Entscheidungsstichwort (Thema)
Negativer Rechtsentscheid in Mietsachen: Beseitigungspflichten des Vermieters bei Gebrauchsbeeinträchtigungen der Wohnung durch Taubenplage. Vornahme einer Handlung
Leitsatz (amtlich)
Zur Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage, ob der Wohnungsvermieter Gebrauchsbeeinträchtigungen durch Taubenplage zu beseitigen hat, wenn der konkrete Taubenbefall am Mietobjekt seine Ursache in der Beschaffenheit der Fassade hat.
Orientierungssatz
Liegt es nahe, daß die vom Vermieter zu verantwortende Fassadengestaltung eines Mietshauses eine wesentliche Ursache für den konkreten Taubenbefall am Mietobjekt und damit für die Gebrauchsbeeinträchtigung setzt (hier: Taubennistplatz zwischen einem Fassadenvorsprung und einem Dachüberhang), besteht für einen Rechtsentscheid zu der Frage, ob das Anbringen eines Taubenschutzgitters (oder Ähnlichem), das aufgrund der von keiner Partei zu vertretenden Taubenplage erforderlich wird, eine dem Vermieter obliegende Erhaltungspflicht gemäß BGB § 536 ist, keine Veranlassung. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich, weil die Entscheidung des Rechtsstreits von den Folgerungen abhängig ist, die aus dem Zustand des Mietobjekts zu ziehen sind, nicht aber aus dem allgemeinen Phänomen einer großstädtischen Taubenplage.
Normenkette
BGB §§ 535-536; ZPO § 541 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 31.03.1998; Aktenzeichen 32 S 14378/97) |
AG München (Aktenzeichen 462 C 8658/96) |
Tenor
Ein Rechtsentscheid ergeht nicht.
Tatbestand
I.
Die Kläger haben von der Beklagten ab 1.10.1987 eine ca. 70 m(2) große Wohnung angemietet. Diese befindet sich im 3. Stock des dreigeschossigen, mit sechs Mietwohnungen ausgestatteten Anwesens, das in geschlossener Bebauung mit weiteren gleichartigen Anwesen verbunden ist. Oberhalb der nach Westen weisenden Fenster des Schlafzimmers und des Wohnzimmers verläuft der Dachvorsprung des Dachgeschosses. In einiger Entfernung unterhalb des Dachgeschosses endet die auf das Mauerwerk aufgebrachte und mit einer Blechabdeckung versehene Wärmedämmfassade. In der dadurch unterhalb des Dachvorsprungs entstandenen windgeschützten Nische haben sich oberhalb der Fenster des Schlaf- und Wohnzimmers der Kläger seit 1994 zwei bis drei Paare Tauben ganzjährig zum Nisten niedergelassen. Sie erreichen von dort aus das Vordach des etwa 5 m(2) großen Balkons, der zur Wohnung der Kläger gehört und vom Wohnzimmer zugänglich ist. Dieses Vordach deckt nicht die ganze Balkonfläche ab, sondern reicht nur bis auf etwa 20 bis 30 cm an die Balkonbrüstung heran. Dies hat zur Folge, daß die Tauben nicht nur die Fensterbrüstungen von ihrem Nistplatz mit Kot und Federn verschmutzen, sondern auch von dem nebenan liegenden Balkonvordach den Balkon entsprechend verunreinigen. Außerdem geht von den nistenden Tauben zur Nachtzeit eine ruhestörende Lärmbelästigung aus. Die Beklagte hat an den von ihr vermieteten Nachbaranwesen zwischen Dachvorsprung und Abdeckleiste der Wärmedämmfassade Gitter angebracht, die dem dortigen Taubenbesatz vorbeugen. Die Anbringung eines Taubenschutzgitters an der betroffenen Wohnungsseite der Kläger würde ca. DM 3.000,-- kosten und wird trotz wiederholter Aufforderungen der Kläger von der Beklagten abgelehnt.
Die Kläger beantragten, die Beklagte zu verurteilen, an der Oberkante der westlich gelegenen Zimmer ihrer Wohnung Taubengitter anzubringen und dafür Sorge zu tragen, daß sich Tauben nicht mehr unterhalb des Dachvorsprungs in diesem Bereich aufhalten können. Sie halten die Beeinträchtigungen für eine Folge der bautechnischen Fassadengestaltung des Miethauses, mit der ein für Tauben besonders attraktiver Nistplatz geschaffen worden sei.
Die Beklagte ist der Auffassung, daß die “Taubenabwehr” nicht Sache des Vermieters sei. Die am Wohnort der Parteien auftretende Taubenplage sei ein jedermann bekannter Umwelteinfluß und bei Vertragsabschluß zugrunde gelegt worden.
Das Amtsgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, daß die Beeinträchtigung des Mieters durch Taubendreck und -lärm ein Mangel der Mietsache sei, für den der Vermieter unabhängig von der Ursache und ihrer Beseitigungsmöglichkeit verantwortlich sei. Die zur Anbringung eines Taubengitters veranschlagten Kosten seien nicht unverhältnismäßig.
Die Beklagte hat Berufung eingelegt, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt.
Das Landgericht hat mit Beschluß vom 31.3.1998 dem Senat folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt:
Ist das Anbringen eines Taubenschutzgitters (oder Ähnlichem), das aufgrund einer von keiner Partei zu vertretenden Taubenplage erforderlich wird, eine dem Vermieter obliegende Erhaltungspflicht gem. § 536 BGB?
Nach seiner Ansicht muß auch der mitvermietete Balkon der klägerischen Wohnung in einem gebrauchsfähigen Zustand erhalten werden. Diese Erhaltungspflicht treffe den Vermieter unabhängig davon, ob er die “Verschlechterung” der Sache zu vertreten habe. Die Rechtsfrage sei entscheidungserheblich und von grundsätzlicher Bedeutung, weil durch...