Leitsatz

Die Parteien stritten im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung über eine Gewaltschutzanordnung als Folge eines Vorfalls im Januar 2010. Das AG hat nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und Vernehmung der im Verhandlungstermin vom Antragsteller gestellten Zeugen seine Verfügung vom 19.1.2010, mit welcher es dem Antragsgegner untersagt hatte, den Antragsteller zu bedrohen, zu belästigen, zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln, aufrechterhalten, weil es aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme als glaubhaft gemacht ansah, dass der Antragsgegner den Antragsteller bedroht hatte.

Hiergegen wandte sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde.

Das OLG hat eine Entscheidung über die Beschwerde abgelehnt und die Sache an das AG zurückgegeben, das über die Abhilfe hinsichtlich der Beschwerde zu entscheiden habe.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG hielt sich zur Entscheidung der nach § 57 Abs. 2 Nr. 4 FamFG statthafte Beschwerde für nicht befugt, weil zunächst eine Abhilfeentscheidung des AG gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 FamFG zu ergehen habe.

Die Abhilfemöglichkeit sei nicht durch § 68 Abs.1 S. 2 FamFG ausgeschlossen, weil die Entscheidung des AG im Verfahren der einstweiligen Anordnung gemäß § 54 Abs. 2 FamFG keine "Endentscheidung" im Sinne dieser Norm darstelle.

Zwar handele es sich bei dem Beschluss des AG vom 22.4.2010 um eine die Beschwerde eröffnende "Endentscheidung" i.S.d. § 58 Abs. 1 FamFG, weil hierdurch der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt worden sei. Aufgrund der vom AG durchgeführten mündlichen Verhandlung lägen zudem die besonderen Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 Nr. 4 FamFG nicht vor.

Gleichwohl sei die Vorschrift des § 68 Abs. 1 S. 2 FamFG auf Beschwerden gegen Entscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht anwendbar, obgleich diese Norm ebenfalls den Begriff der "Endentscheidung" verwende. Allerdings sei der Wortlaut nicht eindeutig, weil § 57 FamFG nicht den Begriff der "Endentscheidung", sondern lediglich den Begriff "Entscheidung" verwende, so dass der uneinheitliche Sprachgebrauch des Gesetzes nahelege, dass nicht alle für Beschwerden gegen Hauptsacheentscheidungen anwendbaren Vorschriften auch bei Beschwerden im Verfahren der einstweiligen Anordnung anwendbar seien. Vielmehr bedürfe es einer Gesetzesauslegung, ob die für "Endentscheidungen" geltenden Regelungen des Beschwerderechts bei Beschwerden im Verfahren der einstweiligen Anordnung anwendbar seien. Dies werde auch durch § 216 Abs. 1 FamFG deutlich, weil auch bei dieser Norm unter den verwendeten Begriff der "Endentscheidung" nur solche Beschlüsse des AG fielen, die im Hauptsacheverfahren ergangen seien, während im Verfahren der einstweiligen Anordnung die speziellere Regelung des § 53 FamFG Anwendung finde (vgl. Keidel - Giers, FamFG, 16. Aufl., § 216 Rz. 1).

Aus der Entstehungsgeschichte des § 68 FamFG sowie dessen Sinn und Zweck ergebe sich das Bestehen einer Abhilfemöglichkeit und -verpflichtung des AG bei einer Beschwerde gegen den angefochtenen Beschluss im Verfahren der einstweiligen Anordnung.

Auch Sinn und Zweck der angeführten Regelungen spreche dafür, eine Abhilfemöglichkeit des AG bei Beschwerden gegen Beschlüsse im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach mündlicher Verhandlung zuzulassen (so auch Saenger/Kemper, ZPO, 3. Aufl., § 68 FamFG Rz. 3; Friederici/Kemper/Klussmann, Handkommentar Familienverfahrensrecht, § 68 Rz. 7; Gießler).

Die Eröffnung der Abhilfe durch das Ausgangsgericht diene regelmäßig der Verfahrensbeschleunigung und damit einem Zweck, welchem im Verfahren der einstweiligen Anordnung besondere Bedeutung zukomme. Während sich das Beschwerdegericht erst in die Materie einarbeiten müsse, sei dem AG der Sachverhalt bereits vertraut, weshalb es regelmäßig schneller in der Lage sein werde, über die sich unter Berücksichtigung des neuen Vorbringens ergebende Rechtslage zu entscheiden.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Beschluss vom 30.07.2010, II-10 WF 121/10

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