Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG 1958, nach der bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns durch Bestandsvergleich der Wert des Grund und Bodens außer Ansatz zu lassen ist, verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG und ist daher verfassungswidrig.
Gemäß Art. 100 Abs. 1 GG wird das Verfahren ausgesetzt und die Entscheidung des BVerfG eingeholt.
Normenkette
GG Art. 100 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; BVerfGG § 80; EStG § 4 Abs. 1 S. 5, § 14/1
Gründe
Der erkennende Senat hält die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 des Einkommensteuergesetzes 1958 - im folgenden EStG - für verfassungswidrig.
I. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits, der die Einkommensteuerveranlagung eines Landwirts für das Jahr 1958 betrifft, hängt von der Gültigkeit des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG ab.
Der Senat hat über den folgenden Sachverhalt zu entscheiden.
Der Revisionsbeklagte (Stpfl.), der den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft nach den Vorschriften der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft - VOL - vom 2. Juni 1949 (WiGBl 1949, 95) ermittelte, veräußerte im Jahre 1958 sein landwirtschaftliches Anwesen, das einen Einheitswert von 28 400 DM hatte, ohne Inventar an ein Bergwerksunternehmen. Der Veräußerungserlös belief sich auf mehr als 1 Mio DM. Davon entfielen nach Ansicht des Stpfl. auf den landwirtschaftlichen Gebäudebestand rund 11 500 DM, dagegen nach Auffassung des FA rund 140 000 DM. Mit dem letzten Betrage hatte die Erwerberin die Anschaffungskosten der Gebäude bilanziert. Der Zeitwert der Gebäude betrug nach einem Gutachten, das bei den Verkaufsverhandlungen eine Rolle spielte, rund 96 000 DM. Nach Abzug eines fiktiven Buchwerts der veräußerten Gebäude in Höhe von rund 24 000 DM errechnete der Stpfl. einen Veräußerungsgewinn von 0 DM. Das FA setzte 120 000 DM an.
Das FG gab der Berufung statt. Es ging davon aus, daß die Vertragsparteien im Rahmen des Gesamtkaufpreises nur einen Betrag von rund 14 000 DM für den Gebäudebestand angesetzt hätten. Die Erwerberin sei an den Gebäuden nicht interessiert gewesen. Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn belaufe sich auf 0 DM.
Das FA beantragt mit der gemäß §§ 121, 184 Abs. 2 Nr. 1 FGO Als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde die Aufhebung der Vorentscheidung. Es rügt mangelnde Sachaufklärung.
bei Gültigkeit des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG ist nur der Teil des Grundstücks-Veräußerungsgewinns steuerbar, der auf den Gebäudebestand entfällt. Das gilt auch für den Fall der Betriebsveräußerung.
Land- und Forstwirte, deren Gewinn nach der VOL zu ermitteln war, hatten den sich bei der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs ergebenden Gewinn nach Maßgabe des § 14 EStG zu versteuern (vgl. BFH IV 351/64 U vom 3. Juni 1965, BFH 83, 207, BStBl III 1965, 576, und die dort angeführten weiteren Entscheidungen). Das Gesetz schreibt vor, daß der Veräußerungsgewinn durch sogenannten Bestandsvergleich zu ermitteln ist (§ 14 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 EStG). Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt, der nach § 4 Abs. 1 EStG für den Zeitpunkt der Veräußerung ermittelt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 2 EStG). Nach § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG bleibt bei der Ermittlung des Gewinns der Wert des Grund und Bodens, der zum Anlagevermögen gehört, außer Ansatz. Diese Vorschrift wird allgemein dahin verstanden, daß bei dem Vergleich des Veräußerungspreises mit dem Wert des Betriebsvermögens der auf den Grund und Boden entfallende Teil des Veräußerungspreises und der ihm gegenüberzustellende, im Wert des Betriebsvermögens enthaltene Wert des Grund und Bodens ausgeklammert werden (vgl. zuletzt die BFH-Entscheidung IV 180/61 U vom 3. Juni 1965, BFH 83, 213, BStBl III 1965, 579). Der Veräußerungsgewinn wäre daher bei Gültigkeit des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG insoweit nicht steuerbar, als er auf den Grund und Boden entfällt.
Den sich hiernach ergebenden Veräußerungsgewinn bemaßen das FA zu hoch, das FG hingegen zu niedrig. Der vom FA angesetzte Betrag kann nicht zugrunde gelegt werden. Der von der Erwerberin bilanzierte Betrag der Anschaffungskosten darf bei der Einkommensteuerveranlagung des Veräußerers aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht ohne weiteres angesetzt werden; im übrigen bestehen nicht unerhebliche Unterschiede zwischen den in Betracht kommenden Beträgen. So mußten bei der Bemessung der Anschaffungskosten bei der Erwerberin zusätzliche aktivierungspflichtige Kosten, wie anteilige Grunderwerbsteuer, Schätzungsgebühren usw., in Erscheinung treten. Andererseits kann auch der vom FG zugrunde gelegte anteilige Gebäudewert in Höhe von rund 14 000 DM nicht gebilligt werden. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist, wenn Streit darüber besteht, in welchem Verhältnis der Verkaufserlös auf Grund und Boden und auf die übrigen veräußerten Wirtschaftsgüter, besonders Gebäude, entfällt, im Zweifel das Verhältnis der Teilwerte maßgebend (vgl. Entscheidungen des erkennenden Senats IV 351/64 U, IV 180/61 U). Dieser Grundsatz ist vor allem dann anzuwenden, wenn sich die Vertragsparteien auf einen Ablösungsbetrag für den Gebäudebestand förmlich geeinigt haben, der - wie hier - zum gemeinen Wert des Gebäudebestandes in einem auffallenden Mißverhältnis steht.
