Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinde, Vorbescheid, Amtspflicht, Bauherr, Bebauungsplan, Veränderungssperre, Grundurteil, Betragsverfahren, Verzögerung, Stellungnahme, Bauvoranfrage. Schadensersatz
Leitsatz (amtlich)
1. Verzögert die Gemeinde ihre Stellungnahme zu einem Antrag auf Erlaß eines Vorbescheids, so verletzt sie damit dem Bauherrn gegenüber bestehende Amtspflichten.
2. Die Gemeinde verletzt ihre Amtspflichten gegenüber dem Bauherrn, wenn sie ihre Stellungnahme zu einem planungsrechtlich zulässigen Bauvorhaben im Hinblick, auf eine beabsichtigte Änderung des bestehenden Bebauungsplans und den Erlaß einer Veränderungssperre hinauszögert.
3. Ergeht bei einem auf Amtspflichtverletzung gestützten Schadensersatzanspruch wegen verzögerter Stellungnahme der Gemeinde zu einer Bauvoranfrage ein Grundurteil, kann die genaue Festlegung des Zeitraums der von der Gemeinde zu vertretenden Verzögerung dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben, wenn feststeht, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Schaden in irgendeiner Höhe entstanden ist.
Normenkette
BayBO 1982 Art. 69 Abs. 1 S. 2, Art. 71 Abs. 1 S. 1, Art. 75 Abs. 2; BauGB § 30; BGB § 839 Abs. 1; ZPO § 304 Abs. 1
Tenor
I. Die Revision der Beklagten gegen das Endurteil des Oberlandesgerichts … vom 9. Mai 1994 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die beklagte Stadt auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihr dadurch entstanden sei, daß die Beklagte eine Bauvoranfrage nicht mit der gebotenen Beschleunigung behandelt habe.
Die Klägerin beabsichtigte, auf ihrem Grundstück im Gebiet der beklagten Stadt, für das ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan bestand, einen Selbstbedienungsmarkt zu errichten. Das Bauvorhaben entsprach den Festsetzungen des Bebauungsplans. Am 30.11.1988 reichte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag ein, ihr einen Vorbescheid zu dem Bauvorhaben zu erteilen. Nach Behandlung der Voranfrage im Stadtrat und Bauausschuß sowie Einholung der Stellungnahme eines Architekten bat die Beklagte mit Schreiben vom 3.5.1989 die Bezirksregierung um Hilfestellung bei der Entscheidung, ob dem Bauvorhaben zugestimmt werden solle. Am 10.5.1989 leitete sie die Bauvoranfrage dem zuständigen Landratsamt mit dem Hinweis zu, der Stadtrat könne eine endgültige Entscheidung erst treffen, wenn weitere Stellungnahmen vorlägen. Mit Schreiben vom 7.11.1989 forderte das Landratsamt die Beklagte auf, anhand der nunmehr vorliegenden Stellungnahmen zu der Bauvoranfrage „i.S. von § 36 BauGB abschließend Stellung zu nehmen”. Am 5.12.1989 sprach sich der Stadtrat sodann gegen das Bauvorhaben aus. Der Beklagte teilte dies am 5.1.1990 dem Landratsamt mit und bat um Mitteilung, ob „ergänzende Stellungnahmen und Beschlüsse erforderlich sind”. Nach den vom Landratsamt im Schreiben vom 26.1.1990 geäußerten Bedenken empfahl der Bauausschuß der Beklagten am 10.4.1990, dem Bauvorhaben zuzustimmen. In der Folgezeit stellte das Landratsamt durch Vorbescheid vom 25.4.1990 die baurechtliche Genehmigung des Vorhabens in Aussicht. Auf den Antrag vom 17.8.1990 hin wurde sodann das Bauvorhaben am 23.10.1990 vom Landratsamt genehmigt.
Die Klägerin ist der Meinung, die Beklagte habe die ihr gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt, die Bauvoranfrage unverzüglich mit ihrer Stellungnahme an das Landratsamt weiterzuleiten. Die Beklagte hätte wesentlich früher dem Bauvorhaben zustimmen müssen; dann wäre der Vorbescheid ein Jahr früher ergangen. Demgegenüber ist die Beklagte der Auffassung, sie sei ihrer Pflicht, die Bauvoranfrage mit ihrer Stellungnahme dem Landratsamt vorzulegen, am 10.5.1989 in angemessener Zeit nachgekommen. Ihr Einvernehmen zu dem Bauvorhaben sei nicht erforderlich gewesen. Das Landratsamt hätte ihre Stellungnahme vom 5.12.1989 nicht abwarten müssen.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte wegen Mietausfalls und Verteuerung der Bausumme während der Zeit der Verzögerung zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 231.840 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Durch Urteil vom 13.7.1993 hat das Landgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht durch Endurteil vom 9.5.1994 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, der die Klägerin entgegentritt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Beklagte habe gegenüber der Klägerin bestehende Amtspflichten dadurch schuldhaft verletzt, daß sie erst am 5.1.1990 gegenüber dem Landratsamt das Bauvorhaben abgelehnt habe. Sie habe die Voranfrage damit nicht mit der gebotenen Beschleunigung behandelt. Dabei seien aber Verzögerungen, die durch die Einholung von Auskünften und Gutachten entstünden, der Beklagten nicht anzulasten. In ihrem Schreiben vom 10.5.1989 habe die Beklagte dem Landratsamt gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß sie sich eine endgültige Stellungnahme vorbehalte. Damit habe sie das Landratsamt zu einem weitere...