Entscheidungsstichwort (Thema)
fahrlässige Tötung
Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 13.07.1995) |
Tenor
I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 13. Juli 1995 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Traunstein zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht Laufen hat den Angeklagten am 8.3.1995 wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 35 DM verurteilt. Auf seine Berufung hat das Landgericht den Angeklagten am 13.7.1995 unter Aufhebung des Ersturteils freigesprochen. Das Landgericht ist von nachstehendem Sachverhalt ausgegangen:
„Der Angeklagte steuerte am 11.11.1994 gegen 19.25 Uhr bei Dunkelheit und starkem Regen und einem entgegenkommenden Pkw seinen Pkw Mercedes, amtl. Kennzeichen … mit einer Geschwindigkeit von ca. 55–65 km/h auf der Kreisstraße BGL10 von Vachenlueg in Richtung Ainring. Bei Kilometer 4 erfaßte er mit seinem Fahrzeug den in gleicher Richtung in der Nähe der Fahrbahnmitte auf seiner Fahrbahnseite gehenden Fußgänger K. R., der infolge des Anstoßes am 01.12.1994 verstarb. Der Angeklagte fuhr entweder nicht auf Sicht, oder er ließ es an der erforderlichen Aufmerksamkeit fehlen und verursachte dadurch den Tod des Fußgängers.”
Mit ihrer gegen das Berufungsurteil eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision ist begründet. Angesichts der getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatbestand können die Erwägungen der Strafkammer zum Verschulden den Freispruch nicht tragen.
Nach den Ausführungen im Urteil hat der Angeklagte den Fußgänger erst unmittelbar vor dem Aufprall erkannt und frühestens zum Zeitpunkt des Aufpralls gebremst. Der Umstand, daß der Angeklagte den Fußgänger nicht früher sah und daher so spät reagierte, ist nach den Feststellungen entweder darauf zurückzuführen, daß die Sicht extrem schlecht war, oder auf eine Unaufmerksamkeit des Angeklagten.
Die Strafkammer ist zugunsten des Angeklagten von der ersten Alternative ausgegangen und hat eine vorwerfbar zu hohe Geschwindigkeit des Angeklagten deshalb verneint, weil für diesen aufgrund besonderer Umstände die extrem geringe Sichtweite von möglicherweise nicht mehr als 15 m trotz der gebotenen Sorgfalt nicht erkennbar gewesen sei; dem Angeklagten könne daher nicht angelastet, daß er statt mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h, bei der der Unfall hätte vermieden werden können, mit 55 bis 65 km/h gefahren sei. Die besonderen Umstände hat die Strafkammer darin gesehen, daß das asymetrische Abblendlicht in Fahrbahnmitte weniger weit leuchte als am rechten Fahrbahnrand, die Begrenzungspfosten aufgrund ihrer Helligkeit und Reflexion überdies eine bessere Sicht vortäuschten und die Scheinwerfer des entgegenkommenden Fahrzeugs, die auf der dunklen nassen Fahrbahn auch bei Abblendlicht eine Blendung hervorriefen, die Adaption erheblich erschwerten, und daß die dunkle Kleidung des Fußgängers dessen Erkennbarkeit verminderte.
Zutreffend hat das Landgericht grundsätzlich dargelegt, einem sorgfältigen Kraftfahrer müsse bekannt sein, daß die genannten Umstände die Sicht gewaltig herabsetzen können, daß eine Blendung die Anpassung der Geschwindigkeit an die herabgesetzte Sichtweite erfordert und asymetrisches Licht und Begrenzungspfosten eine bessere Sicht vortäuschen können, als tatsächlich vorhanden ist. Im vorliegenden Fall hat die Strafkammer jedoch die notwendigen Anforderungen an das Gebot des Fahrens auf Sichtweite rechts fehlerhaft als eine Überspannung der Sorgfaltspflicht eines Kraftfahrers gewertet.
Nach § 3 Abs. 1 StVO darf ein Kraftfahrer nur eine den Straßen-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepaßte Geschwindigkeit fahren. Insbesondere darf er nach Satz 4 dieser Vorschrift, die die wichtigste („goldene”) Regel für die Fahrgeschwindigkeit ist, nur so schnell fahren, daß er innerhalb der übersehbaren und als hindernisfrei erkannten Strecke anhalten kann. Wie der Senat schon mehrfach entschieden hat (z.B. Urteil vom 28.4.1980 – RReg. 1 St 114/80; vom 6.4.1984 – RReg. 1 St 74/84; vom 8.5.1992 – 1 St RR 59/92) gilt dies nicht nur bei einer dauernden Sichtbehinderung, wie sie z.B. bei einer Nachtfahrt mit Abblendlicht gegeben ist, sondern auch dann, wenn die sonst ausreichende Sicht vorübergehend, insbesondere – wie hier – durch die von einem entgegenkommenden Fahrzeug ausgehende, wegen starken Regens und Spiegelung auf der Fahrbahn verstärkten Blendwirkung erheblich verringert wird. In einem solchen Fall muß der Kraftfahrer beim möglichen Erkennen der Gefahr einer solchen Sichtbeeinträchtigung noch innerhalb der von ihm vorher als hindernisfrei erkannten Strecke seine Geschwindigkeit so weit herabsetzen, daß er nunmehr trotz der ungünstig gewordenen Sichtverhältnisse seine Verpflichtung, auf Sicht zu fahren, nachkommen kann (BGH NJW 1976, 288/289; BayObLG VRS 59, 215 m.w.N....