Leitsatz (amtlich)
Ablehnung der Zuständigkeitsbestimmung bei Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands, weil dem weiteren Streitgenossen die Prozessführung an diesem im konkreten Fall nicht zumutbar ist.
Verfahrensgang
LG Bamberg (Aktenzeichen 1HK OH 16/04) |
Tenor
I. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Bestimmungsverfahrens.
III. Der Wert des Bestimmungsverfahrens wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die im LG-bezirk Bamberg anässige Antragstellerin führte im Auftrag Tiefbau und Kabelmontagearbeiten entlang der Bahntrasse Garmisch-Partenkirchen-Mittenwald aus, bei denen aufgeständerte Kabelkanäle montiert wurden. Herstellerin der Kabelkanäle ist die im LGbezirk Frankfurt/M. ansässige Antragsgegnerin zu 2), Verkäuferin ist die im LGbezirk Amberg ansässige Antragsgegnerin zu 1). Von dieser bezog die Antragstellerin die verlegten Kabelkanäle unter Zugrundelegung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Allgemeine Bestellbedingungen für Lieferungen und Leistungen), in denen es in Ziff. 15.6 heißt:
Alleiniger Gerichtsstand ist der Sitz des für die bestellende Gesellschaft zuständigen Gerichts.
Da die Auftraggeberin jedenfalls zum Teil die Vergütung unter Hinweis auf erhebliche Mängel der verlegten Kabelkanäle verweigert, hat die Antragstellerin beim LG Bamberg gegen die Antragsgegnerinnen einen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gestellt. Die Antragsgegnerin zu 2) hat die örtliche Unzuständigkeit des LG Bamberg gerügt. Die Klägerin hat die Bestimmung des zuständigen Gerichts beantragt.
II. 1. Das BayObLG ist zur Entscheidung über den Bestimmungsantrag gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO berufen (§ 36 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 9 EGZPO).
2. Eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann auch für ein selbständiges Beweisverfahren vorgenommen werden, wenn dieses zur Schadensfeststellung gegen mehrere Antragsgegner durchgeführt werden soll (BayObLGZ 1991, 343 [344]).
3. Die Voraussetzungen für eine solche Zuständigkeitsbestimmung liegen jedoch nicht vor. Der Bestimmung eines zuständigen gemeinsamen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO steht der zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1) vereinbarte ausschließliche Gerichtsstand entgegen.
a) Im Hinblick auf die Kaufmannseigenschaft der Vertragspartner des Liefervertrages, der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1), besteht an der Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung gem. § 38 Abs. 1 ZPO kein Zweifel. Die dort getroffene Vereinbarung des ausschließlichen Gerichtsstands am Sitz der Klägerin erstreckt sich jedoch nicht auf die Antragsgegnerin zu 2), mit der die Antragstellerin keinerlei vertragliche Beziehungen unterhalten hat.
b) Der Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens richtet sich gegen die Antragsgegnerinnen als Streitgenossen i.S.d. § 60 ZPO. Die Prorogation eines ausschließlichen Gerichtsstandes mit einem der Streitgenossen hat zur Folge, dass keiner der allgemeinen Gerichtsstände der Antragsgegnerinnen, sondern nur der vereinbarte ausschließliche Gerichtsstand für den gemeinsamen Antrag bestimmt werden kann (BGH NJW 1988, 646 [647]). Damit liegen an sich die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO von vornherein nicht vor (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 36 Rz. 16; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 36 Rz. 18).
In der Rechtsprechung des BGH ist jedoch - unter Berücksichtigung der verfahrensökonomischen Zielsetzung der Regelung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO - die Zuständigkeitsbestimmung in Fällen eines prorogierten Gerichtsstands nicht als von vorneherein ausgeschlossen angesehen worden (BGH v. 16.2.1984 - I ARZ 395/83, BGHZ 90, 155 [159 f.] = MDR 1984, 555; v. 9.10.1986 - I ARZ 487/86, MDR 1987, 209 = NJW 1987, 439; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 36 Rz. 18). Das mit einem Streitgenossen als ausschließlich zuständig vereinbarte Gericht kann danach gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als auch für andere Streitgenossen zuständig bestimmt werden, wenn es diesen anderen Streitgenossen unter Berücksichtigung der mit der Prorogation verfolgten Zwecke zugemutet werden kann, sich ebenfalls vor diesem Gericht verklagen zu lassen (BayObLG NJW-RR 2000, 1592).
Diese Voraussetzung liegt hier in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 2), die ausdrücklich die örtliche Unzuständigkeit des LG Bamberg gerügt hat, nicht vor. Mit der Gerichtsstandsvereinbarung hat die Antragstellerin ihren allgemeinen Gerichtsstand ggü. der Antragsgegnerin zu 1) als verbindlich durchgesetzt. Nach dem System der gesetzlichen Regelung über die örtliche Zuständigkeit (§§ 12 f. ZPO) muss sich ein Vertragspartner aber in dem Gerichtsstand des Vertragsgegners nur verklagen lassen, wenn er sich diesem Gerichtsstand durch besondere Vereinbarung unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 ZPO unterworfen hat. Hieraus folgt, dass sich ein Streitgenosse grundsätzlich nicht den mit dem anderen Streitgenossen vereinbarten allgemeinen Ger...