Leitsatz (amtlich)

1. Wer materiell Beteiligter eines Wohnungseigentumsverfahrens ist, muss auch formell am Verfahren beteiligt werden. Die Nachholung der formellen Beteiligung im Rechtsbeschwerdeverfahren scheidet dann aus, wenn eine Sachentscheidung wegen mangelnder Sachaufklärung nicht möglich ist.

2. Eine Entscheidung des Beschwerdegerichts ohne mündliche Verhandlung kann jedenfalls dann zur Aufhebung und Zurückverweisung führen, wenn jede Begründung für das Absehen von einer mündlichen Verhandlung fehlt.

3. Abgrabungen an einer Gartensondernutzungsfläche stellen begrifflich eine bauliche Veränderung dar, die ohne Zustimmung anderer Wohnungseigentümer nur dann zulässig sind, wenn die Maßnahme der erstmaligen Herstellung eines ordnungsmäßigen Zustands oder der Instandsetzung und Instandhaltung dient oder wenn andere Wohnungseigentümer dadurch keinen über § 14 Nr. 1 WEG hinausgehenden Nachteil erleiden.

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Beschluss vom 03.06.2003; Aktenzeichen 60 T 513/03)

AG Freising (Aktenzeichen 4 UR II 12/02)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des LG Landshut vom 3.6.2003 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur mündlichen Verhandlung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG zurückverwiesen.

III. Der Geschäftswert wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 1.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller, die Antragsgegner und die weiteren Beteiligten sind jeweils zur Hälfte Miteigentümer einer Wohnung in einem Dreifamilienhaus, das von den Antragstellern errichtet worden ist.

Die Wohnung der Antragsgegner liegt teilweise in einem Hang. In einem der Zimmer traten an einer im Erdreich liegenden Wand Feuchtigkeitsschäden auf. Zur Feststellung der Ursache und zur vollständigen Austrocknung des Mauerwerks gruben die Antragsgegner den Hang vor der feuchten Wand auf eine Länge von 5 m quer zur Hauswand ab und befestigten den dadurch steiler gewordenen Hang mittels Pflanztrögen aus Beton in sechs Reihen übereinander.

Die Antragsteller haben beim AG beantragt, den Antragsgegnern die Fortsetzung der Abgrabung zu verbieten und sie zu verpflichten, den Hang wieder aufzufüllen. Nach Erholung eines Sachverständigengutachtens und mündlicher Anhörung des Sachverständigen hat das AG mit Beschluss vom 6.2.2003 die Anträge abgewiesen.

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller, mit der sie die Verpflichtung der Antragsgegner zum Rückbau der Hangabstützung durch Pflanztröge erstrebt haben, hat das LG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss vom 3.6.2003 zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller, mit der sie ihren Verpflichtungsantrag vor dem LG weiter verfolgen.

II. Das Rechtsmittel der Antragsteller führt zur Aufhebung der Entscheidung des LG und zur Zurückverweisung der Sache an das LG.

1. Das LG hat ausgeführt:

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sei allein die begehrte Verpflichtung zum Rückbau der Pflanztröge. Ob die Antragsteller die Beseitigung der Pflanztröge deshalb nicht verlangen könnten, weil sie selbst regelmäßig Baumaßnahmen durchführten, die von den übrigen Wohnungseigentümern nicht gebilligt würden, sei nicht entscheidend. Die Pflicht der Antragsteller, die Pflanztröge zu dulden, ergebe sich nämlich aus § 14 Nr. 3 WEG. Die Pflanztröge seien auf der Sondernutzungsfläche der Antragsgegner angebracht. Ausgehend vom nicht angefochtenen Teil des Beschlusses des AG sei die Abgrabung des Hanges in einer Breite von 1 m Abstand zur Hausmauer rechtmäßig. Denn in diesem Umfang sei die Abgrabung nach den Ausführungen des Sachverständigen zur Austrocknung der Mauer, also zur Instandsetzung, erforderlich gewesen. Dann habe es aber im Rahmen bestimmungsgemäßen Gebrauchs nach § 14 Nr. 1 WEG gelegen, den durch die Teilabgrabung ohnehin veränderten Bereich der Sondernutzungsfläche gartenbaulich neu zu gestalten. Die vorgelegten Lichtbilder zeigten deutlich, dass die von den Antragsgegnern gewählte Gestaltung optisch ansprechend sei. Es sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum die auf 1 m Breite ohnehin abzutragende Hangfläche nicht auf der ganzen Breite von 5 m einheitlich neu gestaltet werden sollte. Eine Gefahr gehe nach der Beurteilung des Sachverständigen von der Abgrabung nicht aus. Die optische Gestaltung der Sondernutzungsfläche sei so lange allein Sache der Antragsgegner, als hiervon keine Belästigung, optische Verunstaltung oder Gefährdung des Gemeinschaftseigentums oder des Sondereigentums der anderen Wohnungseigentümer ausgehe. In diesem Rahmen seien auch kleinere Erdarbeiten wie die vorliegenden als Ausübung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs anzusehen.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Der Gegenstand des Verfahrens ist ein Streit über die Rechte und Pflichten von Wohnungseigentümern untereinander und fällt damit unter § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG. Nach § 43 Abs. 4 Nr. 1 WEG sind an einem solchen Verfahren sämtliche Wohnungseigentümer ma...

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