Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage der Auslegung der Formulierung „im Falle unseres beiderseitigen Ablebens”.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 2269
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 09.12.1988; Aktenzeichen 4 T 2392/88) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 5 gegen den Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 9. Dezember 1988 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Nr. II dieser Entscheidung entfällt.
II. Die Beteiligte zu 5 hat die der Beteiligten zu 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 13.500 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der verwitwete und kinderlose Erblasser ist am 25.12.1987 im Alter von 81 Jahren verstorben. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind seine einzigen Geschwister. Die Beteiligten zu 3 bis 6 sind Nichten seiner am 28.2.1983 verstorbenen Ehefrau; der Beteiligte zu 7 ist ein Neffe des Erblassers. Der Wert des im wesentlichen aus Sparbriefen und Bankguthaben bestehenden Nachlasses beläuft sich auf rund 110.000 DM.
Der Erblasser und seine Ehefrau hatten am 6.7.1959 ein vom Erblasser eigenhändig geschriebenes und von beiden Ehegatten unterzeichnetes „gemeinschaftliches Testament” errichtet, das folgenden Wortlaut hat:
Wir verfügen, daß im Falle des Ablebens eines Ehepartners das bewegliche und unbewegliche Vermögen dem überlebenden gehört.
Es hat kein Verwandter Anspruch.
In einem von der Ehefrau des Erblassers handschriftlich verfaßten und von beiden Ehegatten unterzeichneten „Nachtrag zu unserem Testament” vom 15.6.1984 ist auszugsweise folgendes ausgeführt:
Im Falle unseres beiderseitigen Ablebens wünschen wir, daß unser ganzer Nachlaß wie folgt aufgeteilt wird.
- Viertel unseres Vermögens an Frau P. (… Schwester und Schwägerin) …
- Viertel an Frau H. (Nichte) …
- Viertel an Frau K. und G. (Nichten) …
- Viertel an Frau T. (Nichte) … und W. (Neffe) …
Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragten die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, demzufolge der Erblasser von ihnen kraft Gesetzes je zur Hälfte beerbt worden sei. Diesem Antrag hat das Amtsgericht am 14.3.1988 entsprochen. Ausfertigungen des Erbscheins wurden an den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1 hinausgegeben. Mit Schriftsatz vom 2.5.1988 beantragte die frühere Beteiligte P., eine Schwester der Ehefrau des Erblassers, den Erbschein einzuziehen und einen neuen Erbschein zu erteilen, der die im Nachtrag vom 15.6.1984 aufgeführten Personen als Miterben ausweise. Diesen Anträgen traten die Beteiligten zu 1 und 2 entgegen. Mit Beschluß vom 15.6.1988 wies das Nachlaßgericht den Erbscheinsantrag zurück und lehnte den Einziehungsantrag ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der früheren Beteiligten P. wies das Landgericht am 9.12.1988 zurück. Ferner ordnete es an, daß die Beteiligte P. die „Kosten des Beschwerdeverfahrens” zu tragen habe (Nr. II). Der Geschäftswert wurde auf 27.000 DM festgesetzt.
Gegen diesen Beschluß legte die frühere Beteiligte P. am 3.1.1989 weitere Beschwerde ein. Mit Schriftsatz vom 12.1.1989 teilten ihre Verfahrensbevollmächtigten mit, daß Frau P. am 6.1.1989 verstorben und von den Beteiligten zu 4 und 5 beerbt worden sei. Diese beantragten mit Schriftsatz vom 27.2.1989 „als Erbinnen nach Frau P …” den Beschluß des Landgerichts vom 9.12.1988 und den Beschluß des Amtsgerichts vom 15.6.1988 aufzuheben, den Erbschein vom 14.3.1988 einzuziehen und einen Erbschein für die im Testamentsnachtrag vom 15.6.1984 aufgeführten Personen zu erteilen. Mit Schriftsatz vom 20.9.1989 erklärten jedoch die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 4 und 5, daß die weitere Beschwerde lediglich im Namen der Beteiligten zu 5 „und zwar aus eigenem Recht” erhoben werde.
Die Beteiligte zu 2 beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen; die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 5 ist zulässig. Ihre Beschwerdeberechtigung (§ 29 Abs. 4, § 20 Abs. 1 FGG) ergibt sich daraus, daß das Nachlaßgericht die Erteilung eines Erbscheins abgelehnt hat, der sie als Schlußerbin (§ 2269 Abs. 1 BGB) zu 1/8 ausweisen sollte. Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht nicht entgegen, daß die Beteiligte zu 5 von ihrem Recht, gegen die Entscheidung des Nachlaßgerichts in eigenem Namen Beschwerde einzulegen, keinen Gebrauch gemacht hat (Keidel/Kuntze FGG 12. Aufl. § 27 Rn. 10 m.w.Nachw.). Zur Erstbeschwerde war die Beteiligte zu 5 berechtigt, obwohl sie beim Nachlaßgericht keinen Erbscheinsantrag gestellt hatte. § 20 Abs. 2 FGG steht dem nicht entgegen, weil die Beteiligte zu 5 gemäß § 2357 Abs. 1 Satz 2 BGB antragsberechtigt gewesen wäre (BayObLGZ 1963, 58/64; Palandt/Edenhofer BGB 49. Aufl. § 2353 Anm. 7 c; a.A. Bassenge/Herbst FGG/RPflG 4. Aufl. § 20 FGG Anm. 3 a m.w.Nachw.).
2. Das Landgericht hat die Beschwerde der früheren Beteiligten P. zurückgewiesen, weil es den die Beteiligten zu 1 und 2 als gesetzliche Erben ausweisende...