntlebens die elterliche Sorge entzogen. Mit Urteil des Familiengerichts vom 19.5.1991 wurde die elterliche Sorge für das Kind endgültig auf einen Vormund (Beteiligter zu 3) übertragen.
Das Kind wurde nach der Geburt zusammen mit der Mutter in den Haushalt der Großmutter mütterlicherseits (Beteiligte zu 4) aufgenommen, wo es seitdem aufwächst. Diese ist im Jahr 1935 geboren und seit April 1995 Rentnerin. Das Kind besucht die Grundschule.
Der Beteiligte zu 2 wohnt im Hinterhaus des Anwesens, in dem die Beteiligte zu 4 mit dem Kind lebt. Er hat in einem an das Amtsgericht München adressierten Schreiben vom 8.2.1994 den Antrag gestellt, das Kind „zur Adoption freizugeben”. Daraufhin hat die Beteiligte zu 4 gemäß notarieller Urkunde vom 24.3.1994 beim Vormundschaftsgericht beantragt, die Annahme des Kindes durch sie auszusprechen. Der Vormund hat hierzu sein Einverständnis erklärt und mit Schreiben vom 12.7.1994 für das Kind die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2 beantragt.
Das Vormundschaftsgericht hat den Vater, den Vormund, die Großmutter sowie das Kind persönlich angehört und eine Stellungnahme des Jugendamts eingeholt. Dieses hatte mit einem Schreiben vom 27.1.1995 den Beteiligten zu 2 zu einem Gespräch eingeladen; das Schreiben gelangte jedoch an das Jugendamt zurück. Das Vormundschaftsgericht hat mit Beschluß vom 15.9.1995 die Einwilligung des Vaters zur Annahme des Kindes durch die Großmutter ersetzt. Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 2 sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluß vom 2.1.1996 hat das Landgericht das Rechtsmittel als unbegründet zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. Die Beteiligte zu 4 beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig; in der Sache hat sie keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Einwilligung des Beteiligten zu 2 sei wegen dessen Gleichgültigkeit zu ersetzen; dagegen seien die Voraussetzungen für eine Ersetzung wegen anhaltend gröblicher Pflichtverletzung nicht gegeben. Wie sich aus der Stellungnahme des Jugendamts ergebe, habe der Beteiligte zu 2 bisher keinen Unterhalt geleistet. Seine Gleichgültigkeit zeige sich insbesondere in dem Schreiben vom 8.2.1994, mit welchem er den Antrag gestellt habe, das Kind zur Adoption freizugeben. Der Inhalt jenes Schreibens weise eine über bloße Gleichgültigkeit hinausgehende Ablehnung des Kindes auf. Denn er habe darin ausgeführt, er fühle sich ab jetzt für das Kind nicht mehr verantwortlich, es sei inzwischen gut, daß kein Umgang stattfinde, er bitte, künftig Briefe das Kind betreffend zu unterlassen. Gleichgültigkeit gegenüber seiner Tochter zeige sich außerdem in dem Verhalten des Beteiligten zu 2 gegenüber dem Vormundschaftsgericht sowie gegenüber dem Jugendamt. Zudem habe er im Beschwerdeverfahren schriftlich mitgeteilt, er werde einer etwaigen Vorladung zu einer Gerichtsverhandlung nicht nachkommen und möchte keine Angaben machen, er habe genug und wolle endlich seine Ruhe, das Kind sei nicht mehr seine Tochter. Das gesamte Verhalten und die in seinen Äußerungen zum Ausdruck kommende Einstellung des Beschwerdeführers zeigten, daß er gegenüber dem Kind und seiner Entwicklung gänzlich teilnahmslos sei.
Das...