Leitsatz
Die Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks einer Wohnanlage durch eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums (hier: Aufstellen eines Schuppens auf der zur Wohnung gehörenden Dachterrasse) stellt unter Umständen dann keinen Nachteil im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 2, § 14 Nr. 1 WEG dar, wenn das Bauwerk infolge des Aufstellens oder Anpflanzens von immergrünen Pflanzen von außen nicht mehr sichtbar ist.
Sachverhalt
Einer der Wohnungseigentümer errichtete auf der seiner Wohnung im obersten Geschoß vorgelagerten Dachterrasse einen Holzschuppen von 1,5 m Breite, 2,5 m Länge und 2,5 m Höhe. Prinzipiell ist der Holzschuppen zwar von der Straße aus sichtbar, der Wohnungseigentümer hat jedoch mehrere Meter hohe immergrüne Pflanzen (Thujen) in Trögen angepflanzt, die die Sicht auf den Schuppen selbst verdecken. Ein Mitglied der Eigentümergemeinschaft stört sich erheblich an dem Holzschuppen und hat anläßlich einer Wohnungseigentümerversammlung begehrt, über die Entfernung des Schuppens zu beschließen. Sein Antrag fand jedoch keine Mehrheit, weshalb nunmehr das Gericht entscheiden mußte.
Entscheidung
Die Richter hatten sich in diesem Verfahren sehr intensiv mit den optischen Auswirkungen baulicher Veränderungen auseinanderzusetzen, kamen letztlich jedoch zu dem Ergebnis, daß der Schuppen nicht entfernt werden muß.
Dreh- und Angelpunkt der Entscheidung war also die Frage, ob der optische Gesamteindruck der Wohnanlage durch den Schuppen nachteilig verändert wird, denn bei der Errichtung des Schuppens handelte es sich um eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne von § 22 Abs. 1 WEG, die grundsätzlich nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer vorgenommen werden konnte. Hierbei war grundsätzlich auch festzustellen, daß durch den Schuppen selbst der optische Gesamteindruck der Wohnanlage nachteilig verändert wird und darin selbstverständlich auch ein Nachteil für die übrigen Wohnungseigentümer liegt, der die Zustimmung auch des sich nunmehr an dem Schuppen störenden Wohnungseigentümer erforderlich machte, wobei es in diesem Fall auch unerheblich ist, ob dem Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht an der Dachterrasse zusteht oder diese gar in seinem Sondereigentum steht.
Aber: Die Veränderung des optischen Gesamteindrucks einer Wohnanlage durch eine Baumaßnahme kann nur dann ein Nachteil im Sinne der Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes sein, wenn sie von außen überhaupt sichtbar ist. Ist dies aber nicht der Fall, kann von einer Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Wohnanlage umgekehrt natürlich nicht gesprochen werden. Zu entscheiden war also weiter, ob es sich bei den in Pflanzentrögen angepflanzten Thujen selbst um eine bauliche Veränderung handelte. Das mußte jedoch klar verneint werden, denn das Aufstellen von Pflanzentrögen auf einer Terrasse ist nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts grundsätzlich keine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums.
Link zur Entscheidung
BayObLG, Beschluss vom 29.10.1998, 2Z BR 81/98
Fazit:
Was die Bepflanzung von Dachterrassen und das Aufstellen von Pflanzentrögen anbetrifft, ist nicht jedes Obergericht der Meinung des BayObLG. Vereinzelt wird hier durchaus eine Zustimmungspflicht angenommen, soweit damit optische Beeinträchtigungen verbunden sind. In jedem Fall aber darf durch die Bepflanzung selbst anderen Wohnungseigentümern kein Nachteil etwa durch Laub- oder Blütenbefall drohen.