Entscheidungsstichwort (Thema)

Testament

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Aufhebung gemäß § 2258 Abs. 1 BGB setzt zwar voraus, daß der Erblasser das Folgetestament rechtswirksam errichtet hat, da ein ungültiges Testament, auch wenn diese Ungültigkeit wie bei einer Anfechtung erst rückwirkend eintritt, keine Rechtswirkungen hervorrufen kann. Auch wird das frühere Testament gemäß § 2258 Abs. 2 BGB im Zweifel wieder wirksam, wenn das spätere Testament widerrufen wird. Anderes gilt aber, wenn das Testament lediglich aus tatsächlichen Gründen wirkungslos geblieben ist, etwa weil der eingesetzte Erbe ausschlägt oder vor dem Erblasser verstirbt. In diesen Fällen bleibt die Aufhebungswirkung des gültigen späteren Testaments bestehen.

2. Eine Fortgeltung der früheren Verfügung kann nur in Betracht kommen, wenn der späteren Verfügung der Wille des Erblassers entnommen werden kann, die frühere widersprechende Verfügung nur unter der Bedingung aufzuheben, daß die neue Verfügung nicht gegenstandslos wird.

3. Ein in der Entziehung liegender Erbausschluß kann daher grundsätzlich nicht allein durch die Verzeihung, sondern nur durch eine neue formgültige letztwillige Verfügung beseitigt werden. Allerdings kann wegen des Zusammenhangs beider Verfügungen die Verzeihung über § 2337 Satz 2 BGB hinaus zur Unwirksamkeit auch der Enterbung führen kann, wenn ein entsprechender Wille des Erblassers anzunehmen ist. Dies gilt auch, wenn die Pflichtteilsentziehung von Anfang an unwirksam war, weil ein sie rechtfertigender Grund (§§ 2333 bis 2335 BGB) nicht vorgelegen hat

 

Normenkette

BGB § 2258 Abs. 1-2, § 2337

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Beschluss vom 19.05.1995; Aktenzeichen 3 T 2604/94)

AG Würzburg (Aktenzeichen VI 228/93)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Würzburg vom 19. Mai 1995 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligte zu 1 hat der Beteiligten zu 2 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 262.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die im Alter von 73 Jahren verstorbene Erblasserin hat keine Abkömmlinge hinterlassen. Die Beteiligte zu 1 ist ihre Schwester. Zum Nachlaß gehören neben einem Hausgrundstück im wesentlichen Bankguthaben und Wertpapiere.

Die Erblasserin schloß am 19.9.1956 mit ihrem ersten Ehemann einen Erbvertrag, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Nach Scheidung dieser Ehe heiratete die Erblasserin erneut und schloß am 3.6.1966 auch mit ihrem zweiten Ehemann einen Erbvertrag. Darin setzten sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten außerdem folgendes:

„II. … Für den Fall des gleichzeitigen Ablebens von uns beiden bezw. als Schlußerben nach dem Letztversterbenden von uns bestimmen wir als Erben je zur Hälfte unsere Patenkinder

  1. … (Beteiligter zu 3),
  2. … (Beteiligte zu 2).

Der Überlebende von uns ist jedoch berechtigt, diese

Erbeinsetzung abzuändern.

III. Ich … (Erblasserin) entziehe hiermit meiner Mutter … und meiner Schwester … (Beteiligte zu 1) den Pflichtteil wegen Ehebruches mit meinem ersten Ehemann …”

Nach dem Tod ihres zweiten Ehemanns heiratete die Erblasserin ein drittes Mal. Am 1.3.1978 errichtete sie ein privatschriftliches Testament, in dem sie ihren dritten Ehemann zu ihrem „alleinigen ausschließlichen Erben” einsetzte. Weitere Verfügungen traf sie in diesem Testament nicht. Der dritte Ehemann ist vor der Erblasserin verstorben.

Die Beteiligten zu 2 und 3 haben jeweils einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt, der sie aufgrund des Erbvertrages vom 3.6.1966 als Miterben zu je zur Hälfte ausweisen soll. Sie sind der Auffassung, daß die Schlußerbeneinsetzung in diesem Erbvertrag wieder maßgebend sei, weil die abändernde Verfügung der Erblasserin in dem Testament vom 1.3.1978 durch den Tod des dritten Ehemannes gegenstandslos geworden ist. Die Beteiligte zu 1 hat einen Erbschein beantragt, der sie als Alleinerbin kraft Gesetzes ausweisen soll. Sie ist der Auffassung, daß gesetzliche Erbfolge eingetreten sei. Der Pflichtteilsentzug im Erbvertrag vom 3.6.1966 enthalte keine Enterbung und sei im übrigen durch das spätere Testament aufgehoben bzw. durch Verzeihung gegenstandslos.

Das Nachlaßgericht hat mit Vorbescheid vom 25.11.1994 angekündigt, es werde den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurückweisen und einen Erbschein entsprechend den Anträgen der Beteiligten zu 2 und 3 erteilen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1, mit der diese ihren Erbscheinsantrag weiterverfolgt hat, hat das Landgericht den Vorbescheid aufgehoben, die weitergehende Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und die Sache an das Nachlaßgericht zurückgegeben. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. Die Beteiligte zu 2 ist dem Rechtsmittel entgegengetreten, die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Beteiligte ...

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