Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Die von den Beteiligten bei der Rückerstattung erstrebte Zielsetzung führt nur dann zur Steuerfreiheit, wenn diese Zielsetzung den vom Rückerstattungsgesetz vorgesehenen Möglichkeiten der Rückerstattung entspricht.
Normenkette
GrEStG § 1/1/1; AmerikREG 91
Tatbestand
Die zwei Teilhaber einer OHG verkauften 1938 im Zuge der Arisierung ihr in dieser Gesellschaftsform betriebenes Unternehmen an eine andere OHG. Die Rückerstattungsberechtigten (Erben) machten Rückerstattungsansprüche geltend. Im Rückerstattungsverfahren wurde vor der Wiedergutmachungsbehörde am 18. Januar 1949 ein Teilvergleich abgeschlossen. Hiernach übertrugen die Rückerstattungsverpflichteten - ausgehend von der Nichtigkeit des früheren Kaufes - den Sachinbegriff des von der früheren OHG betriebenen Fabrikations- und Handelsgeschäfts in seinem gegenwärtigen Zustand auf die Rückerstattungsberechtigten und beantragten und bewilligten die Berichtigung des Grundbuchs hinsichtlich der zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücke. Unter dem 27. Januar 1949 errichteten die Rückerstattungsberechtigten eine GmbH (Beschwerdegegnerin - Bgin. -). Ihrer Zahlungsverpflichtung aus der übernahme der Stammanteile kamen sie dadurch nach, daß sie u. a. die zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücke einbrachten. In einem Zusatzvergleich vom 4. September 1950 vor der Wiedergutmachungskammer wurde erklärt, daß die in Frage stehenden "Grundstücke den Rückerstattungsberechtigten zu Eigentum zustehen", die sie für die in Gründung befindliche GmbH erwerben.
Streitig ist die Grunderwerbsteuer für die übertragung der Grundstücke auf die neuerrichtete GmbH. Die Vorinstanz verneint die für den Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes an sich gegebene Steuerpflicht. Er sei im Hinblick auf Art. 91 des amerikanischen Rückerstattungsgesetzes steuerbefreit. Die Vorentscheidung führt aus: Maßgebend sei, ob sich die Einbringung der Grundstücke in die GmbH noch im Rahmen der Rückerstattung vollziehe oder ob es sich um einen Vorgang handle, der außerhalb der Rückerstattung eine Neuordnung der Verhältnisse der Rückerstattungsberechtigten darstelle. Entscheidend hierfür sei die Willensrichtung der Beteiligten. Diese hätten von Anfang an das Bestreben gehabt, ihre Ansprüche aus dem Rückerstattungsgesetz so zu regeln, wie es ihren geschäftlichen Bedürfnissen am besten entsprach, also unter Errichtung einer GmbH. Die Rückerstattungsberechtigten, die Gesellschafter der GmbH, seien wirtschaftlich als Treuhänder der künftigen GmbH anzusehen. Hieraus rechtfertige sich die Auffassung, der Vorgang liege noch im Rahmen der Rückerstattung. Ohne Bedeutung sei, ob die Grundstücke, die einer OHG entzogen, wieder einer OHG zugeführt würden oder ob eine andere Gesellschaftsform, im Streitfalle die GmbH, als Nachfolgeorganisation zur übernahme der Grundstücke gebildet würde.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Vorsteher des Finanzamts) wendet sich in der Rechtsbeschwerde hiergegen. Er hat Erfolg.
