Entscheidungsstichwort (Thema)
Beachtlichkeit des Widerspruchsrechts des scheidungsunwilligen Ehegatten gem. Art. 166 Abs. 3 des türk. ZGB
Leitsatz (amtlich)
Der Widerspruch des Ehegatten gegen die Scheidung (Art. 166 Abs. 3 Satz 2 türk. ZGB) ist nur dann missbräuchlich, wenn sich aus widersprüchlichem Verhalten des Antragsgegners ergibt, dass er die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht erstrebt, da ihm entweder seinerseits die positive Einstellung zu ehelichen und familiären Verpflichtungen verloren gegangen ist oder er eine anderweitige Beziehung eingegangen ist.
Normenkette
Türk. ZGB Art. 166
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Urteil vom 13.01.2005; Aktenzeichen 174 F 9315/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Antragsgegners wird das am 13.1.2005 verkündete Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg geändert:
Der Scheidungsantrag der Antragstellerin wird abgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit folgenden Ergänzungen Bezug genommen.
Die Parteien sind Cousin und Cousine 1. Grades, ihre Mütter sind Schwestern. Unstreitig ist, dass die Antragstellerin während des Bestehens der ehelichen Gemeinschaft wiederholt ihre Unzufriedenheit damit äußerte, dass die Parteien keine eigene Wohnung hatten; ebenso unstreitig ist, dass die Antragstellerin, als sie eine eigene Wohnung nahm, zunächst die Möglichkeit des Zusammenlebens in dieser Wohnung offenließ, hierzu jedoch nicht mehr bereit war, da die Ehe, wie sie in ihrer persönlichen Anhörung vor dem Senat bekundete, für sie zu Ende war, als sie sich zum Auszug entschlossen hatte. Unstreitig führt die Antragstellerin eine außereheliche Beziehung mit Herrn C.C.
Die Antragstellerin hat ihren Scheidungsantrag in ihrer Berufungserwiderung weiter darauf gestützt, dass es sich um eine sog. Zwangsheirat handele, keine Liebesheirat; der Antragsgegner habe mehrere Male, vor allem zu Beginn des Einzugs bei seinen Eltern versprochen, sich nach einer eigenen Wohnung umzusehen, dies aber unterlassen, obgleich Geldnöte dem nicht entgegengestanden hätten. Da das Verschulden des Antragsgegners an der Zerrüttung überwiege, stehe ihm kein Widerspruchsrecht zu; jedenfalls sei dies rechtsmissbräuchlich, da es ihm nicht um die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft gehe, sondern um die Wiederherstellung "seiner Ehre".
Der Antragsgegner hält an seinem Widerspruch gegen die Scheidung der Ehe fest. Er bestreitet, dass es sich um eine sog. Zwangsheirat handele; auch wenn die Antragstellerin noch sehr jung gewesen sei, als sie sich kennengelernt hätten, habe es sich um eine Liebesheirat gehandelt, die keineswegs von den Familien festgelegt worden sei, sondern, insb., damit die Antragstellerin ihre Schulausbildung beenden könne, aufgeschoben worden sei. Soweit die Antragstellerin in den letzten zwei bis drei Jahren gegenüber Familienangehörigen Klage geführt habe, dass sie keine eigene Wohnung hätten, so habe er aus finanziellen Gründen eine eigene Wohnung nicht anmieten können, da er 1995 seine abhängige Arbeit verloren habe und aus dem anschließend betriebenen Laden am M.-platz nur weniger als 2000 DM monatlich erlöst habe. In der Folge sei das Einkommen - infolge Schließung der benachbarten Schule und Pachterhöhung - auf 11.000 bzw. 9.400 EUR zurückgegangen. Jedenfalls habe die Antragstellerin den Umstand, dass die Parteien keine eigene Wohnung hätten, ihm gegenüber niemals als einen den Bestand der Ehe bedrohenden Faktor dargestellt. Er gehe davon aus, dass die Antragstellerin wegen eines anderen Mannes aus der Ehe hinaus strebe, mit dem sie inzwischen eine ehebrecherische Beziehung führe. Schon deshalb sei sein Widerspruch nicht missbräuchlich. Er hoffe, dass die Ehe unter Zurückstellung der vergangenen Störungen fortgesetzt werden könne.
II. Die zulässige Berufung des Antragsgegners ist begründet. Das AG hat seine internationale Zuständigkeit zu Recht angenommen und ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Scheidung nach türkischem Recht richtet. Entgegen der Ansicht des AG kann die Antragstellerin zum jetzigen Zeitpunkt eine Scheidung jedoch nicht verlangen, da dem Antragsgegner ein Widerspruchsrecht nach Art. 166 Abs. 2 des türkischen Zivilgesetzbuchs (im Folgenden ZGB) zusteht.
Da die Antragstellerin sich in erster Instanz ausschließlich auf Art. 166 ZGB gestützt hat und auch zur Verteidigung gegen die Berufung keine Scheidungsgründe nach Art. 161 bis 165 ZGB nennt, richtet sich die Scheidung allein nach Art. 166 ZGB.
Nach dieser Vorschrift kann die Ehe geschieden werden, wenn die eheliche Gemeinschaft in ihrem Fundament so zerrüttet ist, dass den Ehegatten die Fortsetzung des gemeinsamen Lebens nicht zugemutet werden kann.
Auf Grund der persönlichen Anhörung der Antragstellerin muss eine objektive Zerrüttung hier wohl angenommen werden, da die Antragstellerin jedenfalls die ehe...