Leitsatz
Für die Unterscheidung, ob ein Beschluß vorliegt oder nicht, ist in aller Regel der Umstand maßgebend, ob mehr als die Hälfte der Abstimmenden für den Antrag gestimmt haben. Wird die einfache Mehrheit nicht erreicht, so liegt in der Regel kein Beschluß vor. Ob die für den Antrag abgegebene Zahl der Stimmen für die Annahme des Antrags genügt, ist im Anfechtungsverfahren zu klären.
Sachverhalt
Innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft besteht Streit, weil einer der Wohnungseigentümer Bepflanzungen auf dem gemeinschaftlichen Eigentum vorgenommen hatte. Diese Bepflanzungen wurden ursprünglich auf einer Eigentümerversammlung genehmigt. Mittlerweile stören sich die meisten Eigentümer an den Pflanzen und begehren von dem betreffenden Wohnungseigentümer deren Entfernung. Dabei sind sie der Auffassung, ein entsprechender Beschluß sei damals nicht zustande gekommen, da ein Teil der Vollmachten zur Vertretung verhinderter Wohnungseigentümer nicht rechtsgültig vergeben worden seien.
Entscheidung
Die Richter hatten sich hier mit der Frage zu beschäftigen, ob auf der in Rede stehenden Eigentümerversammlung ein gültiger Beschluß zustande gekommen war oder eben nicht.
Für die Unterscheidung, ob ein Beschluß vorliegt oder nicht, ist in aller Regel der Umstand maßgebend, ob mehr als die Hälfte der abstimmenden Wohnungseigentümer für den Antrag gestimmt haben. Wird diese einfache Mehrheit nicht erreicht, liegt in der Regel kein Beschluß vor. Ist nun aber zweifelhaft, ob die für den Antrag abgegebene Zahl der Stimmen für die Annahme des Antrags genügt, bestimmt § 23 Abs. 4 WEG, daß ein Beschluß nur dann ungültig ist, wenn er nach fristgerechter Anfechtung seitens des Wohnungseigentumsgerichts für ungültig erklärt wird.
Dies wiederum setzt jedoch voraus, daß zumindest die Möglichkeit besteht, daß einzelne Wohnungseigentümer einen entsprechenden Antrag als angenommen ansehen, also von einer Beschlußfassung ausgehen. Hieraus folgt umgekehrt, daß es einer Anfechtung dann nicht bedarf, wenn nach den Umständen des Einzelfalls für alle Beteiligten kein Zweifel daran bestehen kann, daß der Antrag wegen Nichterreichens der erforderlichen Stimmenzahl abgelehnt wurde und ein Beschluß demnach nicht zustande gekommen ist.
Die Frage, ob ein Beschluß vorliegt oder nicht, ist in derartigen Zweifelsfällen, in denen ersichtlich einzelne Wohnungseigentümer vom Vorliegen eines Beschlusses ausgehen, letztlich im Anfechtungsverfahren zu klären. Dabei ist zu beachten, daß der Beschlußinhalt die einzelnen Wohnungseigentümer so lange bindet, als der Beschluß nicht seitens des Gerichts für ungültig erklärt wurde.
Link zur Entscheidung
BayObLG, Beschluss vom 15.10.1998, 2Z BR 126/98
Fazit:
Ein Nichtbeschluß liegt also immer dann vor, wenn sich die Wohnungseigentümer in der Versammlung eindeutig darüber im klaren sind, daß ein Beschluß nicht zustande kommt und der zugrundeliegende Antrag abgelehnt ist, soweit die etwa erforderliche Einstimmigkeit oder aber qualifizierte Mehrheit nicht erreicht ist. Bestehen hierüber keine Zweifel, ist eine Anfechtung dieses "Nichtbeschlusses" nicht erforderlich.
Anders sieht es aber da aus, wenn die Wohnungseigentümer trotz Kenntnis des Nichterreichens der erforderlichen Mehrheit von der Gültigkeit der Beschlußfassung ausgehen und entsprechendes auch protokolliert wurde. Dann ist dieser Beschluß innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist anzufechten und das Wohnungseigentumsgericht hat über die Gültigkeit des Beschlusses zu befinden.