Entscheidungsstichwort (Thema)
Beachtung der Geschwisterbindung bei der Entscheidung zur elterlichen Sorge
Leitsatz (amtlich)
1. Entscheidend für die Beibehaltung der gemeinsamen Sorge in Bezug auf ein minderjähriges Kind spricht der Umstand, dass die Eltern Inhaber der gemeinsamen elterliche Sorge für ein weiteres Kind sind und insoweit ein Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge nicht gestellt ist.
2. Die Bindungen eines Kindes an seine Geschwister sind bei der Entscheidung über die elterliche Sorge von großer Bedeutung. Die Trennung von Geschwistern, die aneinander hängen, ist grundsätzlich zu vermeiden und nur bei Vorliegen besonders triftiger Ausnahmegründe zuzulassen.
Normenkette
BGB § 1671
Verfahrensgang
AG Prenzlau (Beschluss vom 21.11.2007; Aktenzeichen 7 F 422/07) |
Tenor
Der Beschluss des AG Prenzlau vom 21.11.2007 wird abgeändert.
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind J. wird auf die Antragstellerin übertragen.
Der weitergehende Antrag der Antragstellerin sowie der Antrag des Antragsgegners werden zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Aus der nichtehelichen Beziehung der Eltern sind die Kinder L., geboren 2000, und J., geboren 2004, hervorgegangen. Der Antragsgegner hat die Vaterschaft unter dem 27.11.2000 bzw. 24.8.2004 anerkannt.
Die Eltern trennten sich am 28.9.2006. Erst später, am 22.5.2007, gaben sie übereinstimmende Sorgeerklärungen ab.
Seit April 2007 lebt J. beim Vater. L. hingegen wird seit der Trennung durchgehend von der Mutter, bei der er lebt, betreut.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG den Antrag der Mutter, ihr das "Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht" für J. zu übertragen, zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss verwiesen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Mutter mit der Beschwerde. Sie trägt vor:
Während des Zusammenlebens mit dem Antragsgegner habe sie sich vorwiegend um die Kinder gekümmert. Der Antragsgegner habe zumindest zum damaligen Zeitpunkt ein erhebliches Alkoholproblem gehabt und verbringe in erheblichem Umfang seine Freizeit gemeinsam mit J. in der Gaststätte H. in P.
Der Antragsgegner zeige ihr gegenüber kein Wohlverhalten. Vielmehr habe er sie am 16.12.2007 in ihrer Wohnung mit erhobener Faust in Anwesenheit von J. bedroht und sei am 29.2.2008 ihr gegenüber in der von J. besuchten Kita tätlich geworden.
Auch sei zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner derart erkrankt sei, dass er sehr häufig das Krankenhaus aufsuchen müsse und in dieser Zeit J. durch sie, die Mutter, betreut werde.
Schließlich bestehe eine enge Beziehung zwischen ihr und J. sowie zwischen J. und seinem Bruder L. Die Geschwistertrennung sei für die weitere Entwicklung des Kindes nicht förderlich.
Die Antragstellerin beantragt, ihr unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses das Sorgerecht, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, für J. zu übertragen und das Begehren des Antragsgegners zurückzuweisen.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und ihm das Sorgerecht für das gemeinsame Kind J. zu übertragen.
Er trägt vor:
Es sei unzutreffend, dass er in erheblichem Umfang seine Freizeit gemeinsam mit J. in der Gaststätte H. in P. verbringe. Die Ehefrau des Gaststätteninhabers sei als Tagesmutter tätig. Aufgrund dessen halte sich J. dort gern auf und spiele mit den anderen von Frau H. betreuten Kindern. Auf dem Gelände befinde sich auch ein Spielplatz.
Schon in der Vergangenheit habe sich die Mutter im Gegensatz zu ihm nur unzureichend um J. gekümmert. Seit Mai 2007 habe die Versorgung, Erziehung und Betreuung des Kindes ganz überwiegend ihm oblegen.
Um die Bindungen zwischen den Geschwistern L. und J. weiter zu stabilisieren, sei es dringend erforderlich, dass die Mutter bereit sei, L. zu einem Umgang mit ihm, dem Vater, alle zwei Wochen im Beisein des Bruders J. zu motivieren.
Wegen des Weiteren Vorbringens der Eltern wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat das Jugendamt um Stellungnahme gebeten, die Eltern und die Kinder L. und J. angehört sowie den Zeugen K. vernommen. Insoweit wird auf den Bericht des Jugendamtes des Landkreises Uckermark vom 6.3.2008 und auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 11.3.2008 Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist teilweise begründet. Ihr ist zwar nicht die gesamte elterliche Sorge für J. allein, wohl aber das Aufenthaltsbestimmungsrecht für dieses Kind zu übertragen. Der erstmals in zweiter Instanz gestellte Antrag des Vaters, ihm die elterliche Sorge für J. allein zu übertragen, ist zurückzuweisen.
1. Mit Rücksicht auf die Sorgeerklärungen vom 22.5.2007 sind die Eltern gem. § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB gemeinsam Inhaber der elterlichen Sorge für J. Da die Eltern voneinander getrennt leben, kommt grundsätzlich eine Sorgerechtsentscheidung nach § 1671 BGB in Betracht. Gemäß § 1671 Abs. ...