Leitsatz
Die Anpassung von Vorauszahlungen setzt eine formell und inhaltlich korrekte Abrechnung voraus (Änderung der bisherigen Senatsrechtsprechung, zuletzt Senatsurteil v. 16.6.2010, VIII ZR 258/09, NZM 2010 S. 736 Rn. 26).
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 560 Abs. 4
Kommentar
Nach den Vereinbarungen im Mietvertrag betragen die Betriebskostenvorauszahlungen seit Juli 2005 monatlich 40 EUR. In den folgenden Jahren hat der Vermieter Betriebskostenabrechnungen erteilt und im Anschluss hieran die Vorauszahlungen jeweils erhöht. Der Mieter hat Einwendungen gegen die Betriebskostenabrechnung erhoben; die erhöhten Vorauszahlungen hat er nicht entrichtet. Wegen den aus den Betriebskostenabrechnungen folgenden Nachzahlungsbeträgen war zwischen den Parteien ein Rechtsstreit anhängig; die Klage des Vermieters wurde durch Urteil vom 19.1.2010 rechtskräftig abgewiesen. In dem Urteil ist u.a. ausgeführt, dass die Abrechnungen fehlerhaft seien. Bei Streichung der fehlerhaft angesetzten Kostenpositionen ergebe sich keine Nachforderung.
Der Vermieter hat das Mietverhältnis mit Schreiben vom 11.11.2009 und vom 26.3.2010 wegen der Weigerung des Mieters zur Zahlung der erhöhten Vorauszahlungen fristlos, hilfsweise fristgemäß, gekündigt. Der BGH hatte zu entscheiden, ob der Mieter auch dann die erhöhten Vorauszahlungen entrichten muss, wenn die Abrechnung zwar formell wirksam, aber inhaltlich fehlerhaft ist.
Nach § 560 Abs. 4 BGB kann jede Vertragspartei nach einer Abrechnung eine Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen auf eine angemessene Höhe vornehmen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 25.11.2009, VIII ZR 322/08, NJW 2010 S. 2053) setzt die Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlungen nur eine formell richtige Abrechnung voraus; auf die inhaltliche Richtigkeit soll es nicht ankommen (ebenso: Schmid, in MünchKomm, § 560 BGB Rdn. 30; Rave, ZMR 2008, S. 199; Both, NZM 2009, S. 896, 899). Der BGH hat dies im Zusammenhang mit der Frage entschieden, ob der Vermieter zur ordentlichen Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB berechtigt ist, wenn er nach einer Betriebskostenabrechnung die Betriebskostenvorauszahlungen anpasst und der Mieter nicht bezahlt.
Die Entscheidung ist in der Literatur auf Kritik gestoßen: Nach § 560 Abs. 4 BGB könne der Vermieter nur eine "angemessene" Anpassung vornehmen. Diese richte sich nach der Höhe der Nachzahlung und diese wiederum sei von der inhaltlichen Richtigkeit der Abrechnung abhängig (Langenberg, in Schmidt-Futterer, § 560 BGB Rdn. 44; ders. NJW 2008, S. 1269, 1272; Lammel, WuM 2008, S. 210, 211; N. Fischer, WuM 2008, S. 251; Bub, NZM 2011, S. 644, 645; Blank, NZM 2012, S. 217).
Der BGH führt aus, dass er an seiner bisherigen Auffassung nicht festhalte. Maßgeblich hierfür sind im Wesentlichen 2 Erwägungen. Zum einen verlange der Gesetzeszweck "eine möglichst realistische Bemessung der Vorauszahlungen". Dieser Zweck sei nur zu erreichen, wenn die Vorauszahlungen nach einem sachlich zutreffenden Abrechnungsergebnis bemessen werden. Zum anderen sei zu bedenken, dass dem Vermieter eine Pflichtverletzung zur Last fällt, wenn er eine inhaltlich fehlerhafte Abrechnung erteilt. Aus dieser Pflichtverletzung dürfe der Vermieter keine Vorteile ziehen; deshalb könne es nicht hingenommen werden, dass eine inhaltlich fehlerhafte Abrechnung zu einer Erhöhung der Vorauszahlungen führt. Die Berücksichtigung inhaltlicher Abrechnungsmängel bei der Bemessung der Vorauszahlungen könne zwar zur Folge haben, dass die Höhe der vom Mieter geschuldeten Beträge längere Zeit unklar bleibt. Dies sei aber hinzunehmen.
Wie sich die BGH-Urteile im Mietprozess auswirken
Die geänderte Rechtsprechung des BGH hat folgende Auswirkungen:
1. Feststellungsklage
Geht dem Mieter eine Erhöhungserklärung nach § 560 Abs. 4 BGB zu, kann er Klage auf Feststellung erheben, dass er den erhöhten Vorauszahlungsbetrag wegen formeller oder inhaltlicher Mängel der Betriebskostenabrechnung nicht schuldet.
Fraglich ist, ob die Einwendungen gegen die Betriebskostenabrechnung innerhalb der Frist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB (bis zum Ablauf des 12. Monats nach Zugang der Abrechnung) erhoben werden müssen. Dafür könnte sprechen, dass verspätete Einwendungen nicht zu berücksichtigen sind (§ 556 Abs. 3 Satz 6 BGB). Andererseits ist zu bedenken, dass es bei § 560 Abs. 4 BGB nicht um die Pflicht des Mieters zur Zahlung des Abrechnungssaldos geht. Vielmehr sollen die künftigen Vorauszahlungen entsprechend der in Zukunft zu erwartenden Betriebskosten bemessen werden. Dies spricht gegen die Berücksichtigung der Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 6 BGB. Die Rechtslage ist insoweit noch ungeklärt.
2. Zahlungsklage
Verweigert der Mieter die Zahlung der erhöhten Vorausleistungen, kann der Vermieter Zahlungsklage erheben. In diesem Fall kann der Mieter einwenden, dass er die erhöhten Beträge nicht schuldet, weil die Betriebskostenabrechnung formell oder inhaltlich fehlerhaft ist.
Auch hier müssen die Einwendungen nicht innerhalb der...