Leitsatz (amtlich)
Eine privatrechtliche vorläufige Unterbringung gemäß § 1846 BGB i.V.m. § 70h Abs. 3 FGG ist nur zulässig, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, daß ein Betreuer bestellt wird, daß dieser die Genehmigung einer endgültigen Unterbringungsmaßnahme beantragen wird und daß das Gericht diese Maßnahmen genehmigen wird, weil die Voraussetzungen des § 1906 BGB wahrscheinlich vorliegen.
Normenkette
BGB §§ 1846, 1906; FGG § 70h
Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 31.07.2000; Aktenzeichen 13 T 8213/00) |
AG München (Entscheidung vom 24.03.2000; Aktenzeichen 713 XVII 1878/00) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts München I vom 31. Juli 2000 wird insoweit aufgehoben, als das Landgericht festgestellt hat, daß der Beschluß des Amtsgerichts München vom 24. März 2000 rechtmäßig ist.
II. Es wird festgestellt, daß die Anordnung der vorläufigen Unterbringung gemäß § 70h Abs. 3 FGG i.V.m § 1846 BGB durch den Beschluß des Amtsgerichts München vom 24. März 2000 nicht rechtmäßig erfolgt ist.
III. Dem Betroffenen wird mit Wirkung vom 30. August 2000 Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der weiteren Beschwerde bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt R beigeordnet.
Gründe
I.
Der Betroffene wurde am 23.3.2000 von der Polizei in ein Bezirkskrankenhaus verbracht, nachdem er in stark alkoholisiertem Zustand gegenüber seiner Lebensgefährtin tätlich geworden war und das Mobiliar der Wohnung zerstört hatte. Die Landeshauptstadt beantragte die vorläufige Unterbringung nach dem Unterbringungsgesetz. Am 24.3.2000 ordnete das Amtsgericht gemäß § 70h Abs. 3 FGG i.V.m. § 1846 BGB die vorläufige Unterbringung den Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens 20.4.2000 mit der Begründung an, daß der Betroffene an einem Entzugsdelir bei Alkoholabhängigkeit leide. Daneben wurden freiheitsentziehende Maßnahmen (Bauchgurt im Bett, Fixierung der Extremitäten) getroffen. Der Betroffene wurde am 6.4.2000 aus dem Bezirkskrankenhaus entlassen. Mit Beschluß vom 13.4.2000 hob das Amtsgericht die Entscheidung vom 24.3.2000 auf und stellte das Unterbringungsverfahren ein. Auf die Beschwerde des Betroffenen stellte das Landgericht am 31.7.2000 fest, daß der Beschluß des Amtsgerichts München vom 24.3.2000 rechtmäßig war mit Ausnahme der Anordnung von Fixierungsmaßnahmen gemäß § 1906 Abs. 4 BGB, die als nicht rechtmäßig angesehen wurden. Gegen die Feststellung der Rechtmäßigkeit der Unterbringung wendet sich der Betroffene mit der sofortigen weiteren Beschwerde.
II.
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie wurde zwar erst nach Ablauf der vom Amtsgericht angeordneten Unterbringung, also nach Erledigung der Hauptsache (BayObLGZ 1989, 17/18), eingelegt. Der Betroffene ist jedoch berechtigt, mit dem Rechtsmittel nunmehr das Ziel zu verfolgen, die Rechtswidrigkeit der angeordneten Freiheitsentziehung festzustellen. Mit diesem Ziel ist auch nach Ablauf der vom Vormundschaftsgericht angeordneten Unterbringung trotz der damit eingetretenen Erledigung der Hauptsache ein Rechtsmittel zulässig, wenn wie hier die Dauer der Unterbringung auf lediglich bis zu sechs Wochen bemessen war (BayObLGZ 1999, 24).
2. Entsprechend dem Begehren des Betroffenen ist festzustellen, daß die Anordnung der vorläufigen Unterbringung durch den Beschluß vom 24.3.2000 nicht rechtmäßig erfolgt ist. Das Amtsgericht hat auf der Grundlage des von ihm festgestellten und aus den Akten ersichtlichen Sachverhalts die Voraussetzungen, unter denen eine vorläufige Unterbringung angeordnet werden darf, nicht beachtet.
a) § 1906 BGB regelt die materiellen Voraussetzungen der freiheitsentziehenden privatrechtlichen Unterbringung (Palandt/Diederichsen BGB 59. Aufl. § 1906 Rn. 1). Nach dessen Absatz 1 kann der Betreuer den Betroffenen unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen unterbringen. Dazu bedarf es nach Absatz 2 der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts. Es handelt sich um ein Betreuungsverfahren.
b) Bestehen dringende Gründe für die Annahme, daß die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB gegeben sind und mit einem Aufschub Gefahr verbunden wäre, kann das Vormundschaftsgericht unter den in § 70h Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 69f Abs. 1 FGG weiter aufgeführten Voraussetzungen durch einstweilige Anordnung die vorläufige Unterbringung des Betroffenen genehmigen (§ 70h Abs. 1 Satz 1 FGG). Ist ein Betreuer noch nicht bestellt oder ist er an der Erfüllung seiner Pflichten verhindert, kann das Vormundschaftsgericht selbst die Unterbringungsmaßnahme anordnen (§ 70h Abs. 3 FGG i.V.m. § 1846 BGB; BayObLGZ 1999, 270/272; OLG Schleswig NJW 1992, 2974).
c) Nach § 70h Abs. 3 FGG gelten die Absätze 1 und 2 des § 70h entsprechend. Damit sind für die Anordnung nach § 1846 BGB die gleichen Voraussetzungen und Verfahrensgarantien wie für einstweilige Anordnungen nach § 70h Abs. 1 und 2 FGG maßgebend. In § 70h Abs. 1 Satz 2 ist auf § 69f Abs. 1 FGG verwiesen. Dies bedeutet für eine Anordnung gemäß § 70h Abs. 3 FGG i.V.m. § 1846...