Normenkette

AEUV Art. 101; BGB § 830 Abs. 1 S. 1; Brüssel Ia-VO Art. 1 Abs. 1 S. 1; EGV Art. 81; EGZPO § 9; EuGVVO Art. 4, 8; GWB § 33; ZPO §§ 12, 17, 36 Abs. 1 Nr. 3, §§ 59-60

 

Tenor

Als (örtlich) zuständiges Gericht wird das Landgericht Stuttgart bestimmt.

 

Gründe

I. Mit ihrer am 27. Dezember 2018 beim Landgericht München I erhobenen Klage verlangen die 428 Antragsteller, Unternehmen mit Sitzen im In- und Ausland (Ungarn, Polen, Österreich, Tschechien, Slowenien, Niederlande, Kroatien, Griechenland, Rumänien, Montenegro, Slowakei, Serbien sowie Bosnien und Herzegowina), von den beiden Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnerinnen jeweils Ausgleich des Schadens, der dem jeweiligen Antragsteller durch den Einkauf überteuerter Lastkraftwagen entstanden sein soll.

Unter Bezugnahme auf den Beschluss der Europäischen Kommission vom 19. Juli 2016 in Sachen AT-39824 - Trucks machen sie geltend, die Antragsgegnerinnen und weitere Lastkraftwagen-Hersteller hätten zwischen 1997 und 2011 Bruttopreislisten für mittlere und schwere Lastkraftwagen abgesprochen und dadurch gegen Art. 101 AEUV verstoßen. Die jeweiligen Antragsteller hätten in diesem Zeitraum Lkws gemäß tabellarischer Auflistung erworben und hierfür aufgrund des Kartells überhöhte Preise bezahlt. Sie könnten deshalb von den Antragsgegnerinnen als Gesamtschuldnerinnen nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. Art. 81 EGV bzw. Art. 101 AEUV sowie § 33 GWB Schadensersatz verlangen.

Die Antragsgegnerin zu 1 ist im Bezirk des Landgerichts München I ansässig; die Antragsgegnerin zu 2 hat ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts Stuttgart.

Die Antragsteller haben beantragt, gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ein gemeinsam zuständiges Gericht für den gegen die Antragsgegnerinnen gerichteten Rechtsstreit zu bestimmen. Sie haben angeregt, das Landgericht München I auszuwählen. Im Bezirk dieses Landgerichts hätten weitere Kartellanten ihren Sitz oder eine Niederlassung. Dieses Gericht sei bereits mit zahlreichen Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit dem sog. Lkw-Kartell befasst und somit besonders sachkundig.

Die Antragsgegnerinnen würden jeweils als Streitgenossinnen in Anspruch genommen. Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand bestehe für den Rechtsstreit nicht. Maßgeblich sei hierfür nicht, ob die Antragsteller, sofern sie nicht als Streitgenossen klagen würden, die beiden Antragsgegnerinnen jeweils an einem gemeinsamen Gerichtsstand verklagen könnten. Einzelklagen der jeweiligen Antragsteller wären nämlich ein "anderer Rechtsstreit". Die Gerichtsstandsbestimmung sei jedoch erforderlich für den aufgrund der gebündelten Klage tatsächlich gegebenen Rechtsstreit.

Die Antragsgegnerin zu 1) hat sich sowohl mit der Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts als auch mit der Auswahl des vorgeschlagenen Gerichts einverstanden erklärt.

Die Antragsgegnerin zu 2) hat von der ihr eingeräumten Möglichkeit, zum Bestimmungsantrag Stellung zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht.

II. Auf den zulässigen Antrag bestimmt der Senat das Landgericht Stuttgart als (örtlich) gemeinsam zuständiges Gericht.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist das nach § 36 Abs. 2 ZPO i.V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständige Gericht, weil die Antragsgegnerinnen ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 ZPO) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (München und Stuttgart) haben und das zuerst mit der Sache befasste Gericht in Bayern liegt.

2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.

a) Die deutschen Gerichte sind, was Voraussetzung einer Bestimmungsentscheidung ist (vgl. BGH, Beschl v. 22. Februar 1995, XII ARZ 2/95, NJW-RR 1995, 641; Beschluss vom 17. September 1980, IVb ARZ 557/80, NJW 1980, 2646), für die erhobene Klage in der Sache auch insoweit international zuständig, als wegen des Sitzes einzelner Kläger außerhalb Deutschlands ein Auslandsbezug gegeben ist.

Soweit Kläger ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union haben, folgt die internationale Zuständigkeit für ihre Klage und somit auch für das Verfahren auf Bestimmung des Gerichtsstands aus Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (nachfolgend: Brüssel Ia-VO; vgl. Wurmnest NZKart 2017, 2/3). Der Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO ist in zeitlicher (Art. 66 Abs. 1 Brüssel Ia-VO) und sachlicher (Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO) Hinsicht eröffnet. Klagen auf Schadensersatz wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts stellen eine zivilrechtliche Streitigkeit dar und fallen unter den Begriff der Zivil- und Handelssache nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO (EuGH, Urt. v. 23. Oktober 2014, C-302/13 - flyLAL-Lithuanian Airlines, juris Rn. 29). Beide Beklagte haben ihren satzungsmäßigen Sitz (vgl. Art. 63 Abs. 1 Buchst. a Brüssel Ia-VO) in der Bundesrepublik Deutschland.

Nichts ander...

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