Leitsatz (amtlich)
Wird ein Unterbringungsverfahren beendet, nachdem das LG die sofortige Beschwerde gegen die Verlängerung der Unterbringungsgenehmigung zurückgewiesen hat, kann der Betroffene gegen die Beschwerdeentscheidung sofortige weitere Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit einlegen. Gegenstand der Überprüfung ist dann allein die landgerichtliche Entscheidung.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4; BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Ansbach (Beschluss vom 05.06.2003; Aktenzeichen 4 T 405/03 und 4 T 753/02) |
AG Weißenburg i.Bay (Aktenzeichen XVII 36/93) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Ansbach vom 5.6.2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des AG Weißenburg i. Bay. vom 1.4.2003 verworfen wird.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgewiesen.
Gründe
I. Das AG genehmigte am 28.3.2003 die vorläufige Unterbringung des seit Jahren unter Betreuung stehenden Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bis längstens 9.5.2003. Am 1.4.2003 ergänzte das AG den Beschluss dahingehend, dass erforderlichenfalls zur Durchführung der Unterbringung Gewalt angewendet und die Wohnung des Betroffenen auch gegen den Willen des Betroffenen betreten werden dürfe. Am gleichen Tag wurde der Betroffene geschlossen untergebracht. Mit Beschluss vom 8.5.2003 verlängerte das AG die Genehmigung der vorläufigen geschlossenen Unterbringung bis zum 20.6.203. Am 12.5.2003 wurde der Betroffene richterlich zur Verlängerung der Unterbringung angehört.
Die sofortigen Beschwerden des Betroffenen vom 7.4.2003 und vom 12.5.2003 gegen den Beschluss des AG vom 1.4.2003 und gegen den Beschluss des AG vom 8.5.2003 hat das LG am 5.6.2003 zurückgewiesen und einen Befangenheitsantrag des Betroffenen gegen alle Mitglieder der Kammer verworfen.
Gegen diesen Beschluss geht der Betroffene mit seiner am 24.6.2003 eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde vor, für welche er Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Am 18.6.2003 wurde der Betroffene aus der geschlossenen Einrichtung entlassen, das Unterbringungsverfahren wurde eingestellt. Daraufhin beantragte der Betroffene eine Entscheidung über die Kostenfrage und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahmen.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Mit seinem Rechtsmittel greift der Betroffene nicht die Verwerfung seines Befangenheitsantrages an. Vielmehr erstrebt er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verlängerung der Unterbringung sowie der Gestattung der Gewaltanwendung.
1. Verlängerung der Unterbringung durch den Beschluss des AG vom 8.5.2003:
a) Die Hauptsache ist erledigt. Mit der Einstellung des Unterbringungsverfahrens durch das AG am 18.6.2003 hat sich das Unterbringungsverfahren samt den in ihm enthaltenen richterlichen Anordnungen und Beschlüssen erledigt. Erledigt sich die Hauptsache, ist ein zuvor mit dem Zweck der Aufhebung der beanstandeten Maßnahme eingelegtes Rechtsmittel unzulässig; eine Sachentscheidung kann insoweit nicht mehr ergehen (vgl. Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 94). Der Betroffene kann aber mit seinem Rechtsmittel die Feststellung der Rechtswidrigkeit der getroffenen Maßnahme anstreben (BayObLGZ 2000, 220 [221]). Denn die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes gebietet es, dass in den Fällen, in denen der durch die geschlossene Unterbringung bewirkte tiefgreifende Eingriff in das Grundrecht der Freiheit beendet ist, die Schutzwürdigkeit des Interesses des Betroffenen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Grundrechtseingriffs zu bejahen (vgl. BVerfG v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99, NJW 2002, 2456 ff.; BayObLGZ 2002, 304 ff.; Demharter, FGPrax 2002, 137 [1389]). Ob hiervon im Einzelfall Ausnahmen gerechtfertigt sein können (vgl. Demharter, FGPrax 2002, 137 [1389]; BVerfG v. 18.12.2002 – 2 BvR 1660/02, NJW 2003, 1514 für eine Durchsuchungsanordnung), bedarf keiner weiteren Erörterung, da im vorliegenden Fall einer zeitlich eng befristeten Freiheitsentziehung bereits nach den bisher maßgebenden Grundsätzen der Rspr. (vgl. BVerfG v. 10.5.1998 – 2 BvR 978/97, NJW 1998, 2432; BayObLG v. 20.7.2001 – 3 Z BR 69/01, NJW 2002, 146 m.w.N.) der Fortbestand des Rechtsschutzbedürfnisses zu bejahen ist.
b) Gegenstand der Rechtswidrigkeitsfeststellung kann im Grundsatz sowohl die ursprüngliche Genehmigung der freiheitsentziehenden Maßnahme als auch deren Fortbestand für den Zeitraum der Durchführung der Unterbringung bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses sein. Der Betroffene legt durch seinen Antrag fest, in welchem Umfang er die Rechtswidrigkeit überprüft sehen möchte (vgl. hierzu BayObLGZ 2002, 304 ff.). Tritt die Erledigung erst nach Erlass der Entscheidung des Beschwerdegerichts ein, sind allerdings die Grenzen zu beachten, die einer Überprüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde al...