Ohne die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG wäre der gesamte Veräußerungsgewinn steuerpflichtig, und zwar auch insoweit, als er auf den Grund und Boden entfällt. Im Falle der Nichtigkeit der Vorschrift wäre deshalb die Revision des FA im vollen Umfang, also auch soweit ihr nicht schon wegen der Erhöhung des auf die Gebäude entfallenden Teils des Veräußerungsgewinns stattzugeben wäre, begründet. Die sich aus der Steuerpflicht des gesamten Veräußerungsgewinns ergebende Einkommensteuer müßte im Rahmen des Revisionsantrages, d. h. nach Maßgabe des angefochtenen Verwaltungsakts, festgesetzt werden. Nur für eine änderung des Steuerbescheids zuungunsten des Stpfl. wäre kein Raum (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
II. Auf Ersuchen des Senats trat der BdF dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO bei. Er nahm zu den vom Senat aufgeworfenen Fragen, ob die Vorschrift des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG einschränkend auszulegen sei, und ob nicht gegen die in ihr zum Ausdruck kommende Freilassung der Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden verfassungsrechtliche Bedenken bestünden, im wesentlichen wie folgt Stellung:
Die Regelung des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG, die insbesondere für die Gewinnermittlung aus Land- und Forstwirtschaft bedeutsam sei, beruhe auf dem Gedanken, daß es der Grundauffassung eines Land- und Forstwirts (und der anderen Steuerpflichtigen, bei deren Gewinnermittlung der Wert des Grund und Bodens außer Ansatz bleibe) entspreche, den Grund und Boden nicht als Handelsobjekt zur Gewinnerzielung einzusetzen. Der Grund und Boden sei in diesem Bereich im allgemeinen eine nach Bestand und Wert konstante Größe, die von Generation zu Generation weitergereicht werde. Aus dieser Begründung könnte gefolgert werden, daß Wertveränderungen nur solange unberücksichtigt blieben, solange der Grund und Boden nicht veräußert oder entnommen werde, daß Wertveränderungen aber bei einer Veräußerung oder Entnahme der Einkommensteuer unterworfen werden müßten. Eine derart restriktive Auslegung würde jedoch im Gegensatz zum klaren Wortlaut des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG stehen. § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG ergänze den Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG und besage, daß der Wert des Grund und Bodens "bei der Gewinnermittlung" außer Ansatz bleibe. Der Wert des Grund und Bodens zeige sich aber regelmäßig erst im Veräußerungsfall, so daß insbesondere die durch Veräußerung realisierten Wertsteigerungen des Grund und Bodens nach § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG steuerlich unberücksichtigt blieben. Das entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, der in der Begründung zum EStG 1934 zum Ausdruck gekommen sei (Hinweis auf RStBl 1935, 37, linke Spalte). Auch damals habe es bereits zahlreiche Fälle gegeben, in denen Land- und Forstwirte insbesondere in Randzonen der Großstädte Grund und Boden veräußert und dabei Preise erzielt hätten, die erheblich über den Beträgen gelegen hätten, die sonst für land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundbesitz gezahlt worden seien (Hinweis auf die Urteile des RFH VI A 200/31 vom 28. Januar 1931, RStBl 1931, 257; VI A 1914/31 vom 16. März 1932, RStBl 1932, 5150, und V A 147/33 vom 12. Mai 1933, RStBl 1933, 1263). Trotz dieser klar erkennbaren Situation habe sich der Gesetzgeber zu der Regelung des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG entschlossen. Es sei zwar richtig, daß die derzeitige Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft, die zu einer weitgehenden Angleichung an die Verhältnisse im gewerblichen Bereich führe, auch einkommensteuerlich berücksichtigt werden müsse. Die Verhältnisse hätten sich aber bis heute noch nicht so grundlegend gewandelt, daß die im EStG vorgenommene Differenzierung beim Grund und Boden als willkürliche, auf keinem sachlichen Grunde beruhende und damit gegen Artikel 3 Abs. 1 GG verstoßende Regelung gewertet werden müßten (vgl. BVerfGE 1, 14). Es werde deshalb Aufgabe des Gesetzgebers sein zu prüfen, ob und inwieweit auf Grund dieser Entwicklung die Vorschrift des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG eingeengt werden soll.
III. Der Senat hält die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG für unvereinbar mit Artikel 3 Abs. 1 GG.
Eine gesetzliche Regelung verstößt gegen Artikel 3 Abs. 1 GG, wenn sie willkürlich ist, d. h. wenn sie unter keinem sachlich vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt erscheint, die Unsachlichkeit der getroffenen Regelung also evident ist. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt vor, wenn in der Sache selbst liegende Gesetzlichkeiten und die fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft mißachtet werden (BVerfGE 9, 338 (349); 13, 225 (228);
Bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliegt, ist der Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit zu beachten. Der Senat hatte daher zu prüfen, ob die Vorschrift die vom Gesetz selbst statuierte Sachgesetzlichkeit in willkürlicher Weise durchbricht (vgl. BVerfGE 12, 341 (349); 13, 331 (340); 15, 313 (319)). Die Systemwidrigkeit einer Sondervorschrift bildet dann ein Indiz für ihre Willkürlichkeit, wenn mit ihr der Gesetzgeber das System des Gesetzes ohne zureichende sachliche Gründe verlassen hat (BVerfGE 12, 151 (164); 18, 315 (334)). Entscheidend ist also, ob sich für die gesetzliche Differenzierung ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund finden läßt (BVerfGE 12, 341 (348)). In der Entscheidung BVerfGE 13, 331 (341) führte das BVerfG aus, daß ein Abweichen von der vom Gesetz selbst gewählten Sachgesetzlichkeit nur dann vor dem Gleichheitssatz des Artikels 3 Abs. 1 GG Bestand haben könne, wenn das Gewicht DER für DIE Abweichung sprechenden Gründe DER Intensität DER getroffenen Ausnahmeregelung entspreche. Diese Voraussetzung ist bei § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG nicht erfüllt. Die bei ihrer Schaffung etwa maßgebend gewesenen Gründe rechtfertigen, wie im folgenden darzulegen ist, im Hinblick auf die Entwicklung, die das Gewinnermittlungssystem seitdem genommen hat, und angesichts der mit den heutigen Anforderungen an ein gerechtes Steuersystem unvereinbaren Auswirkungen diese Vorschrift nicht mehr.