Die Bgin. beruft sich zu Unrecht auf Art. 91 des Rückerstattungsgesetzes, nach welchem Steuern aus Anlaß der Rückerstattung nicht erhoben werden. Voraussetzung der Steuerbefreiung ist, daß es sich um Maßnahmen handelt, die das Rückerstattungsgesetz selbst als Möglichkeiten der Rückerstattung vorsieht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs II 135/50 S vom 30. Januar 1951, Slg. Bd. 55 S. 104, Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 41; II 154/52 U vom 24. Juni 1953, das zur Veröffentlichung im BStBl. III freigegeben ist). Wählen die Beteiligten eine andere Maßnahme, so können sie diese Vergünstigung nicht in Anspruch nehmen, selbst wenn sie die von ihnen getroffene Regelung als Voraussetzung der gütlichen Einigung ansehen oder als Ziel der Rückerstattung erstreben. Irrig ist die Auffassung der Vorinstanz, diesem Gesichtspunkt komme eine Bedeutung zu. Die Errichtung einer GmbH (zur Verwaltung und Verwertung von Grundstücken ... vgl. § 2 des Gesellschaftsvertrages) ist unter den vielfältigen Möglichkeiten des Rückerstattungsgesetzes als Rückerstattungsmaßnahme für den streitigen Entziehungstatbestand nicht vorgesehen. Ihre Errichtung konnte nur in Betracht kommen, wenn z. Zt. der Entziehung der zurückzuerstattenden Vermögensgegenstände eine solche Gesellschaft bestand und mit der Rückerstattung die Herstellung des alten Zustandes erreicht würde, nämlich des Zustandes, daß der Erstattungsberechtigte wieder Gesellschafter der GmbH wird und die entzogenen Gegenstände wieder in das Vermögen der GmbH gelangen. Dieses ist aber vorliegend nicht der Fall, da z. Zt. der Entziehung keine GmbH, sondern eine offene Handelsgesellschaft bestand. Es handelt sich demnach, soweit die Errichtung einer GmbH in Frage kommt, um eine Regelung, die mit der Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände (Art. 1 a. a. O.) nichts zu tun hat. Sie wird auch nicht zu einer nach Art. 91 a. a. O. steuerlich begünstigten Rückerstattung, weil die Wiedergutmachungsinstanzen mitgewirkt haben. Die neu errichtete GmbH kann weiterhin nicht etwa als Nachfolgeorganisation im Sinne des Art. 8 a. a. O. angesehen werden, wie es anscheinend die Auffassung der Vorinstanz ist. Die GmbH ist keine Nachfolgeorganisation im Sinne des Rückerstattungsgesetzes. Nachfolgeorganisation für die amerikanische Zone ist bisher nur die JRSO vgl. Ausführungsverordnung Nr. 3 zum Rückerstattungsgesetz. Hätte eine Nachfolgeorganisation den Anspruch mit Recht geltend gemacht, so hätte der ursprünglich Berechtigte zudem nicht mehr rechtserhebliche Vergleiche abschließen können. Irgendwelche Ansprüche aus dem Rückerstattungsgesetz stehen der GmbH nicht zu. Sie ist nicht Rechtsnachfolgerin im Sinne des Art. 7 a. a. O. Die Rückerstattungsberechtigten sind auch nicht, wie sie von der Vorinstanz bezeichnet werden, wirtschaftliche Treuhänder der künftigen GmbH.
Es ist den Rückerstattungsberechtigten unbenommen, diejenige Gestaltung für die übernommenen Vermögenswerte zu wählen, die ihnen am zweckmäßigsten erscheint. Daß die Rechtsform der GmbH im Streitfall aus Zweckmäßigkeitsgründen gewählt wurde, liegt in den Verhältnissen, die in der Person der Rückerstattungsberechtigten (Wohnsitz im Ausland) begründet sind. Das Gesetz berücksichtigt zwar die Verhältnisse z. Zt. der Rückerstattung insoweit, als Veränderungen der wirtschaftlichen Struktur der entzogenen Vermögensmasse beachtet werden (Art. 22 ff. a. a. O.); Umstände aber, die z. Zt. der Rückerstattung in der Person des Rückerstattungsberechtigten liegen, z. B. sein dauernder Aufenthalt im Ausland, bei einer Rechtsnachfolge z. B. Unkenntnis der Branche, werden von dem Rückerstattungsgesetz nicht gewertet. Dieses Gesetz (eine lex specialis) regelt nur die reinen Fragen der Rückerstattung, nicht aber darüber hinausgehende Wiedergutmachungs- (Entschädigungs-) fragen anderer Art (vgl. hierzu auch das Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs II 21/49 S vom 26. November 1949, BStBl, 1953 III S. 128, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen - Bay. FMBl. - 1950 S. 12 und Amtsblatt des Württ.- Bad. Finanzministeriums - WüBadFAmtsbl. 1949 S. 468). Es sei noch auf die Entscheidung des Board of Review Herford, vom 17. Oktober 1951 - BOR 51/87 (Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht 1952 S. 13) hingewiesen: "Das Gesetz der Militärregierung Nr. 59 ist, wie wir schon früher Anlaß hatten zu bemerken, ein Rückerstattungsgesetz und nicht ein Entschädigungsgesetz". Diese Entscheidung bezieht sich zwar auf das britische Rückerstattungsgesetz. Sie hat jedoch die gleiche Bedeutung auch für das amerikanische Rückerstattungsgesetz.
