Leitsatz
Der im Jahre 1993 geborene Sohn aus einer geschiedenen Ehe, vertreten durch seine Mutter, nahm seinen Vater auf Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen der von dem Vater bei ihm im Jahre 2005 veranlassten Beschneidung der Vorhaut in Anspruch. Der Minderjährige lebte im Haushalt seiner Mutter, die alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge war. Die Herbstferien des Jahres 2005 verbrachte er bei seinem Vater. Während der Zeit des Aufenthalts bei ihm veranlasste dieser die Beschneidung seines Sohnes. Eine medizinische Notwendigkeit für den Eingriff lag nicht vor. Der Antragsteller litt an einer chronischen epileptischen Erkrankung und war zum Zeitpunkt des Eingriffs noch nicht einsichts- und einwilligungsfähig.
Das LG hat die von dem Antragsteller begehrte Prozesskostenhilfe für die Klage gegen seinen Vater auf Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. 10.000,00 EUR mangels Erfolgsaussicht verweigert.
Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er seinen Antrag gegen seinen Vater weiterverfolgte.
Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG vorgelegt. Dort war das Rechtsmittel des Antragstellers erfolgreich.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG bejahte einen Anspruch des Antragstellers auf Zahlung von Schmerzensgeld wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus den §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB. Der Vater habe das Selbstbestimmungsrecht seines Sohnes als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dadurch verletzt, dass er den noch nicht einsichtsfähigen Jugendlichen veranlasst habe, sich beschneiden zu lassen und die Einwilligung in die Vornahme des ärztlichen Eingriffs erklärt habe, obgleich ihm das Personensorgerecht für seinen Sohn nicht zustand.
Mit der für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hinreichenden Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Vornahme des Eingriffs noch nicht die erforderliche Reife hatte, um die Bedeutung der Beschneidung und ihre Tragweite für sein Leben zu erfassen.
Hierfür gebe es keine starre Altersgrenze. Es komme darauf an, ob das Kind nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Tragweite des Eingriffs erkennen könne. In der Rechtsprechung sei für einen neunjährigen Jungen die Fähigkeit zur Einwilligung in seine Beschneidung in diesem Sinne verneint worden. Dies könne in dieser generellen Weise ohne eine Prüfung des Einzelfalls für einen Zwölfjährigen nicht angenommen werden. Der Antragsteller habe jedoch Umstände vorgetragen, aus denen sich ergäbe, dass bei ihm aus besonderen Gründen eine Verzögerung seiner Reife gegeben gewesen und er deshalb bei Vornahme der Beschneidung kurz nach Vollendung seines zwölften Lebensjahres noch nicht einwilligungsfähig gewesen sei.
Im Hinblick auf seine Erkrankung habe der Antragsteller selbst nicht wirksam die Einwilligung in den ärztlichen Eingriff erklären können. Sein Vater habe dadurch, dass er den noch nicht einsichts- und einwilligungsfähigen Sohn bewogen habe, sich der Beschneidung zu unterziehen, ohne Inhaber des elterlichen Sorgerechts zu sein, rechtswidrig in das biologische Selbstbestimmungsrecht seines Sohnes eingegriffen.
Zur Höhe des von dem Antragsteller begehrten Schmerzensgeldes vertrat das OLG die Auffassung, es erscheine nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein Schmerzensgeld in beantragter Höhe realisiert werden könne. Neben der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts komme auch noch ein Anspruch wegen einer rechtswidrigen Körperverletzung in Betracht. Die von einem niedergelassenen Arzt vorgenommene Beschneidung stelle nämlich auch dann, wenn sie zu keiner für die körperliche Gesundheit nachteiligen Veränderung führe, eine Körperverletzung dar, die von dem Vater in mittelbarer Täterschaft begangen worden sei.
Er habe mangels Sorgerecht keine wirksame Einwilligung in den ärztlichen Eingriff erteilen können, so dass dieser rechtswidrig gewesen sei.
Link zur Entscheidung
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.08.2007, 4 W 12/07