Entscheidungsstichwort (Thema)
Mindestlohn. Arbeitslohn. Zahlung. Geld. Eurobetrag. Sachleistung. Überlassung. Pkw. Entgelt. betrieblich. Altersversorgung. Austauschverhältnis. Synallagma. Existenzsicherung. Verbotsirrtum. Rechtsrat
Leitsatz (amtlich)
1. Die sich aus §§ 1 und 2 MiLoG ergebende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung eines Arbeitslohns in Höhe des Mindestlohns kann durch die Gewährung von Sachleistungen, wie z.B. durch die Überlassung eines Kraftfahrzeugs, nicht erfüllt werden (Anschl. an BAG, Urt. v. 25.05.2016 - 5 AZR 135/16 = BAGE 155, 202 = ZIP 2016, 1940 = DStR 2016, 2574 = NJW 2016, 3323 = BB 2016, 2621 = NZA 2016, 1327 = MDR 2016, 1392 ).
2. Der Arbeitgeber muss den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn durch solche im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis erbrachten Entgeltzahlungen erbringen, die dem Arbeitnehmer endgültig verbleiben. Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen, fehlt die Erfüllungswirkung (Anschl. an BAG, Urt. v. 20.09.2017 - 10 AZR 171/16 bei juris). Die Zahlung einer betrieblichen Altersversorgung ist kein Entgelt in diesem Sinne.
3. Die wirtschaftliche Absicherung eines Arbeitnehmers in anderer Form hindert nicht die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG , sondern kann im Rahmen der Bemessung der Geldbuße Berücksichtigung finden.
Normenkette
MiLoG § 1 Abs. 1-2, § 2 Abs. 2 S. 1, §§ 20, 21 Abs. 1 Nr. 9; ZPO § 850 Abs. 3b, § 850c Abs. 1; GewO § 107 Abs. 1, 2 S. 5; OWiG § 11 Abs. 2, § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Tenor
Gründe
I.
Das Hauptzollamt hat gegen die Betroffenen mit gleichlautenden Bußgeldbescheiden vom 08.01.2019 wegen Nichtzahlung des Mindestlohns eine Geldbuße in Höhe von jeweils 10.000 Euro verhängt. Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 03.12.2019 die Betroffenen jeweils wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 21 Abs. 1 Nr. 9 Mindestlohngesetz (MiLoG) schuldig gesprochen und verhängte jeweils eine Geldbuße in Höhe von 2.000 Euro. Hiergegen richten sich die Rechtsbeschwerden der Betroffenen, mit der diese die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Stellungnahme vom 13.10.2020 beantragt, die Rechtsbeschwerden der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts jeweils als unbegründet zu verwerfen. Hierzu haben sich die Verteidiger mit Gegenerklärungen vom 13.11.2020 bzw. vom 17.11.2020 geäußert.
II.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG statthaften und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerden hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben ( § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG ).
Zur Begründung wird zunächst auf die - auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärungen der Verteidigung - zutreffende Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 13.10.2020 Bezug genommen. Insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen in den Gegenerklärungen ist aus Sicht des Senates eine ergänzende Erörterung zu folgenden Punkten veranlasst:
1. Das Amtsgericht hat, soweit es für die Rechtsbeschwerden von Bedeutung ist, im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen: Beide Betroffene beschäftigten als persönlich haftende Gesellschafter einer OHG im Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.10.2017 ihre Ehefrau bzw. Mutter als Arbeitnehmerin. Diese erhielt für die von ihr geleistete Arbeit von monatlich 43,33 Stunden keine Lohnzahlungen, insbesondere nicht den gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von monatlich 368,33 Euro (für den Zeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2016) bzw. in Höhe von 383,07 Euro (für den Zeitraum 01.01.2017 bis 31.10.2017). Die Arbeitnehmerin erhielt stattdessen eine Sachleistung in Form der Überlassung eines Pkw. Zudem erhielt sie eine betriebliche Altersversorgung für die vor dem genannten Zeitraum erbrachten Arbeitsleistungen. Die Betroffenen kannten ihre Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns, sie hätten erkennen müssen, dass die Arbeitsleistung nicht durch eine Sachleistung zu vergüten war.
2. Anhand der getroffenen Feststellungen lässt die rechtliche Würdigung des Amtsgerichts, dass die Betroffenen dadurch fahrlässig einen Verstoß gegen § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG begangen haben, keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen erkennen.
a) Von beiden Betroffenen wurde vorliegend allein die Sachrüge formwirksam erhoben. Alleinige Prüfungsgrundlage für die Rechtsbeschwerde sind dabei die Urteilsfeststellungen (vgl. KK/ Gericke StPO 8. Aufl. § 337 Rn. 27 m.w.N.). Es kann demnach keine Berücksichtigung finden, was in den Gegenerklärungen über die Urteilsfeststellungen hinaus zu den Ansprüchen der Arbeitnehmerin auf Zahlung einer Alterspension bzw. Betriebsrente vorgetragen wurde.
b) Die Betroffenen w...