Leitsatz

Kernproblem dieser Entscheidung war die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Folgesache nach Rücknahme des Ehescheidungsantrages als isoliertes Verfahren weiter betrieben werden kann.

 

Sachverhalt

Zwischen den Parteien war ein Ehescheidungsverfahren anhängig. Der Scheidungsantrag war von der Ehefrau eingereicht worden. Im Rahmen des Scheidungsverbundes hatte sie auch die Folgesache Zugewinn anhängig gemacht. In der Folgezeit wurde der Scheidungsantrag von der Antragstellerin vor der mündlichen Verhandlung zur Sache zurückgenommen. Die Kosten des Verfahrens wurden gem. § 626 Abs. 1 i.V.m. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO der Antragstellerin auferlegt.

Der Antragsgegner beantragte, ihm die Fortführung der Folgesache als isoliertes Verfahren vorzubehalten.

Das erstinstanzliche Gericht gab diesem Antrag nicht statt.

Beide Parteien legten gegen den Beschluss Beschwerde ein, wobei die Antragstellerin sich primär gegen die ausgesprochene Kostenfolge wandte. Der Antragsgegner verfolgte seinen Antrag, ihm die Fortführung der Folgesache Zugewinn als isoliertes Verfahren vorzubehalten, weiter.

Das Rechtsmittel der Antragstellerin war nicht erfolgreich, der Beschwerde des Antragsgegners hingegen wurde stattgegeben.

 

Entscheidung

Hinsichtlich der von der Antragstellerin eingelegten Beschwerde gegen die ausgesprochene Kostenfolge des erstinstanzlichen Gerichts vertrat das OLG die Auffassung, das FamG habe zutreffend die Kostenfolge des § 626 Abs. 1 i.V.m. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO angewandt. Danach trage derjenige die Kosten des Verfahrens, der den Antrag zurückgenommen habe. Eine in § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO geregelte Ausnahme von diesem Grundsatz liege offensichtlich nicht vor.

Die Beschwerde des Antragsgegners hingegen müsse in der Sache Erfolg haben. Ihm stehe das Recht zu, die Folgesache Zugewinnausgleich fortzuführen, obgleich er sie nicht anhängig gemacht habe.

Der Antrag gem. § 626 Abs. 2 ZPO sei von ihm rechtzeitig gestellt worden, obwohl im Zeitpunkt der Antragstellung das Scheidungsverfahren und damit Folgesachen nicht mehr rechtshängig gewesen seien. Der Antrag sei jedoch zulässig bis zur Rechtskraft eines Beschlusses des Gerichts nach § 626 Abs. 1 S. 3 ZPO (allg. Meinung, Musielak/Borth, ZPO, 2. Aufl., § 626 Rz. 7; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 626 Rz. 9). Voraussetzung der Fortführung sei, dass die Folgesache als isoliertes Verfahren betrieben werden könne. Dies sei bei der Folgesache Zugewinn der Fall. Sie eigne sich dazu grundsätzlich in Form des vorzeitigen Zugewinnausgleichs nach §§ 1385, 1386 BGB. Das von dem Antragsgegner beabsichtigte Verfahren, das u.a. auf § 1386 Abs. 3 BGB gestützt werde, sei statthaft und nicht unzulässig. Eine Überprüfung der Schlüssigkeit des beabsichtigten Antrags obliege dem Beschwerdegericht nicht.

Das OLG wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass die Frage, welchem Ehegatten gem. § 626 Abs. 2 ZPO das Recht zustehe, den Antrag auf Fortführung einer Folgesache zu stellen, umstritten sei. Einerseits werde mit dem Wortlaut argumentiert, andererseits mit dem Interesse der Parteien und dem Gedanken der Prozessökonomie (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 626 Rz. 9; Kemper in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 626 Rz. 15; Finger in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 626 Rz. 15; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 21. Aufl., § 626 Rz. 4;).

Das OLG schloss sich der zuletzt genannten Auffassung an. Aus dem Gesetzeswortlaut lasse sich keine Einschränkung dahingehend entnehmen, dass nur die Partei befugt sein solle, den Fortführungsantrag zu stellen, die die Folgesache anhängig gemacht habe. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift ständen einer Anwendung auf die Partei, die die Folgesache nicht anhängig gemacht hat, nicht entgegen. Auch diese könne ein Interesse am Betreiben der Folgesache unabhängig von der Scheidung haben, z.B. in Form einer vollständigen oder teilweisen Abweisung des Antrages, also als negatives Feststellungsinteresse.

Gegen die einschränkende Auslegung sprach nach Auffassung des OLG auch der Gedanke der Prozessökonomie und der Vermeidung doppelter Kosten gerade bei häufig komplizierten und langwierigen Zugewinnausgleichsverfahren. Diese Erleichterung dürfe auch der Antragsgegner für sich beanspruchen.

Es sei im Übrigen nicht ersichtlich, wann die Partei, die den Scheidungsantrag und die Folgesache ursprünglich anhängig gemacht habe, nach Rücknahme des Scheidungsantrages noch die prozessuale Verfügungsbefugnis haben könnte, um die Folgesache gegen den Willen der anderen Partei zurückzunehmen. Nach Rücknahme des Scheidungsantrages sei auch die Folgesache als nicht anhängig geworden anzusehen. Sie lebe durch einen Antrag auf das Vorbehalten des Fortführens der Folgesache auch nicht wieder auf. Erst nach dem Beschluss, der die Fortführung gestatte, gelte die Folgesache als nicht gegenstandslos.

 

Link zur Entscheidung

OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.07.2005, 17 WF 57/05

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge