Leitsatz (amtlich)

1. Das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gilt auch in Antragsverfahren.

2. Eine Amtsniederlegung des für das Schiedsverfahren bestellten Schiedsrichters ist nicht ohne Weiteres als Beendigungsbeschluss auszulegen und bewirkt weder eine Beendigung noch eine Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung.

 

Tenor

I. Zur Durchführung des Schiedsverfahrens zwischen den Parteien wegen der Ansprüche der Antragstellerin nach Auflösung der mit dem Antragsgegner gebildeten Steuerberatersozietät wird zum Ersatzeinzelschiedsrichter bestellt:

II. Die Kosten des Bestellungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Streitwert für das Bestellungsverfahren wird auf 245.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Aufgrund Sozietätsvertrags vom 24. März 1992 war die Antragstellerin mit dem Antragsgegner in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur gemeinsamen Ausübung des steuer- und wirtschaftsberatenden Berufs verbunden.

Nach § 15 des Vertrags bleibt die Gesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters grundsätzlich bestehen. Für den Fall, dass der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens nur zwei Gesellschafter angehören, bestimmt § 15, dass der verbleibende Gesellschafter die Kanzlei als Einzelunternehmen weiterbetreiben kann. § 16 des Gesellschaftsvertrags besagt, dass sich die Parteien über die Einzelheiten der Auflösung in einer gesonderten Vereinbarung zu einigen haben, wenn sie übereinstimmend die Auflösung der Gesellschaft wünschen. § 17 des Gesellschaftsvertrags bestimmt für Streitigkeiten der Gesellschafter:

Sämtliche Gesellschafter verpflichten sich, etwaige Streitigkeiten unter Ausschluß des ordentlichen Rechtswegs beizulegen. Statt der Anrufung eines öffentlichen Gerichts haben sie einen neutralen Dritten zu bestimmen, der in Zusammenarbeit mit den Gesellschaftern versucht, die Streitigkeiten beizulegen. Können sich die Gesellschafter auf keinen solchen neutralen Dritten einigen, so erklären sie sich bereits jetzt damit einverstanden, daß ein solcher von der Bundes-Steuerberaterkammer bestimmt wird. Auch erklären sich die Gesellschafter bereits jetzt damit einverstanden, daß sie sich mit [sic!] dem Schiedsspruch des neutralen Dritten unterwerfen, falls eine gütliche Einigung auch unter Mitwirkung dieses neutralen Dritten nicht zustande kommt.

Erfüllungsort und Gerichtsstand ist Landshut.

Aufgrund ihres Ausschlusses aus der Sozietät mit Schreiben des Antragsgegners vom 11. Oktober 2002 und nach Bestimmung eines Schiedsrichters durch die Bundessteuerberaterkammer erhob die Antragstellerin Schiedsklage gegen den Antragsgegner, mit der sie sich gegen ihren Ausschluss und weitere Maßnahmen des Antragsgegners wandte. Im Schiedsverfahren schlossen die Parteien am 15. Januar 2003 einen Zwischenvergleich, in dem sie sich auf die Auflösung der Sozietät zu diesem Tag einigten und Regelungen zur Abwicklung trafen. Unter anderem sollte im schiedsgerichtlichen Verfahren ein Gutachten zum Wert der Sozietät bezogen auf den 15. Januar 2003 und zur Höhe des im Rahmen der Sozietätsauflösung zu erbringenden Ausgleichsbetrags eingeholt werden.

Der am 12. Mai 2003 beauftragte Sachverständige erstellte schließlich unter dem 6. Januar 2008 ein schriftliches Gutachten. Nachdem die Parteien hierzu und zu ergänzend eingeholten Äußerungen des Sachverständigen Stellung genommen hatten und ein bei Gericht angebrachter Antrag der Antragstellerin, die Beendigung des Schiedsrichteramts auszusprechen, am 17. Dezember 2010 abgewiesen worden war, legte der Schiedsrichter mit Beschluss vom 5. September 2018 sein Amt nieder. Zur Begründung führte er aus: Er habe die Parteien darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht das eingeholte Gutachten als Teilgutachten zu verstehen sei, das als Grundlage für die Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz diene. Die Schiedsparteien verweigerten jedoch beharrlich die Zahlung des Restbetrags aus der Honorarrechnung der Gutachterin und die Zahlung eines weiteren Vorschusses für die Erstellung des zweiten Teils des Gutachtens. Sie blockierten dadurch den Fortgang des Verfahrens. Deshalb sehe er sich zu einer ordnungsgemäßen Fortsetzung des Schiedsverfahrens nicht in der Lage und trete von seinem Amt zurück.

Mit Schriftsatz vom 25. April 2022 an das Oberlandesgericht München unter dem Betreff "wegen Antrag auf Benennung eines Schiedsrichters nach § 1035 Abs. 4 ZPO" begehrte die Antragstellerin,

gemäß § 1035 Abs. 4 ZPO die erforderlichen Maßnahmen anzuordnen.

Sie führte aus, die einzige Person, auf die sich die Parteien als Schiedsrichter geeinigt hätten, habe die Übernahme des Amts abgelehnt. Die Bundessteuerberaterkammer habe keine Benennung ausgesprochen und als Grund hierfür mitgeteilt, sie verfüge nicht über die Kenntnis möglicher Kandidaten. Auch die weiteren Anstrengungen der Antragstellerin, einen geeigneten Schiedsrichter zu finden, seien erfolglos geblieben; der Antragsgegner habe keine Bemühungen unternommen. Die Schiedsklausel erweise sich damit als undurchführbar, denn nach ihrem Inhalt...

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