Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer letztwilligen Verfügung
Leitsatz (redaktionell)
Das Recht der Ersatzerben geht vor eine Anwachsung. Dies gilt auch bei einer Anwendung von § 2069 BGB.
Normenkette
BGB §§ 2069, 2094, 2150
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 25.07.1990; Aktenzeichen 16 T 9283/90) |
AG München (Aktenzeichen 91 VI 8983/89) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 25. Juli 1990 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 2 hat die den Beteiligten zu 1 und 3 im Verfahrer der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.417,– DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die verwitwete Erblasserin ist am 17.9.1989 im Alter von 80 Jahren verstorben. Der Beteiligte zu 1 ist ihr Sohn, die Beteiligte zu 2 ihre Tochter. Ein weiterer Sohn ist am 1.4.1989 verstorben; die Beteiligte zu 3 ist dessen Tochter.
Die Erblasserin hat am 28.2.1988 ein eigenhändig geschriebenes und unterzeichnetes Testament errichtet, das auszugsweise wie folgt lautet:
„… Ich habe 3 Kinder
meine Tochter M. (Beteiligte zu 2) …
mein Sohn F. (Beteiligter zu 1) …
mein Sohn H. (Vater der Beteiligten
zu 3) …
…
Nach meinem Tode vermache ich meinem Sohn F. … die gesamte Wohnung mit Einrichtung bestehend …
Meine Tochter M. bekomt den sämtlichen Schmuck und Kleider. Mein Sohn H. … bekomt die 4 Goldmünzen. Alle drei Kinder bekomen ein Drittel von den 2 Sparbücher die noch vorhanden sind.”
Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus Sparguthaben im Wert von etwa 30.000,– DM.
Die Beteiligte zu 2 hat beim Nachlaßgericht einen Erbschein beantragt, der sie als Miterbin neben dem Beteiligten zu 1 zur Hälfte ausweisen sollte. Die Beteiligte zu 3 hat einen Erbschein beantragt, der sie als Miterbin neben den Beteiligten zu 1 und 2 zu je einem Drittel ausweisen sollte. Dem hat sich der Vertreter des Beteiligten zu 1 angeschlossen. Mit Beschluß vom 11.4.1990 hat das Nachlaßgericht die Erteilung eines Erbscheins angekündigt, der bezeugt, daß die Erblasserin von den Beteiligten zu 1, 2 und 3 zu je einem Drittel beerbt worden ist. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht mit Beschluß vom 25.7.1990 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2, der die Beteiligten zu 1 und 3 entgegengetreten sind.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Erblasserin habe durch Testament ihre drei Kinder zu Erben bestimmt, indem sie ihnen die Sparguthaben als wesentlichen Teil ihres Vermögens zugewendet habe, und ihre restlichen Wertgegenstände als Vorausvermächtnis verteilt. Eine Anwachsung nach dem Tod des vorverstorbenen Sohnes komme nicht in Betracht. Die Erblasserin habe ihre gesetzlichen Erben bedacht und damit die gesetzliche Erbfolge nicht ausgeschlossen. Ferner ergebe die Auslegung des Testaments, daß die Erblasserin Anwachsung ausgeschlossen habe. Dem ausdrücklich eingesetzten Ersatzerben stünden die nachrückenden Abkömmlinge eines Erben gleich. Anhaltspunkte für einen entgegenstehenden Erblasserwillen fehlten. Die Erblasserin habe ihre Kinder über die Vorausvermächtnisse hinaus gleichmäßig zu je einem Drittel bedacht. Daß sie im Fall des Todes eines Kindes dessen Stamm von der Erbfolge ausschließen wollte, sei weder ausdrücklich noch stillschweigend erklärt, noch im Wege der Auslegung anzunehmen.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand (§ 27 FGG, § 550 ZPO).
a) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Annahme des Landgerichts zutreffend ist, eine Anwachsung gemäß § 2094 Abs. 1 Satz 1 BGB komme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Erblasserin die gesetzliche Erbfolge (§ 1924 Abs. 1 BGB) nicht ausgeschlossen (§ 1938 BGB), sondern lediglich bestätigt und somit keine Erbeinsetzung (§ 1937 BGB) gewollt habe (vgl. § 1948 BGB, Motive Bd. V S. 509 zu § 2038; Palandt/Edenhofer BGB 50. Aufl. § 1937 Rn. 10 a.E.; Strobl DNotZ 1965, 337/338 f.; Schramm DNotZ 1965, 734/735; Brox Erbrecht 10. Aufl. Rn. 322; Schopp MDR 1978, 10).
b) Das Landgericht hat nämlich ohne Rechtsfehler festgestellt, daß die Erblasserin die Anwachsung gemäß § 2094 Abs. 3 BGB ausgeschlossen hat.
aa) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht angenommen, daß das Testament vom 28.2.1988 insoweit auslegungsbedürftig ist. Die Frage, ob eine Verfügung von Todes wegen eindeutig und damit nicht auslegungsfähig oder aber unklar und damit auslegungsbedürftig ist, stellt eine Rechtsfrage dar, die vom Rechtsbeschwerdegericht nachzuprüfen und deren Verkennung als eine Gesetzesverletzung im Sinn des § 27 FGG anzusehen ist (vgl. BayObLGZ 1983, 213/218 m.w.Nachw.).
Eine Auslegung war hier geboten, weil die Erblasserin zwar eindeutig ihre Kinder als Erben eingesetzt und sie hinsichtlich der restlichen Nachlaßgegenstände mit Vorausvermächtnissen (§ 2150 BGB) bedacht hat, jedoch keine ausdrückliche Bestimmung für den Fall getroffen h...