Leitsatz
- Der Verpächter von Geschäftsräumen ist zur Abrechnung über die Betriebskosten innerhalb einer angemessenen Frist verpflichtet. Die Frist endet regelmäßig zum Ablauf eines Jahres nach Ende des Abrechnungszeitraums.
- Die Abrechnungsfrist ist keine Ausschlussfrist. § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB, der für die Wohnraummiete den Ausschluss von Betriebskostennachforderungen anordnet, die der Vermieter später als 12 Monate nach Ablauf des Abrechnungszeitraums verlangt, ist auf die Pacht von Geschäftsräumen nicht analog anwendbar.
- Der Anspruch des Verpächters auf restliche Betriebskosten ist auch dann nicht verwirkt, wenn die letzte Abrechnung 6 Jahre zurückliegt (im Anschluss an das Senatsurteil v. 27.1.2010, XII ZR 22/07, NZM 2010 S. 240).
(Leitsätze der Redaktion)
Normenkette
BGB §§ 556, 578, 581 Abs. 2
Kommentar
Die Parteien schlossen im Jahr 1998 einen Pachtvertrag über Gewerberäume. Darin war geregelt, dass der Mieter die Betriebskosten zu tragen hat. Nach Beendigung des Pachtverhältnisses im Jahr 2008 hat der Pächter den Verpächter auf Rückzahlung der Kaution in Höhe von ca. 5.000 EUR in Anspruch genommen. Der Verpächter hat seinerseits über die Betriebskosten der Jahre 2005 bis 2007 abgerechnet und mit einem sich aus der Abrechnung ergebenden Nachzahlungsbetrag von ca. 6.000 EUR aufgerechnet. Der BGH hatte zu entscheiden, ob Nachzahlungsansprüche aus einer Abrechnung verloren gehen, wenn der Verpächter längere Zeit keine Abrechnung erteilt.
Das ist nicht der Fall. Die maßgeblichen Rechtsgrundsätze hat der BGH bereits mit Urteil vom 27.1.2010 (XII ZR 22/07, NZM 2010 S. 240) geklärt.
1 Abrechnungsfrist (Leitsatz 1)
Für die Wohnraummiete ist in § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB bestimmt, dass die Abrechnung dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach dem Ende des Abrechnungszeitraums zugehen muss. Die Vorschrift des § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB gilt allerdings nicht für die Gewerbemiete und für Pachtverhältnisse über Gewerberäume. Gleichwohl vertritt die h.M. die Ansicht, dass auch der Vermieter von Gewerberaum innerhalb einer angemessenen Frist abrechnen muss und dass zur Bemessung dieser Frist auf die Regelung in § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB abzustellen ist (OLG Düsseldorf, Urteil v. 9.8.2007, 10 U 66/07, ZMR 2008 S. 206; OLG Frankfurt, Urteil v. 23.4.1999, 24 U 110/97, NZM 2000 S. 186; KG Berlin, Urteil v. 29.12.2006, 12 U 117/06, ZMR 2007 S. 449; Langenberg in: Schmidt-Futterer, § 556 BGB Rdn. 447; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, Rdn. 531; Fritz, Gewerberaummietrecht, Rdn. 137a; Weitemeyer in: Staudinger (2006), § 556 Rdn. 104). Der BGH hat sich mit Urteil vom 27.1.2010 (XII ZR 22/07, NJW 2010 S. 1065) dieser Ansicht angeschlossen. An dieser Rechtsprechung hält der BGH fest. Dies hat zunächst zur Folge, dass der Mieter/Pächter den Vermieter/Verpächter nach Ablauf der Abrechnungsfrist auf Erteilung einer Abrechnung in Anspruch nehmen kann.
2 Anwendung der Ausschlussfrist (§ 556 Abs. 3 Satz 3 BGB) auf die Gewerbepacht (Leitsatz 2)
Für die Wohnraummiete ist in § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB außerdem bestimmt, dass die Geltendmachung einer Nachforderung durch den Vermieter im Fall einer Fristüberschreitung ausgeschlossen ist. Dies führt zu der Frage, ob die Regelung des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB auch für die Gewerbemiete/-pacht gilt. Vereinzelt wird dies bejaht (LG Darmstadt, Urteil v. 12.12.2008, 6 S 182/08, NZM 2009 S. 546; Schmid in: MüKomm, § 556 Rdn. 1), überwiegend aber verneint (OLG Düsseldorf, Urteil v. 9.8.2007, 10 U 66/07, ZMR 2008 S. 206; OLG Köln, Urteil v. 20.10.2006, 1 U 12/06, ZMR 2007 S. 115; Langenberg in: Schmidt-Futterer, § 556 BGB Rdn. 458; Fritz, NJW 2007 S. 887, 889; Weitemeyer in: Staudinger (2006), § 556 Rdn. 106). Der BGH folgt in dem Urteil vom 27.1.2010 (XII ZR 22/07, NJW 2010 S. 1065) der herrschenden Ansicht. Eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift scheidet aus, weil § 556 BGB aufgrund der Gesetzessystematik ("Untertitel 2. Mietverhältnisse über Wohnraum") nicht für die Gewerbemiete gilt. Eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, weil die für die Gewerbemiete maßgebliche Verweisungsregelung (§ 578 Abs. 2 BGB) die Vorschrift des § 556 BGB nicht in Bezug nimmt und dies auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruht. Für die Pacht von Gewerberaum gelten dieselben Grundsätze.
3 Verwirkung (Leitsatz 3)
Ein Recht ist verwirkt, wenn
- der Berechtigte über einen längeren Zeitraum hinweg untätig geblieben ist,
- dadurch bei seiner Gegenpartei den Eindruck erweckt hat, sie brauche mit der Geltendmachung des Rechts nicht mehr zu rechnen,
- die Gegenpartei sich darauf eingerichtet hat und
- ihr die verspätete Inanspruchnahme nicht zugemutet werden kann (BGHZ 25 S. 51; 67 S. 56; BGH, Urteil v. 19.10.2005, XII ZR 224/03, NJW 2006 S. 219).
Diese Grundsätze gelten auch für den Anspruch des Vermieters oder Verpächters auf Nachzahlung von Betriebskosten. Der bloße Zeitablauf reicht jedoch für die Annahme einer Verwirkung niemals aus. Stets müssen darüber hinaus besonder...