Leitsatz

Aus der nichtehelichen Beziehung der Eltern waren die Kinder L., geboren im Jahre 2000, und J., geboren im Jahre 2004, hervorgegangen. Der Antragsgegner hatte die Vaterschaft anerkannt. Die Eltern trennten sich im September 2006. Erst später - im Mai 2007 - gaben sie übereinstimmende Sorgeerklärungen ab.

Seit April 2007 lebte das jüngere Kind bei dem Vater, das ältere Kind wurde seit der Trennung seiner Eltern durchgehend von der Mutter in deren Haushalt betreut.

Das FamG hat den Antrag der Mutter, ihr das "Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht" für das jüngere Kind zu übertragen, zurückgewiesen.

Hiergegen wandte sich die Mutter mit der Beschwerde, die jedenfalls teilweise erfolgreich war.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Nach Ansicht des OLG war der Mutter zwar nicht die gesamte elterliche Sorge für das jüngere Kind, wohl aber das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen.

Mit Rücksicht auf die Sorgeerklärungen seien die Eltern gemäß § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB gemeinsam Inhaber der elterlichen Sorge für J. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge hielt das OLG für nicht erfüllt.

Mit der Neuregelung der Übertragung der elterlichen Sorge durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16.12.1997 habe der Gesetzgeber zwar kein Regel-/Ausnahmeverhältnis in dem Sinne geschaffen, dass ein Vorrang zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge bestehe und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als ultima ratio in Betracht komme. Er sei aber davon ausgegangen, dass es für das Wohl der Kinder am besten sei, wenn sich die Eltern auch nach Trennung und/oder Scheidung einvernehmlich um sie kümmerten und sie in dem Gefühl aufwachsen könnten, weiter zwei verlässliche Eltern zu haben, die nicht um sie konkurrieren und sie nicht in Loyalitätskonflikte bringen.

Ob dies möglich sei, hänge von der entsprechenden Einsicht der Eltern und ihrer Fähigkeit ab, sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten. Im vorliegenden Fall zeige schon der Umstand, dass sich die Eltern über den Aufenthalt von J. für die Zeit der Krankenhausaufenthalte der Kindesmutter hätten verständigen können, dass Kommunikation zwischen ihnen möglich sei. Dass der Gesprächsfaden zwischen ihnen nicht abgerissen sei, werde auch daran deutlich, dass sie nach eigenem Bekunden Ende des Jahres 2007 noch zweimal den Versuch unternommen hätten, ihre Beziehung wieder aufzunehmen.

Entscheidend für die Beibehaltung der gemeinsamen Sorge für J. spreche schließlich die Sorgerechtssituation im Hinblick auf das ältere gemeinsame Kind. Auch insoweit seien sie gemeinsam Inhaber der elterlichen Sorge und gefordert, miteinander zu kommunizieren. Vor diesem Hintergrund sei nicht ersichtlich, warum die Eltern aus der gemeinsamen Verantwortung für das jüngere Kind entlassen werden sollten.

Allerdings sei es im Interesse des jüngeren Kindes J. geboten, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Mutter zu übertragen. Eine Entscheidung hierüber bedürfe es schon deshalb, weil beide Eltern die Aufnahme dieses Kindes in ihren Haushalt wünschten.

Unabhängig von anderen Kriterien gebiete vorliegend die Bindung des jüngeren Kindes an seinen älteren Bruder die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter. Die Kontinuität, die durch den Aufenthalt von J. bei dem Vater eingetreten sei, trete daher zurück. Die Bindungen eines Kindes an seine Geschwister seien bei der Entscheidung über die elterliche Sorge von großer Bedeutung. Es diene regelmäßig dem Wohl des Kindes, wenn es zusammen mit Geschwistern aufwachse und so ein Maximum des bisherigen Beziehungsgeflechts aufrechterhalten bleibe. Die Trennung von Geschwistern, die aneinander hängen, sei grundsätzlich zu vermeiden und nur bei Vorliegen besonders triftiger Ausnahmegründe zuzulassen (OLG Brandenburg FamRZ 2003, 1953; OLG Celle FamRZ 1992, 465, 466; Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671 Rz. 74; Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1671 Rz. 27).

Im vorliegenden Fall bestehe eine starke Geschwisterbindung zwischen J. und seinem rund vier Jahre älteren Bruder. Beide Kinder hätten sich bei der Anhörung liebevoll aufeinander eingestellt und den jeweils anderen in die Beantwortung von Fragen mit einbezogen.

Auch der Kindeswille gebiete keine abweichende Entscheidung. Das jüngere Kind J. habe bei seiner Anhörung geäußert, bei der Mutter wohnen zu wollen. Ob es sich hierbei angesichts des Alters des Kindes um eine autonome Willensäußerung handele, könne offen bleiben. Jedenfalls sei auch mit Rücksicht auf den Kindeswillen eine Entscheidung zugunsten des Vaters nicht angezeigt.

 

Link zur Entscheidung

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 04.04.2008, 10 UF 235/07

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