Leitsatz
In einem Ehescheidungsverfahren nach türkischem Recht berief sich die Antragstellerin darauf, bei der Eheschließung mit dem Antragsgegner habe es sich um eine sog. Zwangsheirat gehandelt und keine Liebesheirat. Er habe ihr - vor allem zu Beginn des Einzugs bei seinen Eltern - mehrfach versprochen, sich nach einer eigenen Wohnung umzusehen, dies aber nicht getan, obgleich finanzielle Gründe nicht entgegengestanden hätten. Für sie sei die Ehe zu Ende. Unstreitig führte die Antragstellerin eine außereheliche Beziehung.
Der Antragsgegner erhob Widerspruch gegen die Scheidung und bestritt, dass es sich um eine sog. Zwangsheirat gehandelt habe. Soweit seine Frau sich darüber beklagt habe, dass sie keine eigene Wohnung hätten, sei er aus finanziellen Gründen hierzu nicht in der Lage gewesen, da er im Jahre 1995 seine Arbeitsstelle verloren habe und aus der anschließend betriebenen Selbständigkeit nur wenig Einkommen erzielt habe.
Seine Frau habe ihm gegenüber den Umstand, dass die Parteien keine eigene Wohnung hatten, auch nie als einen den Bestand der Ehe bedrohenden Faktor dargestellt. Er gehe davon aus, dass sie allein wegen eines anderen Mannes die Ehe lösen wolle. Er hoffe, dass die Ehe unter Zurückstellung der vergangenen Störungen fortgesetzt werden könne.
Das erstinstanzliche Urteil hat die Scheidung der Ehe ausgesprochen und sich in seiner Begründung ausschließlich auf Art. 166 türk. ZGB gestützt, wonach die Ehe geschieden werden kann, wenn die eheliche Gemeinschaft in ihrem Fundament so zerrüttet ist, dass den Ehegatten die Fortsetzung des gemeinsamen Lebens nicht mehr zugemutet werden kann.
Gegen das erstinstanzliche Urteil legt der Antragsgegner Berufung ein. Sein Rechtsmittel war erfolgreich.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, dass entgegen der Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts die Antragstellerin eine Scheidung nicht verlangen könne, da dem Antragsgegner ein Widerspruchsrecht nach Art. 166 Abs. 2 des türkischen ZGB zustehe.
Aufgrund der persönlichen Anhörung der Antragstellerin müsse eine objektive Zerrüttung wohl angenommen werden, da sie jedenfalls die eheliche Lebensgemeinschaft um keinen Preis aufnehmen wolle und inzwischen eine anderweitige Beziehung eingegangen sei. Eine Scheidung nach Art. 166 Abs. 3 türk. ZGB, komme mangels Zustimmung des Antragsgegners nicht in Betracht, so dass die Ehe nur dann geschieden werden könne, wenn ihm ein Widerspruchsrecht nicht zustehe.
Maßgeblich hierfür sei, wessen Verschulden überwiege. Nach Überzeugung des OLG lag das überwiegende Verschulden bei der Antragstellerin. Soweit sie sich darauf berufe, es handele sich um eine "Zwangsehe" würde dieser Umstand nu eine Anfechtbarkeit der Ehe nach Art. 151 ZGB begründen, die Frist zur Geltendmachung insoweit sei längst abgelaufen.
Auch eine daraus folgende, dem Antragsgegner anzulastende Zerrüttung sei nicht hinreichend dargelegt.
Hinsichtlich weiterer Voraussetzungen des Verschuldens des Antragsgegner fehle es an jedem Vortrag der Antragstellerin, inwieweit das Zusammenleben mit dem Antragsgegner unter der Wohnsituation litt und inwieweit es zu sozialen Spannungen mit anderen Familienmitgliedern gekommen sei. Aus dem Vortrag der Antragstellerin sei auch nicht zu erkennen, dass sie ihm je bedeutet habe, dass die fehlende eigene Wohnung den Bestand der Ehe gefährde. Hätte sie das Zusammenleben mit der Familie des Antragsgegners als unerträglich empfunden, hätte sie dies vor ihrem Auszug mitteilen müssen, um ihm eine Chance zur Aufrechterhaltung der Ehe zu geben.
Insgesamt müsse von einem überwiegenden Verschulden der Antragstellerin und damit von dem Bestehen eines Widerspruchsrechts des Antragsgegners ausgegangen werden.
Gegen den Widerspruch des Antragsgegners könne die Ehe deshalb nur geschieden werden, wenn sich der Einspruch als ein Missbrauch des Rechts darstellen und an der Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft weder für den Antragsgegner noch für die Kinder ein schutzwürdiges Interesse bestehen würde.
Die Unbeachtlichkeit des Widerspruchs habe zwei kumulative Voraussetzungen, die Missbräuchlichkeit und das fehlende Interesse an der Aufrechterhaltung. Eine Missbräuchlichkeit liege nur dann vor, wenn sich aus widersprüchlichem Verhalten des Antragsgegners ergebe, dass er die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erstrebe, da ihm entweder seinerseits die positive Einstellung zu ehelichen und familiären Verpflichtungen verlorengegangen oder er eine anderweitige Beziehung eingegangen sei. Beides sei nicht ersichtlich, so dass es hier schon an der Missbräuchlichkeit des Einspruchs fehle.
Wegen des Widerspruchs des Antragsgegners könne die Ehe daher zunächst nicht geschieden werden.
Link zur Entscheidung
KG Berlin, Urteil vom 08.02.2006, 3 UF 19/05