Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 43 WEG, § 45 Abs. 2 WEG, § 12 FGG, § 20 Abs. 2 FGG, § 27 Abs. 1 S. 2 FGG, § 551 Nr. 5 ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG
Kommentar
1. Haben Antragsteller von Antragsgegnern die Beseitigung einer baulichen Veränderung gefordert (hier: eigenmächtige Vergrößerung von Dachgaubenfenstern und Anbringung von Außenrollläden), so sind an einem solchen Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WEG gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 1 und 2 WEGalle Wohnungseigentümer einer Anlage materiell beteiligt. Wer materiell beteiligt ist, muss auch formell beteiligt, d. h. zum Verfahren zugezogen werden. Die Notwendigkeit der Beteiligung ergibt sich auch aus § 45 Abs. 2 S. 2 WEG; die Beteiligung ist weiter ein Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs und der Sachaufklärung nach § 12 FGG. Das Landgericht hat die restlichen Eigentümer lediglich von dem Termin zur mündlichen Verhandlung in Kenntnis gesetzt, eingegangene Schriftsätze den übrigen Wohnungseigentümern jedoch nicht mitgeteilt.
2. Der absolute Aufhebungsgrund nach § 27 Abs. 1 S. 2 FGG, §§ 550, 551 Nr. 5 ZPO ist aber nur dann gegeben, wenn ein Beteiligter überhaupt nicht zu dem Verfahren hinzugezogen wurde, d. h. bei völliger Versagung des rechtlichen Gehörs. Ein solcher Fall liegt hier wegen der Terminbenachrichtigung nicht vor. Die unvollständige Beteiligung ist damit nur ein Verstoß gegen die Pflicht des Gerichts, rechtliches Gehör zu gewähren ( Art. 103 Abs. 1 GG). Auf diesen Verfahrensmangel brauchte jedoch vorliegend nicht weiter eingegangen zu werden, weil die Entscheidung des Landgerichts aus einem anderen Grund keinen Bestand haben konnte.
3. Die Umgestaltung der Dachgauben und das Anbringen der Außenrollläden stellt eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 WEG dar, die nur dann ohne Mitwirkung aller Eigentümer vorgenommen werden könne, wenn sie nicht mehr beeinträchtige, als bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidlich sei ( § 14 Nr. 1 WEG). Unter einem Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG sei jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung zu verstehen. Ein solcher Nachteil könne auch in einer sich negativ auswirkenden Veränderung des optischen Bildes eines Gebäudes bestehen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts komme es nicht darauf an, ob bestimmte Wohnungseigentümer die baulichen Veränderungen subjektiv als störend empfänden. Es müsse vielmehr objektiv feststehen, dass eine sich negativ auswirkende Veränderung des optischen Bildes gegeben sei. Zum Zweck weiterer Feststellungen müsse die Sache an das Landgericht zurückverwiesen werden.
4. Gegen die Zurückweisung eines Antrages ist i. Ü. ein Antragsberechtigter, der nicht Antragsteller ist, aus verfahrensökonomischen Gründen jedenfalls dann beschwerdeberechtigt, wenn er im Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung den Antrag noch wirksam stellen könnte, also keine Antragsfrist zu beachten war.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 12.09.1991, BReg 2 Z 101/91)
zu Gruppe 6: Baurechtliche und bautechnische Fragen; Baumängel