Die Steuervergünstigung nach Art. 91 a. a. O. kommt demnach für solche Rechtsgeschäfte, die der Rückerstattungsberechtigte bei der Wiederherstellung seiner früheren Privatrechte aus eigenem Entschluß (aus Zweckmäßigkeitsgründen) mit diesen Rechten - sei es bei ihrer Wiederherstellung oder erst später - tätigt, nicht in Betracht, wenn die Wiederherstellung zu einer anderen Regelung führt, als zu Maßnahmen, die das Rückerstattungsgesetz selbst als Möglichkeiten der Rückerstattung vorsieht. Die früheren Urteile (vgl. Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs II 10/50 U vom 21. März 1950, BayFMBl. 1950 S. 150 und WüBadFAmtsbl. 1950 S. 268) vertreten die gleiche Auffassung. Sie lassen die steuerliche Vergünstigung des Art. 91 a. a. O. nur für Maßnahmen im Rahmen der Möglichkeiten des Rückerstattungsgesetzes zu. Die diesen Urteilen zugrunde liegenden Tatbestände zeigen, daß z. Zt. der Entziehung bereits eine Kapitalgesellschaft vorhanden war. Eine Regelung, die in Anwendung der Möglichkeiten des Rückerstattungsgesetzes, die Wiederherstellung alter Privatrechte stufenweise, also erst nach und nach erreicht, schließt die Steuerbefreiung des Art. 91 a. a. O. nicht aus, vorausgesetzt, daß dieses Ziel von vornherein feststand. Machen die Beteiligten bei der Wiederherstellung alter Privatrechte von den Möglichkeiten des Rückerstattungsgesetzes keinen Gebrauch, treffen sie vielmehr andere Maßnahmen, so kann die Steuerbefreiung nicht Platz greifen. Das Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs I D 2/50 S vom 22. August 1950, BayFMBl. 1950 S. 549 und WüBadFAmtsbl. S. 466, das u. a. ausführt, das Rückerstattungsgesetz gewähre die Steuerfreiheit nicht lediglich für einzelne formelle Vorgänge im Zuge der Rückerstattung, sondern spreche von dem ganzen rechtlichen und wirtschaftlichen Vorgang der Rückerstattung, steht dieser Auffassung nicht entgegen. Der gesamte rechtliche und wirtschaftliche Vorgang kann aber bei der Anwendung des Art. 91 a. a. O. nur berücksichtigt werden, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die, wie bereits ausgeführt, im Rückerstattungsgesetz selbst als Möglichkeiten vorgesehen sind und wenn das Ziel von vornherein bereits feststand.
Das Urteil unterlag daher der Aufhebung. Der Streitfall ist nicht spruchreif, da auch die Höhe der Grunderwerbsteuer noch bestritten wird. Er war an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Bei der weiteren Behandlung ist entsprechend den vorstehenden Ausführungen davon auszugehen, daß die Steuerpflicht für den in Frage stehenden Rechtsvorgang dem Grunde nach gegeben ist.
Fundstellen
Haufe-Index 407708 |
BStBl III 1953, 227 |
BFHE 1954, 594 |
BFHE 57, 594 |