Leitsatz
Im Rahmen eines Unterhaltsprozesses ging es primär um die Frage, ob einem gegenüber einem minderjährigen Kind Unterhaltsverpflichteten das früher erzielte Einkommen nach unverschuldetem Verlust des Arbeitsplatzes weiter zugerechnet werden kann.
Sachverhalt
Der Kläger hatte sich gegenüber seinen minderjährigen Kindern in zwei Jugendamtsurkunden zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet. Er begehrte im Hinblick auf den Verlust seines Arbeitsplatzes und seine darauffolgende Arbeitslosigkeit Herabsetzung des titulierten Unterhalts.
Der von ihm gestellte Prozesskostenhilfeantrag für die von ihm beabsichtigte Klage wurde vom AG zurückgewiesen mit der Begründung, ihm sei weiterhin ein Erwerbseinkommen wie zum Zeitpunkt der Errichtung der Jugendamtsurkunden fiktiv zuzurechnen.
Gegen diesen Beschluss legte der Kläger Beschwerde ein, die zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das AG führte.
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, einem Unterhaltsschuldner könne nach unverschuldetem Verlust seines Arbeitsplatzes das früher erzielte Einkommen fiktiv weiterhin zugerechnet werden, wenn er sich nicht ausreichend um eine neue Arbeitsstelle bemüht habe und wenn sich hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnissen im Übrigen keine wesentliche Änderung ergeben habe. In einem solchen Fall sei aber stets zu prüfen, ob aufgrund der tatsächlichen Umstände weiterhin davon ausgegangen werden könne, dass der Unterhaltsschuldner in einem neuen Arbeitsverhältnis ein ebenso hohes Einkommen wie zuvor erzielen könne (BGH v. 15.11.1995 - XII ZR 231/94, MDR 1996, 281 = FamRZ 1996, 345 [346]).
Insbesondere dann, wenn der Unterhaltsschuldner nicht mehr arbeitslos sei, sondern einer Erwerbstätigkeit nachgehe, bedürfe es nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Feststellung besonderer Umstände, die es rechtfertigen könnten, unter dem Gesichtspunkt des bestmöglichen Einsatzes der Arbeitskraft von einem höheren fiktiven Einkommen als tatsächlich erzielt auszugehen.
Mit Rücksicht auf das Alter des inzwischen 50-jährigen Klägers und seine zwischenzeitlich zwei Jahre andauernde Arbeitslosigkeit könne im Prozesskostenhilfeverfahren angenommen werden, dass er auch unter Berücksichtigung seines bisherigen beruflichen Werdegangs ein höheres bereinigtes Nettoeinkommen als 1.162,00 EUR, wie er es derzeit tatsächlich beziehe, nicht erzielen könne.
Auch sei die Abfindung, die der Kläger anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit seinem vorherigen Arbeitgeber erhalten habe, nicht als zusätzliches Einkommen heranzuziehen. Eine Abfindung wegen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben sei auf eine längere Zeit zu verteilen. Der Unterhaltsschuldner habe die Abfindung zur Aufstockung der Leistungen der Arbeitsverwaltung auf die Höhe des bisherigen Nettogehalts einzusetzen.
Damit wäre die Abfindung nach rund 15 Monaten verbraucht gewesen. Jedenfalls zu Beginn des Unterhaltszeitraums im April 2005 sei die Abfindung verbraucht gewesen.
Link zur Entscheidung
Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 15.12.2005, 10 WF 287/05