Ein Gesetz wird zwar nicht deshalb unanwendbar, weil der gesetzgeberische Grund inzwischen weggefallen ist. Aber die Entwicklung der Verhältnisse und der Rechtsanschauungen kann dazu führen, daß ein vom verfassungsrechtlichen Standpunkt zunächst nicht zu beanstandendes Gesetz seinen ursprünglichen Sinn verliert und mit ranghöheren Normen in Widerspruch tritt (vgl. BVerfGE 12, 341 (353); 16, 130 (141); BFH-Urteil IV 11/64 S vom 5. November 1964, BFH 80, 356, BStBl III 1964, 602; Spanner, Deutsches Steuerrecht 1965 S. 91, 93). Das ist bei § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG der Fall. Es kann dahingestellt bleiben von welchem Zeitpunkt an die Vorschrift mit Artikel 3 Abs. 1 GG unvereinbar wurde. In der einen Steuerfall des Jahres 1946 betreffenden Entscheidung IV 299/53 U vom 30. September 1954 (BFH 59, 407, BStBl III 1954, 367) hatte der BFH zwar verneint, daß § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoße. Nach den folgenden Darlegungen über die Entwicklung der Gewinnermittlungsvorschriften spricht aber vieles dafür, einen solchen Verstoß spätestens für die Zeit seit 1955 anzunehmen. Der erkennende Senat ist der Ansicht, daß die Vorschrift jedenfalls im Streitjahr 1958 bereits verfassungswidrig war. Soweit der nicht amtlich veröffentlichten Entscheidung des I. Senats I 197/59 vom 1. März 1960 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 5 Rechtsspruch 250) eine abweichende Auffassung zu entnehmen ist, folgt ihr der erkennende Senat nicht. In jenem Urteil hatte im übrigen der I. Senat nur die umgekehrte Frage zu entscheiden, ob § 5 EStG im Hinblick auf § 4 Abs. 1 EStG mit dem Gleichheitssatz vereinbar sei, ob also die Besteuerung der Bodengewinne bei bilanzierenden Gewerbetreibenden gerechtfertigt sei. Er bejahte diese Frage. Das ist auch nach Auffassung des erkennenden Senats gerechtfertigt.
IV.
Das geltende deutsche Einkommensteuerrecht, das in seiner Systematik auf das EStG von 1925 zurückgeht, unterscheidet bei der Bemessung und Ermittlung der Einkünfte einerseits die Gewinneinkünfte (§ 2 Abs. 3 Nrn. 1-3 EStG), andererseits die Einkünfte, bei denen der überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 3 Nrn. 4 bis 7 EStG) maßgebend ist. Gewinneinkünfte bilden die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und aus selbständiger Arbeit. Die anderen Einkünfte (nichtbetriebliche Einkünfte) setzen sich aus den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung und aus sonstigen Einkünften zusammen. Das Gesetz geht davon aus, daß bei den betrieblichen im Gegensatz zu den nichtbetrieblichen Einkünften das Gewinndenken vorherrscht. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, daß in der Regel eine Mehrung des Vermögens durch Einsatz von Vermögen (Betriebsvermögen) erstrebt wird. Gewinn im weiteren Sinn ist jeder (realisierte) Vermögenszuwachs.
Als nichtbetriebliche Einkünfte werden grundsätzlich nur die Erträge der Einkunftsquellen, nicht auch die Wertsteigerungen der Quellen erfaßt. Die privaten Einkünfte (§ 2 Abs. 3 Nrn. 4 bis 7 EStG) werden durch die Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben (Werbungskosten) ermittelt. Das gilt auch für den privaten Grundbesitz im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, auch wenn der Steuerpflichtige Bücher führt und Bilanzen aufstellt (vgl. BFH-Urteil VI 179/58 vom 7. Oktober 1960, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 21, Rechtsspruch 77). Soweit ausnahmsweise der Gewinngedanke für Vorgänge in der Privatsphäre kennzeichnend ist, führt er auch dort in den vom Gesetzgeber für bedeutsam gehaltenen Fällen zur einkommensteuerlichen Erfassung eines realisierten Vermögenszuwachses. Das geschieht im Rahmen des § 17 EStG (Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft) und des § 23 EStG (Spekulationsgewinn), wobei bei Erfüllung des äußeren Tatbestands die Spekulationsabsicht gewissermaßen unwiderleglich vermutet wird (vgl. BFH-Urteil VI R 24/66 vom 8. März 1967, BFH 88, 182, BStBl III 1967, 317).
Die Rechtsprechung hat, dem Grundgedanken der für die Einkünfteermittlung geltenden Vorschriften entsprechend den Bereich der Gewinnermittlung - mit Wirkung teils zugunsten, teils zuungunsten der Steuerpflichtigen - durch eine den wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung tragende Abgrenzung DER gewerblichen Tätigkeit von DER privaten Vermögensverwaltung auf Vorgänge ausgedehnt, bei denen eine Gewinnerzielungsabsicht hervortritt (vgl. BFH-Urteile zur Verpachtung bei Betriebsaufspaltung IV 179/64 U vom 28. Januar 1965, BFH 82, 40, BStBl III 1965, 261; die durch Entscheidung des BVerfG vom 1. August 1967, 2 BvR 367/67, Der Betrieb 1967 S. 1393, bestätigte BFH-Entscheidung VI 169/65 vom 24. Februar 1967, BFH 88, 319, BStBl III 1967, 387; IV 219/63 vom 11. August 1966, BFH 86, 621, BStBl III 1966, 601; Entscheidung des Großen Senats zur Betriebsverpachtung Gr. S. 1/63 S vom 13. November 1963, BFH 78, 315, BStBl III 1964, 124; zu Geld- und Devisengeschäften Privater VI 133/60 U vom 13. Dezember 1961, BFH 74, 331, BStBl III 1962, 127; zu Grundstücksgeschäften sogenannter Baupaten VI 199/65 vom 7. April 1967, BFH 88, 450, BStBl III 1967, 467; zur Parzellierung von Grundstücken IV 5/59 U vom 28. September 1961, BFH 74, 80, BStBl III 1962, 32; zur Vermietung mit erheblichen Nebenleistungen IV 141/60 U vom 18. März 1964, BFH 79, 373, BStBl III 1964, 367).
Bei den betrieblichen Einkunftsarten werden die Einkünfte - Gewinne oder Verluste - durch einen Bestands- oder Vermögensvergleich ermittelt (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG). Während die nichtbetrieblichen Einkünfte - abgesehen von den Fällen der §§ 17, 23 EStG - nach einheitlichen Grundsätzen ermittelt werden, bestehen bei der Gewinnermittlung erhebliche Unterschiede. Denn das Gesetz unterscheidet zwischen einem uneingeschränkten und einem eingeschränkten Bestandsvergleich.
Der uneingeschränkte Bestandsvergleich (§ 5 EStG) erstreckt sich auf alle Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens. Er erfaßt auch den Wert des Grund und Bodens. Er ist für alle Gewerbetreibenden, die nach handelsrechtlichen oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften Bücher führen müssen oder die freiwillig Bücher führen und Abschlüsse machen, vorgeschrieben. Die Grundlage bilden die Grundsätze der kaufmännischen Gewinnermittlung. Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden unterliegen daher der Einkommensteuer.
Für andere gewinnermittelnde und zur Buchführung verpflichtete oder tatsächlich Bücher führende Steuerpflichtige schreibt das Gesetz einen eingeschränkten Bestandsvergleich vor (§ 4 Abs. 1 EStG). Sein Kennzeichen besteht im wesentlichen darin, daß der Wert des Grund und Bodens außer Ansatz bleibt (§ 4 Abs. 1 Satz 5 EStG). Diese Regelung gilt für alle nicht unter § 5 EStG fallenden Gewerbetreibenden (Minderkaufleute, kleinere Handwerker), für die Land- und Forstwirte und für die Angehörigen freier Berufe. Bei ihnen unterliegen nach dieser gesetzlichen Regelung Gewinne aus der Veräußerung des zum Betriebsvermögen gehörenden Grund und Bodens nicht der Einkommensteuer.
Das gilt auch für die Steuerpflichtigen, die nicht auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch nicht freiwillig Bücher führen und Abschlüsse machen. Sie können als Gewinn den überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 EStG). Diese vereinfachte Gewinnermittlung verzichtet auf den Bestandsvergleich, weil davon ausgegangen wird, daß bei diesen Gruppen von Steuerpflichtigen Bestandsveränderungen praktisch nicht ins Gewicht fallen. Der Grund und Boden wird wie in den Fällen des § 4 Abs. 1 EStG behandelt.
Die Tendenz der Rechtsprechung geht seit langem dahin, die sich zwischen der Besteuerung nach § 4 Abs. 1 EStG und nach § 5 EStG ergebenden Unterschiede zu verringern, so durch die Zulassung gewillkürten Betriebsvermögens im Rahmen des § 4 Abs. 1 EStG, durch engste Auslegung des Begriffs "Grund und Boden" in § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG, durch weitgehende übertragung der kaufmännischen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung auf den Bereich des § 4 Abs. 1 EStG (vgl. z. B. BFH-Entscheidungen VI 10/60 S vom 15. Juli 1960, BFH 71, 625, BStBl III 1960, 484; I 17/60 S vom 14. März 1961, BFH 73, 359, BStBl III 1961, 398; IV 226/58 S vom 28. Januar 1960, BFH 71, 111, BStBl III 1960, 291). Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Formen des Bestandsvergleichs besteht deshalb nur noch in der Behandlung des Wertes des zum Anlagevermögen gehörenden sogenannten "nackten" Grund und Bodens (§ 4 Abs. 1 Satz 5 EStG).
Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG führt in verschiedener Hinsicht zu einer ungleichen Besteuerung.
Die Ungleichheit der steuerlichen Behandlung des Grund und Bodens tritt besonders im Verhältnis der Landwirte zu kleineren Gewerbetreibenden und im Verhältnis der Gewerbetreibenden untereinander hervor.
Nach § 5 EStG wird ein nicht unerheblicher Kreis von kleineren Gewerbetreibenden erfaßt, der nicht schon nach den Vorschriften des HGB buchführungspflichtig ist, bei dem aber die Tatbestandsmerkmale der Buchführungspflicht nach § 161 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt sind. Von diesen Merkmalen - Gewerbeertrag von mehr als 9000 DM im Jahr oder Gesamtumsatz von mehr als 200 000 DM oder Wert des Betriebsvermögens von mehr als 50 000 DM - ist die Ertragsgrenze von 9000 DM (monatlicher Durchschnittsertrag 750 DM) besonders niedrig gesetzt. Sie führt dazu, daß sich vor allem wegen der laufenden Geldentwertung der Kreis der buchführungspflichtigen kleineren Gewerbetreibenden ohne Gesetzesänderung ständig erweitert.
Veräußert ein solcher Gewerbetreibender seinen Betrieb oder muß er ihn beispielsweise wegen Krankheit oder aus Altersgründen unter unvermeidbarer überführung des Grundbesitzes in sein Privatvermögen aufgeben, so hat er auch die im Grund und Boden ruhenden, meist sehr erheblichen stillen Reserven der Einkommensteuer zu unterwerfen. Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe jeder Größenordnung brauchen hingegen im Falle der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebes die bei ihnen besonders stark ins Gewicht fallenden, im Werte des Grund und Bodens enthaltenen stillen Reserven nicht zu versteuern.
Sodann werden Gewerbetreibende untereinander nicht einheitlich besteuert. Das Gesetz behandelt alle unter § 5 EStG fallenden Gewerbetreibenden wie Vollkaufleute und erfaßt ihre Bodenveräußerungsgewinne in vollem Umfang, während bei den übrigen Gewerbetreibenden die Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden unversteuert bleiben. Dieser bedeutsame Besteuerungsunterschied ist die Folge lediglich des Vorliegens oder Nichtvorliegens der gesetzlichen Buchführungsvoraussetzungen. Seine Auswirkung steht in keinem Verhältnis zu der tatsächlichen Bedeutung der zugrunde liegenden Betriebsgrößenunterschiede. Die Diskrepanz ist besonders auffallend im Verhältnis zu nichtbuchführungspflichtigen Gewerbetreibenden, die freiwillig Bücher führen und Abschlüsse machen. Da diese ebenfalls nach § 5 EStG besteuert werden, hängt der Umfang der sachlichen Steuerpflicht gewerblicher Einkünfte von einer vom steuerlichen Standpunkt sogar erwünschten und oft aus betriebswirtschaftlichen und kalkulatorischen Gründen gebotenen Entscheidung der Gewerbetreibenden für die Buchführung ab.
Es ist hervorzuheben, daß die tatsächlichen Auswirkungen des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG von außerordentlichem Gewicht sind. Allgemein ist bekannt, daß sich die Grundstückspreise besonders seit der Währungsumstellung im Jahre 1948 in überaus starkem Masse erhöht haben und daß an dieser Entwicklung bisher vorwiegend landwirtschaftlich genutzte Grundstücke den größten Anteil haben. Bei den Veräußerungen werden fast immer ganz ungewöhnliche, zuweilen das Hundertfache und mehr der Besteuerungswerte betragende Gewinne erzielt. Auch der Streitfall zeigt die auf diesem Gebiet entstandenen Verzerrungen. Der Einheitswert beträgt weniger als 30 000 DM, während sich der Veräußerungserlös auf über 1 Mio DM beläuft.
