Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwachsung

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei Auslegung einer letztwilligen Verfügung ist zunächst festzustellen, ob eine Bestimmung von Ersatzerben vorliegt, da diese grundsätzlich dem Recht der Anwachsung vorgeht.

 

Normenkette

BGB §§ 2094, 2096, 2099

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 04.12.1990; Aktenzeichen 4 T 1270/90)

AG Kempten (Aktenzeichen VI 408/89)

 

Tenor

I. Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 5 bis 10 gegen den Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 4. Dezember 1990 werden zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf insgesamt 34.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die im Jahre 1989 im Alter von nahezu 87 Jahren verstorbene Erblasserin war Witwe und kinderlos. Die Beteiligten zu 1 bis 4 sind ihre noch lebenden Geschwister. Ein weiterer, im Jahr 1985 vorverstorbener Bruder der Erblasserin hatte fünf Kinder, nämlich die Beteiligten zu 5 bis 8 und eine vorverstorbene Tochter. Deren Abkömmlinge sind die Beteiligten zu 9 und 10.

Die Erblasserin hat am 24.10.1976 ein eigenhändig geschriebenes und unterzeichnetes Testament errichtet. Es lautet:

„Ich … möchte meine fünf Geschwister als Erben einsetzen: …

Das Geld was in der … Sparkasse … angelegt ist, sollen sie zu gleichen Teilen an sich nehmen. Möbel. Betten derzeit neue Waschmaschine, Wäscheschleuder, Wäsche, übriger Hausrat, können sie nach gegebenen Verhältnissen u. eigenem Gutdünken entsprechend verteilen. Das Geld was von der … Begräbnisversicherung ausbezahlt wird, kann die Schwester, oder wer auch immer meine Grabstätte pflegt für sich nehmen.”

Beim Nachlaßgericht hat die Beteiligte zu 4 einen Erbschein beantragt, wonach die Erblasserin von ihren überlebenden Geschwistern zu je 1/4 beerbt worden sei. Die Beteiligten zu 5 bis 10 sind dem entgegengetreten und haben geltend gemacht, sie seien als Ersatzerben an die Stelle des verstorbenen Bruders der Erblasserin getreten. Die Beteiligte zu 5 hat einen Erbscheinsantrag gestellt, wonach die Beteiligten zu 1 bis 4 jeweils zu 1/5 und die Beteiligten zu 5 bis 8 jeweils zu 1/20 Erben geworden seien. Das Nachlaßgericht hat durch Beschluß vom 16.5.1990 die Bewilligung eines Erbscheins gemäß dem Antrag der überlebenden Geschwister angekündigt und den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 5 zurückgewiesen. Hiergegen haben die Beteiligten zu 5 bis 10 mit einem an das Nachlaßgericht adressierten Schriftsatz Beschwerde eingelegt und beantragt, einen Erbschein zu bewilligen, wonach die Erblasserin von den Beteiligten zu 1 bis 4 zu je 1/5, von den Beteiligten zu 5 bis 8 zu je 1/25 und von den Beteiligten zu 9 und 10 zu je 1/50 beerbt worden sei. Das Nachlaßgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen. Das Landgericht hat den Ehemann der Beteiligten zu 4 als Zeugen vernommen und durch Beschluß vom 4.12.1990 die Beschwerde zurückgewiesen. Am 18.12.1990 hat das Nachlaßgericht einen Erbschein des Inhalts bewilligt, daß die überlebenden Geschwister der Erblasserin, die Beteiligten zu 1 bis 4, zu je einem Viertel Erben geworden seien. Dieser Erbschein ist am 7.1.1991 hinausgegeben worden. Am 23.1.1991 haben die Beteiligten zu 5 bis 10 weitere Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts eingelegt. Sie machen die Unrichtigkeit des erteilten Erbscheins geltend und verfolgen den im Beschwerdeverfahren von ihnen gestellten Erbscheinsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Nach der Erteilung des Erbscheins durch Hinausgabe einer Ausfertigung an die Beteiligte zu 4 (Palandt/Edenhofer BGB 50. Auf. § 2353 Rn. 28) ist das Rechtsmittel mit dem Ziel statthaft, diesen Erbschein gemäß § 2361 BGB einzuziehen (BayObLGZ 1982, 236/239 m.w.Nachw.). Die Einziehung dieses Erbscheins wäre die Voraussetzung für eine Erteilung des von den Beteiligten zu 5 bis 10 erstrebten Erbscheins (BayObLG FamRZ 1989, 1348; Palandt/Edenhofer § 2361 Rn. 12).

Die weitere Beschwerde ist auch insoweit statthaft, als sie das Ziel verfolgt, das Nachlaßgericht solle zur Erteilung dieses Erbscheins angewiesen werden. Zwar haben die Beteiligten zu 5 bis 10 den im Rechtsbeschwerdeverfahren wiederholten Erbscheinsantrag erstmals in der Beschwerdeschrift gestellt. Diese ist aber beim Nachlaßgericht eingereicht und vom Nachlaßrichter mit der Feststellung, daß der Beschwerde nicht abgeholfen werde, dem Landgericht vorgelegt worden. Das Beschwerdegericht hätte deshalb das Nachlaßgericht zur Erteilung eines Erbscheins entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 5 bis 10 anweisen dürfen (BayObLGZ 1981, 69/71 m.w.Nachw.; Palandt/Edenhofer § 2353 Rn. 40; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 5. Aufl. § 84 FGG Anm. I 3).

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Zu Recht habe das Amtsgericht angenommen, der dem vorverstorbenen Bruder zugedachte Erbteil sei den überlebenden Geschwistern angewachsen. Die Kammer mache sich die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses zu eigen. Auch die im Beschwerdeverfahren durchgeführte Beweisaufnahme habe keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, d...

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