Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Einrichtung für Abschiebungshaft Hof - Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Hof - handelt es sich um eine spezielle Hafteinrichtung i.S.v. Art. 16 der Richtlinie 2008/115/EG.
2. Das in den §§ 102 bis 107 StVollzG geregelte Disziplinarrecht ist aufgrund der Verweisung in § 171 StVollzG für den Vollzug von Zurückweisungshaft (§ 15 AufenthG) oder Abschiebungshaft (§ 62 AufenthG) anwendbar, nachdem weder die Eigenart, noch der Zweck dieser Haftarten der Heranziehung der Disziplinarvorschriften entgegenstehen.
Normenkette
RL 2008/115/EG Art. 16; FamFG § 422 Abs. 4; AufenthG § 62a; StVollzG §§ 171, § 102 ff.
Verfahrensgang
LG Hof (Entscheidung vom 09.03.2023; Aktenzeichen StVK 25/23) |
LG Hof (Entscheidung vom 09.03.2023; Aktenzeichen StVK 26/23) |
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hof vom 09.03.2023 wird auf seine Kosten unter Festsetzung des Gegenstandswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf 500,00 € als unbegründet verworfen.
2. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde vom 11.04.2023, eingegangen am selben Tage, gegen den am 09.03.2023 zugestellten Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hof vom 09.03.2023, mit welchem sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 25.01.2023 zurückgewiesen wurde. Der Antragsteller, der sich von 04.07.2022 bis 16.03.2023 in der Einrichtung für Abschiebungshaft Hof - Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Hof - in Zurückweisungshaft befand, hält zwei gegen ihn verhängte und vollzogene Disziplinarmaßnahmen für rechtswidrig.
Weil der Antragsteller am 06.01.2023 um 19:00 Uhr den Einschluss wegen der vorangegangenen Nichtöffnung der Zigarettenausgabestelle am Feiertag verweigert habe, hat die Antragsgegnerin einen halben Monat Entzug der Verfügung über Hausgeld und Einkauf gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG verhängt, der vom 16.01.2023 bis zum 31.01.2023 vollzogen wurde.
Die zweite Sanktionierung beruhte darauf, dass am 10.01.2023 im Zimmer des Antragstellers ihm ärztlicherseits verordnete, unter Aufsicht einzunehmende, aber nicht eingenommene Medikamente (Psychopharmaka) aufgefunden wurden, nämlich neun Tabletten Mirtazapin (30 mg) und vier Tabletten Bromazepam (6 mg). Die Antragsgegnerin hat eine Woche getrennte Unterbringung während der Freizeit gemäß § 103 Abs. 1 Nr. 5 StVollzG verhängt, welche vom 13.01.2023 bis 19.01.2023 vollzogen wurde.
Der Antragsteller hat sich am 25.01.2023 gegen diese Disziplinarmaßnahmen mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung und einem nicht mehr relevanten Eilantrag gewendet. Bei der Abschiebehaftanstalt handele es sich nicht um eine spezielle Hafteinrichtung nach europarechtlichen Vorgaben. Im Übrigen sei der Zimmerarrest aufgrund des freiheitsentziehenden Charakters europarechtswidrig und unverhältnismäßig gewesen. Bei der Medikamentenabgabe habe es sich nicht um eine kontrollierte Überwachung gehandelt. Die Einnahme sei medizinisch freigestellt und nur für den Fall der Schlaflosigkeit vorgesehen gewesen. Er beantragte zuletzt mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 08.03.2023 die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Disziplinarmaßnahmen.
Die Vollzugsbehörde hat zu dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Schreiben vom 17.02.2023 Stellung genommen:
Hinsichtlich des Vorfalles am 06.01.2023 führte die Abschiebehafteinrichtung aus, dass der Antragsteller bislang auf freiwilliger Basis als Hausarbeiter für Reinigungsarbeiten in der Abschiebehaftabteilung mit Vorbildfunktion eingesetzt gewesen sei. Die Nichtausgabe von Tabak habe nicht nur ihn, sondern auch die anderen Abschiebungsgefangenen betroffen. Sein Unverständnis über die Nichtausgabe von Tabak hätte er gegenüber den Stationsbediensteten in anderer, angemessener Form kundtun können. Stattdessen habe er sich nicht an deren Anweisungen gehalten, unverzüglich in sein Zimmer zu gehen, sondern den Einschluss verweigert. Um nicht noch die Sicherheit und Ordnung bei der Fortführung des Einschlusses zu gefährden, habe er noch kurz in den Aufenthaltsraum verbracht werden müssen, bis alle verfügbaren Bediensteten zur Verfügung standen, um dann auch bei ihm den Einschluss durchführen zu können. Das Verhalten des Antragstellers habe eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Ordnung in der Einrichtung dargestellt, insbesondere weil sich auch durch seine hervorgehobene Stellung als Hausarbeiter leicht ein Nachahmeffekt bei anderen Abschiebungsgefangenen im Sinne einer Solidaritätsbekundung hätte entwickeln können. Außerdem stelle die Einschlussverweigerung unter Beachtung gruppendynamischer Prozesse ein nicht unerhebliches Sicherheitsrisiko mit etwaigem Aufforderungscharakter gegenüber Mitgefangenen zur Nachahmung dar. Insbesondere in einer Einrichtung für Abschiebungshaft mit erheblichen Sprachbarrieren und unterschiedlichst...