V. Die unterschiedliche Behandlung des Wertes des zu einem Betriebsvermögen gehörenden Grund und Bodens in der deutschen Einkommensteuergesetzgebung führte im Laufe der Zeit zu einem Besteuerungsprivileg DER Landwirtschaft.
Die geschichtliche Entwicklung der gesetzlichen Regelung ist folgende.
Ursprünglich bildete die Ausschaltung des Grund und Bodens aus dem Bestandsvergleich der Nichtkaufleute den Ausdruck einer Regel. Der uneingeschränkte Bestandsvergleich stellte eine Sondervorschrift nur für Vollkaufleute dar. Die Ausschaltung der Bodengewinne bei der Ermittlung der Einkünfte der Nichtkaufleute beruhte zunächst auf den gleichen Erwägungen wie die grundsätzliche Nichterfassung von Grundstücks- und Kapitalgewinnen im privaten Bereich. Bis zur Entscheidung des RFH VI A 851/32 vom 26. Juli 1933 (RFH Bd. 34 S. 51, RStBl 1933, 1144, mit Stellungnahme der landwirtschaftlichen Spitzenverbände) war die Rechtsprechung noch davon ausgegangen, daß der Grund und Boden zum Privatvermögen des Landwirts gehöre.
Den Gewinn hatten als Einkünfte anfangs nur Gewerbetreibende und Landwirte zu ermitteln. Nach dem EStG 1920 hatten Landwirte zu diesem Zweck einen eingeschränkten Bestandsvergleich, Gewerbetreibende, soweit sie Bücher führten, einen uneingeschränkten Bestandsvergleich vorzunehmen (§ 32, § 33 Abs. 2 EStG 1920). Während buchführende Gewerbetreibende aller Art Grundstücksgewinne stets und in vollem Umfange zu versteuern hatten, gleichgültig, ob es sich um Anlage- oder Umlaufvermögen handelte, mußten Landwirte und kleine Gewerbetreibende solche Gewinne nur versteuern, wenn die Grundstücke innerhalb der letzten zehn Jahre oder zum Zwecke der Wiederveräußerung (§ 12 Nr. 13 EStG 1920) oder zur gewinnbringenden Wiederveräußerung erworben waren (§ 11 Nr. 5 EStG 1921).
Durch das EStG 1925 wurde der Kreis der gewinnermittelnden Steuerpflichtigen auf die Angehörigen der freien Berufe ausgedehnt (§ 6 Abs. 1 Nr. 3, § 7 Abs. 2 Nr. 1 EStG 1925). Für sie wurde ebenfalls der eingeschränkte Bestandsvergleich angeordnet (§ 12 Abs. 1 EStG 1925).
Innerhalb des stetig erweiterten Gesamtbereichs der Gewinnermittlung gewann die vollkaufmännische Gewinnermittlung und damit die Steuerpflicht der Bodenveräußerungsgewinne zunehmend an Gewicht. Unter der Herrschaft des EStG 1920/21 waren von dieser Regelung nur Steuerpflichtige erfaßt, die Handelsbücher nach dem HGB führten (§ 33 Abs. 2 EStG 1920/21). Nach dem EStG 1925 blieb diese Regelung im wesentlichen bestehen (§ 13). Sie betraf alle Steuerpflichtigen, die Handelsbücher nach dem HGB führen mußten oder freiwillig Bücher führten. Das EStG 1934 brachte allerdings eine Einschränkung, die in der Fassung des Gesetzes von 1938 erhalten blieb und bis zum EStG 1955 (Gesetz zur Neuordnung von Steuern - StNG - vom 16. Dezember 1954, BGBl I 1954, 373) galt. In dieser Zeit waren die Veräußerungsgewinne nur steuerpflichtig bei Gewerbetreibenden, die nach Handelsrecht verpflichtet waren Bücher zu führen (§ 5 EStG 1934), oder sogar nur solche, deren Firma im Handelsregister eingetragen war (§ 5 EStG 1938).
Seit dem Jahr 1955 gilt die vollkaufmännische Gewinnermittlung und damit die volle Versteuerung der Grundstücksgewinne für alle Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher, nicht nur - wie bisher - handelsrechtlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen, oder die freiwillig Bücher führen. Da die Buchführungspflichtgrenze für Gewerbetreibende nach den Merkmalen des § 161 Abs. 1 Nr. 1 AO seit dem Gesetz zur änderung von einzelnen Vorschriften der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 11. Juli 1953 - AOändG - (BGBl I 1953, 511) nicht verändert wurde, fiel nunmehr ein erheblicher Teil der kleineren Gewerbetreibenden unter die Vorschrift des § 5 EStG.
Diese Ausdehnung der vollkaufmännischen Gewinnermittlung und damit der Besteuerung der Bodenveräußerungsgewinne wirkte sich zwar auf die steuerliche Behandlung der Landwirte und der Freiberufler nicht aus. Da aber der Grund und Boden bei den Angehörigen der freien Berufe als Anlagevermögen - anders als Gebäude - nur eine geringe Rolle spielt, ergab sich so, daß die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG im wesentlichen zu einer einseitigen Begünstigung der landwirtschaftlichen Bodengewinne führte. Es ist seit jeher anerkannt, daß die eigentliche Bedeutung der Ausschaltung des Grund und Bodens auf dem Gebiete der Ermittlung der landwirtschaftlichen Einkünfte liegt (vgl. RFH- Entscheidung VI A 851/32; Enno Becker, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, Bd. 2 S. 302; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 20 zu § 4 EStG).
Parallel zu dieser Entwicklung kam es im Laufe der letzten Jahrzehnte innerhalb der Landwirtschaft zu einer grundlegenden änderung DER Verhältnisse.
