1 Leitsatz
Bei der Entscheidung über eine Gestaltungsklage, mit der bei fehlender oder bei fehlerhafter Verkündung des Ergebnisses eines Beschlusses der Wohnungseigentümer der wahre Beschlussinhalt geklärt werden soll (Beschlussfeststellungsklage), hat das Gericht einredeweise geltend gemachte Beschlussmängel zu prüfen. Soweit die materielle Rechtskraft eines beschlussersetzenden Gestaltungsurteils reicht, kann eine auf tatsächliche Umstände gestützte Neuregelung durch Zweit-Beschluss der Wohnungseigentümer nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn sich die tatsächlichen Umstände nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess verändert haben.
2 Normenkette
§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG
3 Das Problem
Zu der Wohnungseigentumsanlage X gehören mehrere Häuser. Die Gemeinschaftsordnung sieht vor, dass sich das Stimmrecht nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile bestimmt. Sofern über Maßnahmen abgestimmt wird, deren Kosten nur von Miteigentümern eines Hauses zu tragen sind, sind nur die hiervon betroffenen Miteigentümer stimmberechtigt. Der zum Sondereigentum des von Wohnungseigentümer K gehörende Balkon muss repariert werden. Es liegt für jedes Gewerk 1 Angebot vor. Der Beschlussantrag, auf dieser Grundlage Werkverträge zu schließen, findet in einer Versammlung sämtlicher Wohnungseigentümer keine Mehrheit (die Wohnungseigentümer des von der Balkonreparatur betroffenen Hauses, welche die Kosten allein zu tragen haben, stimmen allerdings mehrheitlich für den Beschlussantrag). Die Verwaltung stellt fest, dass der Beschluss abgelehnt worden sei. Mit seiner Klage verlangt K, diesen Beschluss für ungültig zu erklären und festzustellen, dass der Beschluss zustande gekommen sei. Das AG gibt dem Anfechtungsantrag – insoweit rechtskräftig – statt. Im Übrigen weist es die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung des K bleibt erfolglos. Das LG meint, die begehrte Feststellung des positiven Beschlussergebnisses setze voraus, dass der Beschluss den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspreche. Das sei nicht der Fall. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer rüge zu Recht das Fehlen von Alternativangeboten. Im Rahmen einer Beschlussfeststellungsklage seien jedenfalls die ausdrücklich einredeweise geltend gemachten Anfechtungsgründe zu prüfen. Mit der Revision verfolgt K seine Klage weiter.
4 Die Entscheidung
Der BGH stimmt dem LG zu! Die Beschlussfeststellungsklage sei entsprechend § 44 Abs. 1 WEG zulässig. Sie sei jedoch unbegründet. Zwar hätten die stimmberechtigten Wohnungseigentümer mehrheitlich für den Beschlussantrag gestimmt. K sei auch nicht gehindert, eine fehlerhafte Beschlussfeststellung geltend zu machen. Der Beschluss widerspreche aber einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Die Ordnungsmäßigkeit sei auch zu prüfen. Bei der Entscheidung über eine Gestaltungsklage, mit welcher bei fehlender oder bei fehlerhafter Verkündung des Ergebnisses eines Beschlusses der wahre Beschlussinhalt geklärt werden solle (sogenannte Beschlussfeststellungsklage), habe das Gericht einredeweise geltend gemachte Beschlussmängel zu prüfen. Im Rahmen einer solchen Beschlussfeststellungsklage könne die beklagte Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Anfechtungsgründe aus Rechtsschutzgründen und aus Gründen der Prozessökonomie einredeweise geltend machen. In der Sache lehne das LG die Beschlussfeststellung im Ergebnis zutreffend ab. Der in Geltung zu setzende Beschluss wäre rechtswidrig, da er einer vorangegangenen rechtskräftigen Beschlussersetzung widerspreche. Dass die Wohnungseigentümer auf der Grundlage von 3 Angeboten über die Auftragsvergabe zu entscheiden haben, stehe danach mit Wirkung für und gegen die Wohnungseigentümer (§ 44 Abs. 3 WEG) fest. Die Wohnungseigentümer seien wegen der materiellen Rechtskraft auch nicht befugt gewesen, durch einen Zweit-Beschluss etwas Anderes zu bestimmen. Soweit die materielle Rechtskraft eines beschlussersetzenden Gestaltungsurteils reiche, könne eine auf tatsächliche Umstände gestützte Neuregelung durch Zweit-Beschluss nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn sich die tatsächlichen Umstände nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung im Vorprozess verändert hätten. So liege es nicht.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es im Kern darum, wann eine Beschlussfeststellungsklage begründet ist.
Prüfung der Ordnungsmäßigkeit
Der BGH klärt für die Praxis, dass die WEG-Gerichte im Rahmen der Begründetheit einer Beschlussfeststellungsklage nicht nur prüfen müssen, ob ein Beschlussantrag eine Mehrheit gefunden hat, sondern auch, ob der Beschluss, stellte man ihn fest, einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht. Das Prüfungsprogramm des Gerichts ist damit dichter als das der Verwaltung. Denn diese muss vor einer Verkündung die Ordnungsmäßigkeit nicht prüfen. Allerdings bedarf es für die Prüfung durch das Gericht einer Einrede der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
Abänderung eines Beschlussersetzungs-Urteils
Der BGH klärt, dass ein Beschluss, den das Gericht nach § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG ersetzt, von den Wohnungseigentümern nur geändert werden ...