Leitsatz

Es besteht keine Beschlusskompetenz zur Auferlegung von Leistungspflichten zu baulichen Änderungen.

 

Normenkette

WEG § 23 Abs. 1

 

Das Problem

  1. Ohne die anderen Wohnungseigentümer zu fragen, trennen mehrere Wohnungseigentümer den vor ihren Wohnungen liegenden Bereich des Treppenhauses ab und schlagen ihn ihren Wohnungen zu. Die Wohnungseigentümer genehmigen dieses Tun nachträglich durch Beschluss im Jahr 1995. Außerdem wird den Wohnungseigentümern die Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 5 DM pro m2 zugunsten der Instandhaltungsrückstellung auferlegt.
  2. Vor diesem Hintergrund schlägt auch K, allerdings im Jahr 2015, den vor seinen Wohnungen liegenden Bereich des Treppenhauses (ca. 3,5 m2) vom Treppenhaus ab. Er teilt dies dem Verwalter mit und überweist zugunsten der Instandhaltungsrückstellung die von ihm ermittelte Nutzungsentschädigung von 105,06 EUR.
  3. Mehrere Wohnungseigentümer rügen den "Umbau". Der Verwalter fordert daraufhin K im Oktober 2016 auf, eine erhöhte "Flurmiete" zu zahlen – was K für die Jahre 2015 bis 2017 tut.
  4. In ihrer Versammlung im Jahr 2017 fassen die Wohnungseigentümer dann folgenden Beschluss:

    Nach ausführlicher Erörterung wird antragsgemäß beschlossen, dass Wohnungseigentümer K die Abtrennung im Treppenhaus vor seinen Wohnungen zurückbauen muss. Ggf. ist der Rückbau mit anwaltlicher und gerichtlicher Unterstützung durchzusetzen.

  5. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Er ist der Ansicht, aus dem "Gleichbehandlungsgrundsatz" folge, dass auch ihm der "Umbau" des Treppenhauses zu genehmigen sei. Er hätte diesen in dem guten Glauben vorgenommen, dass eine generelle Genehmigung oder Duldung durch Beschluss aus dem Jahr 1995 erfolgt sei. Die anderen Wohnungseigentümer wenden ein, die Genehmigung hinsichtlich der bereits im Jahr 1995 durchgeführten Umbauten stelle keine generelle Genehmigung dar, sondern habe sich nur auf die zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossenen Umbauten bezogen.
  6. Das Amtsgericht (AG) weist die Klage ab. Der Beschluss sei unter formalen Gesichtspunkten ordnungsmäßig zustande gekommen. K sei bei der Beschlussfassung zu Recht von seinem Stimmrecht ausgeschlossen worden. Gemäß § 25 Abs. 5 WEG sei ein Wohnungseigentümer dann nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezüglichen Rechtsgeschäftes mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits der anderen Wohnungseigentümer gegen ihn betreffe. So läge der Fall, da die Gefahr bestünde, dass sich der Wohnungseigentümer, gegen den unter Umständen ein Rechtsstreit geführt werden muss, bei der Stimmabgabe von privaten Interessen leiten ließe. Der Beschluss sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Insbesondere folge die Nichtigkeit nicht aus einer fehlenden Beschlusskompetenz, weil die Aufforderung zum Rückbau der Flurabtrennung lediglich einen Vorbereitungsbeschluss enthalte und nicht einen eigenen Anspruch oder ein Recht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer habe begründen sollen. Gleiches gelte, soweit der Verwalter die Befugnis erhalten habe, den Rückbauanspruch ggf. mit anwaltlicher und gerichtlicher Unterstützung durchzusetzen. Die Aufforderung zum Rückbau der Abtrennung entspräche ordnungsmäßiger Verwaltung, da den Wohnungseigentümern gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. aus § 15 Abs. 4, § 14 Nr. 1 WEG ein Anspruch darauf zustehe. Darüber hinaus sei den übrigen Eigentümern nach § 985 BGB ein Anspruch auf Verschaffung des unmittelbaren Mitbesitzes am gemeinschaftlichen Eigentum einzuräumen, da die bauliche Veränderung zu dessen Entzug geführt habe.
  7. Dagegen wendet sich K mit seiner Berufung.
 

Die Entscheidung

Die Berufung hat Erfolg! Das AG habe die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Beschluss sei mangels Beschlusskompetenz nichtig!

Darstellung der Grundsätze zur Begründung einer Leistungspflicht

  1. Eine Leistungspflicht könne nicht gegen den Willen des Schuldners durch einen Beschluss konstitutiv begründet werden (Hinweis auf BGH, Urteil v. 15.1.2010, V ZR 72/09, NZM 2010 S. 285 Rn. 10). Sei eine Angelegenheit weder durch das Gesetz noch durch eine Vereinbarung dem Mehrheitsprinzip unterworfen, fehle den Wohnungseigentümern von vornherein die Beschlusskompetenz; ein gleichwohl gefasster Beschluss sei nichtig. Die gesetzlichen Vorgaben könnten nach § 10 Abs. 2 WEG nur durch Vereinbarung, nicht aber im Beschlusswege abbedungen werden. Was danach zu vereinbaren sei, könne nicht beschlossen werden, solange nicht vereinbart sei, dass auch dies beschlossen werden dürfe.
  2. Für Beseitigungsansprüche, mit denen die Beseitigung einer baulichen Veränderung gefordert werde, gelte nach der Rechtsprechung (Hinweis auf BGH, Urteil v. 18.6.2010, V ZR 193/09, Rn. 11) nichts anderes. Zwar seien Angelegenheiten, die die Regelung des Gebrauchs (§ 15 WEG), der Verwaltung (§ 21 WEG) und der Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 22 WEG) beträfen, der Regelung durch Beschluss zugänglich. Die genannten ...

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