Der landwirtschaftliche Hof entwickelte sich zunehmend zum Betrieb im Sinn der Betriebswirtschaftslehre mit der Folge, daß die im gewerblichen Bereich herrschenden Wirtschaftsvorstellungen auch hier zur Geltung kamen. Die Ursachen dieses Prozesses liegen vor allem in der fortschreitenden Rationalisierung der landwirtschaftlichen Betriebsführung, die wiederum bedingt ist durch den zunehmenden Einsatz technischer Mittel als Ersatz menschlicher und tierischer Arbeitskraft und durch den dadurch verursachten erhöhten Kapitalbedarf. Erwägungen der Rentabilität, der optimalen Betriebsgröße usw. führen seit langem zu einer weitgehenden Angleichung an DIE Verhältnisse im gewerblichen Bereich. Ihr wurde auch einkommensteuerrechtlich zunehmend Rechnung getragen (vgl. BFH-Urteile I 26/55 U vom 29. Mai 1956, BFH 63, 126, BStBl III 1956, 246; I 32/58 S vom 26. Mai 1959, BFH 69, 157, BStBl III 1959, 322; IV 67/61 S vom 16. September 1965, BFH 83, 568, BStBl III 1965, 706).
Hiermit steht in Zusammenhang, daß in landwirtschaftlichen Kreisen der überkommene Gedanke, den der Familie gehörenden Grund und Boden für die künftigen Generationen zusammenzuhalten, heute nur noch in sehr abgeschwächter Form besteht und insoweit keine Eigentümlichkeit des landwirtschaftlichen Besitzes mehr darstellt. Es besteht eine erhöhte Bereitschaft, sich von Teilen des landwirtschaftlichen Grundvermögens zu trennen und durch Veräußerung beträchtliche Gewinne zu realisieren. Zu dem entsprechenden Verhalten von Gewerbetreibenden besteht kein grundsätzlicher Unterschied.
Mit diesem Wandel der Wirtschaftsanschauungen geht eine von außen kommende Entwicklung parallel, infolge deren landwirtschaftliche Grundstücke zu begehrten Kaufobjekten werden. Sie wurde ausgelöst durch die Vermehrung der Bevölkerung und das durch sie bedingte Wachstum vor allem der Städte, durch den steigenden Bedarf an Industriegelände usw. Da der Grund und Boden knapp, weil nicht vermehrbar, ist, sind steigende Preise die Folge. Dieser Vermögenszuwachs ist weitgehend unabhängig von der laufenden Verminderung des Geldwerts auf anderen Gebieten.
VI. Das in der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG enthaltene Landwirtschaftsprivileg entbehrt heute jeder sachlichen Begründung. Es liegt eine willkürliche Begünstigung darin, daß einerseits Landwirte, auch wenn sie auf Grund ihrer Betriebsgröße buchführungspflichtig sind, keine Bodenveräußerungsgewinne zu versteuern brauchen, obgleich der Grund und Boden im Rahmen ihres Betriebes die entscheidende Rolle spielt und die durch Grundstücksveräußerungen erzielten Gewinne in der Regel im Verhältnis zu den Buch- oder Besteuerungswerten ungewöhnlich hoch sind, und daß andererseits Gewerbetreibende, bei denen Grund und Boden in viel geringerem Masse von Bedeutung ist, die vollen Gewinne aus der Veräußerung versteuern müssen, wenn sie buchführungspflichtig sind oder freiwillig Bücher führen, obgleich die dann erzielten Gewinne ebenfalls nicht höher oder niedriger zu sein pflegen als bei Landwirten.
Die früher für diese Regelung vorgebrachten Gründe können die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG jedenfalls heute nicht mehr rechtfertigen.
Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG war ursprünglich nicht als Privilegierung der Landwirtschaft gedacht. Sie trug der früher eingewurzelten Auffassung Rechnung, daß der Grund und Boden keine Ware sei, mit der Landwirte wie Grundstückshändler gewinnbringende Geschäft zu machen pflegten (vgl. die in der Entscheidung des RFH VI A 851/32 wiedergegebene Stellungnahme des Deutschen Landwirtschaftsrats; Becker, Die Grundlagen der Einkommensteuer, S. 447, 454). Danach bestand die einzige Zweckbestimmung der Ausschaltung des Grund und Bodens aus dem Bestandsvergleich darin, alle Einflüsse, die sich aus Wertschwankungen des Grund und Bodens im Besitz und auch bei Veräußerungen auf den landwirtschaftlichen Gewinn ergäben, außer Ansatz zu lassen. Es sollten auch die durch die besonderen Bedingungen der Landwirtschaft selbst hervorgerufenen Wertschwankungen des Grundbesitzes, vor allem durch änderungen der Ertragsverhältnisse, nicht berücksichtigt werden können, da ihre Eingliederung in den Bestandsvergleich ein starkes Element der Unsicherheit in die Gewinnberechnung bringen würde und zur Versteuerung von Gewinnen oder zur Berücksichtigung von Verlusten führen würde, die mit dem eigentlichen landwirtschaftlichen Einkommen nichts mehr zu tun hätten (so die Stellungnahme des Reichsministers der Finanzen - RdF - in der Sache VI A 851/32). Auch der Vereinfachungsgedanke dürfte eine Rolle gespielt haben (Kuhn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925 5. Aufl., § 12 Anm. 16).
Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Regelung zur Zeit ihrer Schaffung sachgerecht war. Die angeführten Gründe treffen jedenfalls heute nicht mehr zu. Die Entwicklung ist weniger durch Wertschwankungen als vielmehr durch eine stetige, oft sprunghafte Veränderung der landwirtschaftlichen Grundstückspreise nach oben gekennzeichnet. Blosse Schwankungen des Wertes würden die Ausschaltung bei der Gewinnermittlung unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung rechtfertigen können. Der außerordentliche Anstieg der Grundstückswerte in den letzten Jahrzehnten ist aber nicht mehr durch die Verhältnisse der Landwirtschaft selbst, beispielsweise durch die Ertragsentwicklung, sondern durch die von außen kommende, vermehrte Nachfrage nach Grund und Boden bedingt. Die Verhältnisse liegen insoweit nicht anders als im gewerblichen Bereich.
Es spricht nicht weniger als bei Gewerbetreibenden eine Vermutung dafür, daß Landwirte Teile der Substanz des Grundbesitzes ohne weiteres zur Gewinnerzielung einsetzen. Bei Gewerbetreibenden ist es sogar viel häufiger der Fall, daß der gesamte Grundstücksbestand die notwendige Betriebsunterlage bildet und Teile davon ohne erhebliche Rückwirkung auf den Betrieb nicht veräußert werden können. In diesen zahlreichen Fällen stellt Grundbesitz kein Handelsobjekt dar. Gleichwohl ist die Steuerpflicht der bei seiner Veräußerung erzielten Gewinne selbstverständlich.
