Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des zuständigen Gerichts
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt nicht in Betracht, wenn hinsichtlich mehrerer beklagter Streitgenossen kollidierende ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen zu beachten sind.
2. Eine Gerichtsstandsvereinbarung in einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte kann auch die Ansprüche der Dritten erfassen.
3. In der Regel erfasst die Gerichtsstandsvereinbarung in einem Vertrag auch die Geltendmachung von deliktischen Ansprüchen, soweit sie mit vertraglichen konkurrieren. Das gilt grundsätzlich auch für Gerichtsstandsvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen.
4. Gerichtsstandsvereinbarungen sind bei der Durchsetzung der davon erfassten Ansprüche durch einen Rechtsnachfolger zu beachten, auch wenn dieser selbst nicht pro- und derogationsbefugt ist.
Normenkette
BGB § 305c Abs. 2; EGZPO § 9; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2
Tenor
Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.
Gründe
A. Die Antragstellerin erhob wegen folgenden von ihr vorgetragenen Sachverhalts Klage zum Landgericht Nürnberg-Fürth:
Der Eigentümer eines bebauten Grundstücks in Fürth bestellte einer in Köln ansässigen Bauträgerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, und deren ebenfalls in Köln ansässigen Muttergesellschaft, einer Aktiengesellschaft, ein Erbbaurecht an dem Grundstück. Diese betrieben die Sanierung des Gebäudebestands. Dazu schlossen sie am 6./7. März 2006 mit der Leipziger Niederlassung der im Bezirk des Landgerichts Baden-Baden ansässigen Antragsgegnerin zu 1) einen Generalunternehmervertrag (im Folgenden: GU-Vertrag, vgl. Anl. K 1a zur Klageschrift v. 28. Dezember 2017), der die Sanierung des Gebäudeensembles und dessen Umbau zu einer Wohnanlage zum Gegenstand hatte und unter anderem folgende Regelung enthielt:
§ 16 - Schlussbestimmungen
...
3. Als Gerichtsstand wird Köln vereinbart.
Die Rechtsvorgängerin der in Köln ansässigen Antragsgegnerin zu 2), die in Nürnberg eine Niederlassung unterhält, erklärte am 12. Juni 2007 unter Bezugnahme auf eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 1) aus dem GU-Vertrag zur Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft, die Bürgschaft bis zu einer bestimmten Höhe zu übernehmen.
Die Muttergesellschaft beauftragte die Antragsgegnerin zu 3), die in München ansässig ist und ebenfalls in Nürnberg eine Niederlassung unterhält, mit der Abnahme von Bauleistungen. Die gemäß § 8 des dazu am 18. Oktober 2006 geschlossenen Vertrags (vgl. die von der Antragsgegnerin zu 3) mit Schriftsatz vom 30. Januar 2020 vorgelegte Anl. B 1) einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin zu 3) enthalten unter anderem folgende Bestimmung:
"8. Gerichtsstand, Erfüllungsort, anzuwendendes Recht
8.1 Gerichtsstand für die Geltendmachung von Ansprüchen für beide Vertragspartner ist München, soweit die Voraussetzungen gemäß § 38 der Zivilprozessordnung vorliegen.
...
Außerdem schloss die Antragsgegnerin zu 3) einen auf einem Angebot vom 26. April 2006 beruhenden "Vertrag über Baubegleitendes Qualitätscontrolling" (vgl. die von der Antragsgegnerin zu 3) mit Schriftsatz vom 30. Januar 2020 vorgelegte Anl. B 2), nach dem sie es schuldete, Mängel und Abweichungen von den allgemein anerkannten Regeln der Technik gutachterlich zu erfassen. Dieser Vertrag, dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen ebenfalls den Gerichtsstand München vorsahen, wurde nach dem unbestrittenen Vorbringen der Antragsgegnerin zu 3) weder mit der Bauträgerin noch mit deren Muttergesellschaft geschlossen; die Parteien verhalten sich nicht dazu, wer Vertragspartner der Antragsgegnerin zu 3) war."
Die Bauträgerin und ihre Muttergesellschaft veräußerten nach Aufteilung die jeweiligen Wohn- und Teilerbbaurechte an die Mitglieder der Antragstellerin, der Wohnungserbbaugemeinschaft.
Nach der werkvertraglichen Abnahme leitete die Antragstellerin im Jahr 2010 wegen verschiedener Baumängel ein selbständiges Beweisverfahren ein.
In der Folge trat die Muttergesellschaft ihre Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 3) an die Bauträgerin ab. Später traten beide ihre Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 1) aus dem GU-Vertrag und gegen die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 2) an die Antragstellerin ab; gleichzeitig trat die Bauträgerin die zuvor an sie abgetretenen Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 3) an die Antragstellerin ab (vgl. Anl. K 11a zur Klageschrift v. 28. Dezember 2017).
Im selbständigen Beweisverfahren wurden in mehreren Teilgutachten zahlreiche Baumängel festgestellt.
Mit ihrer Klage vom 28. Dezember 2017 zum Landgericht Nürnberg-Fürth macht die Antragstellerin bezifferte Schadensersatz- und Vorschussansprüche gegen alle drei Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnerinnen in Höhe der Bürgschaftssumme sowie gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 3) in darüber hinaus gehender Höhe geltend; außerdem begehrt sie die Feststellung, dass die Antragsgegnerinnen zu 1) und zu 3) als Gesamtschuldnerinnen verpflich...