Entscheidungsstichwort (Thema)

Befugnis zur Fortführung einer Folgesache als selbständige Familiensache

 

Leitsatz (amtlich)

Die Befugnis, eine Folgesache als selbständige Familiensache fortzuführen, steht bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch derjenigen Partei zu, die die Folgesache nicht anhängig gemacht hat.

 

Normenkette

ZPO § 626 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Stuttgart (Beschluss vom 21.12.2004; Aktenzeichen 29 F 2272/03)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen Ziff. 1 des Beschlusses des AG - FamG - vom 21.12.2004 (29 F 2272/03) wird zurückgewiesen.

II. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird Ziff. 4 des Beschlusses des AG - FamG - vom 21.12.2004 (29 F 2272/03) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Dem Antragsgegner wird die Fortführung der Folgesache Zugewinnausgleich vorbehalten.

III. Die Kosten beider Beschwerdeverfahren fallen der Antragstellerin zur Last.

Beschwerdewert:

Beschwerde der Antragstellerin: 5.400 EUR.

Beschwerde des Antragsgegners: 5.000 EUR.

 

Gründe

I. Beschwerde der Antragstellerin:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Zutreffend hat das AG die Kostenfolge des § 626 Abs. 1 i.V.m. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO angewandt. Danach trägt derjenige die Kosten des Verfahrens, der den (Klag-)Antrag zurückgenommen hat. Eine in § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO geregelte Ausnahme von diesem Grundsatz - anderweitige Vereinbarung oder Auferlegung der Kosten auf den Beklagten aus anderem Grunde (vgl. dazu Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 269 Rz. 18a) - liegt offensichtlich nicht vor

Billigkeitsgesichtspunkte können bei der Kostenentscheidung hinsichtlich der Ehescheidung keine Berücksichtigung finden. § 626 Abs. 1 S. 2 ZPO, der eine Billigkeitsentscheidung ermöglicht, bezieht sich ausdrücklich nur auf bestimmte Folgesachen. Eine Fallgestaltung, die danach eine anderweitige Kostenverteilung nach Billigkeitsgesichtspunkten zulässt, liegt - wie das AG im Beschl. v. 7.1.2005 ausgeführt hat - nicht vor.

II. Beschwerde des Antragsgegners:

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist ebenfalls zulässig und hat in der Sache Erfolg. Ihm steht das Recht zu, die Folgesache Zugewinnausgleich, die er nicht anhängig gemacht hat, fortzuführen.

1. Der Antrag wurde rechtzeitig gestellt, obwohl im Zeitpunkt der Antragstellung das Scheidungsverfahren und damit Folgesachen nicht mehr rechtshängig waren, nachdem der Scheidungsantrag vor einer mündlichen Verhandlung zur Sache zurückgenommen worden war. Eine Frist für den Antrag nach § 626 Abs. 2 ZPO sieht das Gesetz nicht vor. Er ist vielmehr zulässig bis zur Rechtskraft eines Beschlusses des Gerichts nach § 626 Abs. 1 S. 3 ZPO (allg. Meinung, Musielak/Borth, ZPO, 2. Aufl., § 626 Rz. 7; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 626 Rz. 9).

2. Voraussetzung der Fortführung ist, dass die Folgesache als isoliertes Verfahren - nach entsprechender Antragsumstellung - betrieben werden kann. Das ist bei der Folgesache Zugewinn der Fall. Sie eignet sich dazu grundsätzlich in Form des vorzeitigen Zugewinnausgleichs nach §§ 1385, 1386 BGB (allg. Meinung, vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 626 Rz. 8e). Das vom Antragsgegner beabsichtigte Verfahren, das u.a. auf § 1386 Abs. 3 BGB gestützt wird, ist statthaft und nicht unzulässig. Eine Überprüfung der Schlüssigkeit des beabsichtigten Antrags obliegt dem Beschwerdegericht nicht.

3. Die Frage, welcher Ehegatte gem. § 626 Abs. 2 ZPO das Recht hat, den Antrag zu stellen, ihm die Fortführung einer Folgesache vorzubehalten, ist umstritten. Einerseits wird mit dem Wortlaut argumentiert (Musielak/Borth, ZPO, 2. Aufl., § 626 Rz. 7; Sedemann/Treidel in Johannsen/Henrich, Eherecht, 5. Aufl., § 626 Rz. 6; nicht eindeutig Schwab/Maurer/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., Kap. I, Rz. 356), andererseits mit dem Interesse der Parteien und dem Gedanken der Prozessökonomie (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 626 Rz. 9; Kemper in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 626 Rz. 15; Finger in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 626 Rz. 15; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 21. Aufl., § 626 Rz. 4;).

3. Der Senat schließt sich der letzt genannten Auffassung an.

a) Eine Einschränkung dahingehend, dass nur die Partei befugt sein soll, den Fortführungsantrag zu stellen, die die Folgesache anhängig gemacht hat, lässt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht ableiten. Danach ist "einer" Partei auf Antrag die Fortführung vorzubehalten. Aus dem unbestimmten Artikel ergibt sich nicht, dass dies nur die Partei sein kann, die die Folgesache anhängig gemacht hat. "Eine" Partei ist üblicherweise irgendeine von zwei Parteien. Der Begriff des Fortführens ist nach allgemeinem Sprachgebrauch ebenfalls nicht zwingend mit derjenigen Person (hier: Partei) verbunden, die ein Unternehmen begonnen hat. Dieses kann auch eine andere Person/Partei "fortführen".

b) Auch Sinn und Zweck der Vorschrift verbieten eine Anwendung auf die Partei, die die Folgesache nicht anhängig gemacht hat, hier der Antragsgegner, nicht. Auch diese kann ein Interesse am Betreiben der Folgesache unabhängig von der...

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