Die Willkürlichkeit der Ausschaltung des Werts des Grund und Bodens bei der landwirtschaftlichen Gewinnermittlung zeigt sich besonders in den vielen Fällen, in denen die Grenzen zwischen Landwirtschaft und Gewerbe fließend sind. Beide Einkunftsarten gehen vielfach ineinander über, besonders seit sich die Landwirte zunehmend der Veredelungswirtschaft zuwenden und Erzeugnisse, Futter usw. kaufen. Das zeigen auch die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des landwirtschaftlichen Nebenbetriebs von selbständigen Gewerbebetrieb (vgl. dazu Herrmann-Heuer, a. a. O., Anm. 6 f. zu § 13 EStG).
Ungerechtfertigt ist auch die Differenzierung in der steuerlichen Behandlung der natürlichen Personen, die Landwirtschaft betreiben, und der Kapitalgesellschaften, deren Betriebsgegenstand ebenfalls eine Landwirtschaft ist (§ 6 KStG, § 15 Nr. 1 KStDV in Verbindung mit § 5 EStG, § 16 KStDV, §§ 6, 38 ff. HGB). Die unterschiedliche Besteuerung der Bodengewinne ergibt sich auch hier nicht aus der Natur der Sache. Diese würde vielmehr eine einheitliche Besteuerung der Grundstücksveräußerungsgewinne erfordern. Obgleich die Rechtsform der Kapitalgesellschaft im Bereich der Landwirtschaft bisher noch keine größere Bedeutung erlangt hat, kommt diesem Gesichtspunkt jedoch zumindest grundsätzliche systematische Bedeutung zu.
Die Vorschrift ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, daß Bodenveräußerungsgewinne in der Landwirtschaft reinvestiert werden und daß Landwirte oft zu Veräußerungen gezwungen sind. Denn in diesen Fällen treffen die vor allem für den gewerblichen Bereich entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung zu, nach denen unter gewissen Voraussetzungen die Gewinnverwirklichung dadurch aufgeschoben wird, daß die stillen Reserven auf Ersatzwirtschaftsgüter übertragen werden können, so im Falle des Tausches von wert-, art- und funktionsgleichen Wirtschaftsgütern (vgl. z. B. BFH-Urteile I 169/63 U vom 2. November 1965, BFH 84, 353, BStBl III 1966, 127; I 35/64 vom 6. Oktober 1966, BFH 87, 102, BStBl III 1967, 45) und bei der übertragung stiller Reserven auf Ersatzwirtschaftsgüter in bestimmten Zwangslagen (vgl. z. B. BFH-Urteil IV 406/55 U vom 9. Mai 1957, BFH 65, 74, BStBl III 1957, 261, und die dort angeführte Rechtsprechung). In diesen Fällen würde die Steuerpflicht der Veräußerungsgewinne so lange aufgeschoben bleiben, als die Ersatzwirtschaftsgüter dem Betriebe dienen. In diesem Zusammenhang bemerkt der Senat, daß der Gesetzgeber inzwischen durch den neugeschaffenen § 6 b EStG (seit 1965) in weitestgehendem Umfang die übertragung stiller Reserven - auch für die landwirtschaftliche Gewinnermittlung - zugelassen hat.
Auch in den Fällen der Veräußerung oder Aufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebes ist es willkürlich, Landwirte anders zu behandeln als gewerbliche Unternehmer. Namentlich der Fall der Betriebsveräußerung, der zu einer Realisierung der gesamten in den Wirtschaftsgütern, besonders in Grund und Boden ruhenden stillen Reserven führt, rechtfertigt eine Ausnahme von der Steuerpflicht nicht. Im übrigen haben Landwirte erfahrungsgemäß meist leichter als Gewerbetreibende die Möglichkeit, den Betrieb zu verpachten und dadurch die bei der Veräußerung oder Betriebsaufgabe eintretende Gewinnrealisierung zu vermeiden (vgl. dazu BFH-Urteil IV 114/61 S vom 18. März 1964, BFH 79, 195, BStBl III 1964, 303).
Es lassen sich auch keine anderen Gesichtspunkte erkennen, unter denen die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG als sachlich gerechtfertigt erscheinen könnte. Vor allem kann ein Vergleich mit der Behandlung privater Grundstücksveräußerungsgewinne im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht entscheidend sein. Soweit bei solchen Einkünften ein gewerblicher Einschlag hervortritt, nahm die Rechtsprechung - wie bereits dargelegt - schon bisher gewerbliche Einkünfte an. Noch weniger trifft ein Vergleich mit den bei der Veräußerung von privatem Kapitalvermögen erzielten, steuerfrei bleibenden Gewinnen zu. Denn die Steuerfreiheit dieser Gewinne findet ihr Gegenstück in der Nichtberücksichtigung von Kapitalverlusten, die anders als bei Grund und Boden häufig zu sein pflegen.
Die vom Gesetzgeber durch die Schaffung seines Gewinnermittlungssystems selbst statuierte Sachgesetzlichkeit beruht darauf, daß die Bereiche der betrieblichen und der privaten Einkunftsarten scharf unterschieden werden. Eine steuerliche Erfassung von Bodengewinnen bei Privatpersonen könnte sich nicht auf diese Gewinne beschränken, sondern müßte auf sonstige Kapitalgewinne oder Vermögensmehrungen erstreckt werden (vgl. Gutachten zur Reform der direkten Steuern in der Bundesrepublik Deutschland, erstattet vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium, Schriftenreihe des BdF, Heft 9 (1967) S. 23 ff.). Im besonderen zwingt die Steuerpflicht der landwirtschaftlichen Bodenveräußerungsgewinne einerseits nicht dazu, auch außerbetriebliche Bodengewinne der Einkommensteuer zu unterwerfen, andererseits ist die Einkommensteuerfreiheit außerbetrieblicher Bodengewinne kein zureichender Grund, die Befreiung auch der landwirtschaftlichen Grundstücksveräußerungsgewinne nach § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG für gerechtfertigt zu halten.
