1 Leitsatz
Ein bestandskräftiger Beschluss schließt einen Anspruch auf einen abändernden Zweitbeschluss aus. Anders ist es nur, wenn schwerwiegende Umstände das Festhalten an der bestehenden Regelung als unbillig erscheinen lassen. Dabei sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die bei der Beschlussfassung noch nicht berücksichtigt wurden und auch durch ein Anfechtungsverfahren nicht geltend gemacht werden konnten.
2 Normenkette
§§ 21 Abs. 8, 23 Abs. 4 WEG
3 SachverhaltDas Problem
Wohnungseigentümer K wird im Jahr 2011 der Einbau eines Treppenlifts genehmigt. Als Auflage wird die Stellung einer von K angebotenen Sicherheit i. H. v. 10.000 EUR für eventuelle Schäden am gemeinschaftlichen Eigentum und nicht ordnungsmäßigen Rückbau beschlossen und erbracht. Im Jahr 2017 stellt K den Antrag, den Betrag auf 3.000 EUR zu reduzieren. Er ist der Auffassung, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei übersichert. Der Antrag wird abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Anfechtungsklage. K begehrt außerdem, die Sicherheitsleistung auf 3.000 EUR herabzusetzen. Das AG setzt die Sicherheitsleistung auf 4.500 EUR herab. Hiergegen richtet sich die Berufung der anderen Wohnungseigentümer.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Die Ablehnung des Beschlussantrags im Rahmen des den Wohnungseigentümern zustehenden Ermessens sei zutreffend gewesen. Die Kammer habe bereits Bedenken, ob es eine hinreichende Vorbefassung gegeben habe. Die Wohnungseigentümer seien lediglich mit einer Herabsetzung der Sicherheit auf 3.000 EUR vorbefasst worden, was angesichts der Kosten deutlich zu niedrig sei. Mit einer höheren Sicherheit waren die Eigentümer nicht vorbefasst. Im Übrigen müsse man beachten, dass der Beschluss über die Sicherheitsleistung aus dem Jahr 2011 bestandskräftig sei. Dies schließe nach allgemeiner Auffassung auch einen Anspruch auf einen abändernden Zweitbeschluss aus. Anders sei es nur, wenn schwerwiegende Umstände das Festhalten an der bestehenden Regelung als unbillig erscheinen ließen. Überwiegend würden dabei nur solche Umstände als berücksichtigungsfähig angesehen, die bei der Beschlussfassung noch nicht berücksichtigt worden seien und auch durch ein Beschlussanfechtungsverfahren nicht hätten geltend gemacht werden können. Ein derartiger Umstand liege ersichtlich nicht vor.
Hinweis
Im Kern geht es um die Frage, wann ein Wohnungseigentümer einen Anspruch auf einen Zweitbeschluss hat. Dies ist der Fall, wenn außergewöhnliche und/oder schwerwiegende Umstände ein Festhalten an einem bereits bestehenden Beschluss als grob unbillig und damit als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen. Ein solcher Anspruch auf Eingriff in bereits bestehende Regelungen ist möglich, wenn sich die Umstände tatsächlich geändert haben. Entsprechendes muss gelten, wenn sich die rechtlichen Umstände oder die höchstrichterliche Rechtsprechung geändert haben. Etwas anderes gilt, wenn es sich unterhalb des aufgezeigten strengen Maßstabs bloß um eine nicht ordnungsmäßige Regelung handelt. Eine vorhandene, ordnungswidrige Regelung sperrt aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens den Anspruch. Es gibt daher grundsätzlich keinen Anspruch auf einen Zweitbeschluss.
Ausblick WEG-Reform
Das WEMoG wird die Rechtslage nicht ändern. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 WEG sind die Wohnungseigentümer befugt, für den Rückbau eines Treppenlifts eine Sicherheitsleistung zu verlangen.
5 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Urteil v. 13.2.2020, 2-13 S 103/19