VII. Der Gesetzgeber kann ungleiche Regelungen bei der Ausgestaltung des von ihm selbst gewählten Systems nur treffen, soweit sich hierfür einleuchtende Gründe finden lassen. Dieser Grundsatz trifft nicht nur auf belastende, sondern auch auf privilegierende Regelungen zu. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG entbehrt jeder einleuchtenden Begründung. Es erscheint heute willkürlich, daß Bodengewinne von Landwirten unversteuert bleiben. Wirtschafts- oder steuerpolitische Gründe, die auf anderen Gebieten eine Begünstigung landwirtschaftlicher Einkünfte rechtfertigen mögen, können hier nicht vorliegen. Eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verlangt geradezu, daß bei dem heutigen System der Einkommensermittlung auch diese Gewinne der Einkommensteuer unterworfen werden. Die durch die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG bewirkte Ungleichbehandlung bei der Besteuerung betrieblicher Gewinne ist so evident, daß sie nach Auffassung des Senats wesentlich schwerer wiegt als in den Fällen, in denen das BVerfG bisher Steuervorschriften wegen Verstoßes gegen Artikel 3 Abs. 1 GG für nichtig erklären mußte (vgl. BVerfGE 8, 51; 13, 290; 13, 331; 19, 101; 1 BvR 25/64 vom 14. Februar 1967, HFR 1967 S. 214).
VIII. Der Senat ist nicht in der Lage, dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG Rechnung zu tragen und in diesem Rahmen die änderung der Verhältnisse zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes).
Eine verfassungskonforme Auslegung mit dem Ziel, den Gedanken der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Artikel 3 Abs. 1 GG) zur Geltung zu bringen, findet ihre Grenze an dem eindeutigen Wortlaut und Sinn des Gesetzes (BVerfGE 2, 380 (405); 18, 97 (111)). Wortlaut, Sinn und Zweck des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG decken sich. Die Vorschrift wurde, wie oben erörtert, seit jeher dahin verstanden, daß der bei der Veräußerung des zum Anlagevermögen gehörenden Grund und Bodens erzielte Gewinn nicht der Einkommensteuer unterliegt, soweit es sich nicht um Gewinnermittlung nach § 5 EStG oder um das Vorliegen eines Spekulationsgewinns (§ 23 EStG) handelt. Eine Diskrepanz zwischen dem vom Gesetz Gewollten und dem im Gesetz zum Ausdruck Gekommenen liegt nicht vor. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Rechtsprechung befugt ist, dem Sinn und Zweck eines Gesetzes entgegen dessen klaren Wortlaut Geltung zu verschaffen. Für eine verfassungskonforme Auslegung gegen den Wortlaut könnte jedenfalls nur Raum sein, wenn Sinn und Zweck des Gesetzes nicht im Wortlaut zum Ausdruck kämen. Da diese Voraussetzung bei § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG nicht erfüllt ist, würde die Rechtsprechung ihre Befugnisse überschreiten, wenn sie dieser Vorschrift einen mit Artikel 3 Abs. 1 GG zu vereinbarenden Inhalt gäbe. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG muß deshalb zum Gegenstand einer Normenkontrolle gemacht werden.
IX. Der Senat ist nicht befugt, die Verfassungswidrigkeit des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG in eigener Zuständigkeit festzustellen (Artikel 100 Abs. 1 GG). Die Vorschrift wurde zwar vom vorkonstitutionellen Gesetzgeber erlassen. Sie wurde jedoch in den Willen des nachkonstitutionellen Gesetzgebers aufgenommen. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist in diesem Falle das Gericht verpflichtet, die Entscheidung des BVerfG einzuholen (vgl. BVerfGE 6, 55 (65) und seither). Es ist nicht erforderlich, daß sich der Bestätigungswille des nachkonstitutionellen Gesetzgebers aus dem von ihm erlassenen Gesetz selbst ergibt; vielmehr genügt es, wenn sich dieser Wille aus dem engen sachlichen Zusammenhang zwischen unveränderten und geänderten Normen erschließen läßt (BVerfGE 11, 126 (131); 18, 216 (220)). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
Durch das StNG vom 16. Dezember 1954 wurde in Abs. 1 des § 4 EStG die der bisherigen Judikatur entsprechende Bestimmung eingefügt, daß die Vorschriften über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen sind. Da die gesetzliche Regelung im übrigen unverändert blieb, bedeutete die Gesetzesergänzung eine Bestätigung der gesamten bisherigen Regelung der Gewinnermittlung und damit auch des folgenden, die Ausschaltung des Wertes von Grund und Boden betreffenden Satzes. Soweit der (nackte) Grund und Boden im Sinn der ständigen steuergerichtlichen Rechtsprechung - also ohne Bodenschätze und stehende Früchte - in Betracht kommt, ist für eine Absetzung für Substanzverringerung kein Raum. Da zwischen der Regelung der Absetzung für Substanzverringerung und der Behandlung des Grund und Bodens ein enger sachlicher Zusammenhang besteht, liegt in dieser Gesetzesergänzung eine Bestätigung der bisherigen Auffassung über die Tragweite des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG, der damit als in den Willen des Gesetzgebers aufgenommen anzusehen ist.
X. Der Senat kann schließlich nicht deshalb von der Vorlage an das BVerfG absehen und die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG als gültig behandeln, weil im Falle ihrer Nichtigerklärung die Verwaltung möglicherweise eine sogenannte Härteregelung (Anpassungsregelung nach § 131 AO) in Erwägung ziehen würde. Denn dieser Gesichtspunkt kann allenfalls dann Bedeutung haben, wenn nach der Sachlage nur eine bestimmte Härteregelung in Betracht kommt (vgl. BFH-Urteil IV 11/64 S). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Soweit in Fällen der vorliegenden Art für Anpassungsregelungen überhaupt Raum ist, könnten diese jedenfalls unterschiedlichen Inhalt haben. Dem Ermessen der Verwaltung ist hier ein Spielraum gegeben. Die zutreffende Regelung könnte jedenfalls nicht in einer generellen Aufrechterhaltung des Inhalts des bisherigen § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG bestehen.
Fundstellen
Haufe-Index 412709 |
BStBl III 1967, 601 |
BFHE 1967, 264 |
BFHE 89, 264 |
BB 1967, 1154 |
DB 1967, 1748 |
DStR 1967, 645 |