Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Tragweite des Urteils des Bundesfinanzhofs III 35/51 U vom 19. Juli 1951 (Bundessteuerblatt 1951 Teil III S. 176) über den Begriff des Einfamilienhauses.
Normenkette
BewDV § 32 Abs. 1 Ziff. 4; BewG § 75/1/4; BewG § 75/5
Tatbestand
Die beschwerdeführende Erbengemeinschaft hat Art- und Wertfortschreibung für ihr bebautes Grundstück in X. auf den 1. Januar 1948 bzw. 21. Juni 1948 beantragt. Das Gebäude ist 1939 als Einfamilienhaus errichtet. Für die Erbengemeinschaft wird vorgebracht, daß das Haus bereits am 1. Januar 1948 den Charakter als Einfamilienhaus verloren habe, da es an diesem Tag von mehreren Parteien bewohnt und nicht damit zu rechnen gewesen sei, daß es wieder Einfamilienhaus werden würde. Eine örtliche Besichtigung durch den Vorsitzenden der Kammer des Finanzgerichts im Beisein der Beteiligten ergab folgendes: Am 21. Juni 1948 wohnten sechs Parteien, darunter eine siebenköpfige Familie, die inzwischen ausgezogen ist, in dem Hause. Ein im ersten Stock gelegenes Zimmer ist nach ihrem Auszug in eine Küche umgebaut worden. Die neue Küche wurde der Mietpartei M. überlassen. Diese hat außerdem zwei ineinandergehende Zimmer und ein weiteres getrenntes Zimmer inne. Die Zimmer sind von der Küche durch den Flur getrennt. Weitere Zimmer sind an Einzelmieter vermietet, die keine Nebenräume haben, und von denen eine Untermieterin eine Verwandt der zur beschwerdeführenden Erbengemeinschaft gehörenden Witwe E. ist, die dieser im Haushalt zur Hand geht. Frau E. bewohnt im Erdgeschoß zwei große Zimmer nebst Küche und Bad. Die übrigen Mitglieder der beschwerdeführenden Erbengemeinschaft wohnen nicht im Hause. Zwei nach der Zwangsbelegung des Hauses eingerichtete am 21. Juni 1948 noch vorhanden gewesene Notküchen sind inzwischen wieder beseitigt worden.
Die beantragte Fortschreibung des Einheitswertes wurde abgelehnt. Einspruch und Berufung sind als unbegründet zurückgewiesen worden. Das Finanzgericht hat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, Obersten Finanzgerichtshofs und Bundesfinanzhofs, insbesondere des Urteils des erkennenden Senats III 35/51 U (Bundessteuerblatt - BStBl. - 1951 Teil III S. 176) vom 19. Juli 1951, zum Begriff des Einfamilienhauses Stellung genommen. Das Urteil führt aus: Ausgangspunkt für die Beurteilung sei, ob in dem Haus der Beschwerdeführerin am Stichtag eine oder mehrere Dauerwohnungen (ß 32 Abs. 1 Ziff. 4 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz - BewDV -) vorhanden gewesen seien. Maßgebend für die Anerkennung einer Unterkunft als Wohnung sei die Verkehrsauffassung. Infolge der Wohnungsnot nach der Kapitulation seien zwar geringere Anforderungen an den Wohnungsbegriff zu stellen als früher. Immerhin müsse mindestens verlangt werden, daß eine Mietpartei in den von ihr gemieteten Räumen eigenes Familienleben entfalten und eigenen Haushalt führen könne. Es könne also auch in den seit Kriegsende bestehenden Zeiten der Wohnungsnot keineswegs jedes zu Wohnzwecken dienende Zimmer im Sinne obiger Vorschrift bereits als Wohnung gelten. Auch sei die bauliche Gestaltung nicht ganz bedeutungslos, wenn sie auch allein für die Entscheidung, ob Einfamilienhaus oder Mietwohngrundstück vorliege, nicht ausschlaggebend sei. Im übrigen seien die örtlichen Wohnraumverhältnisse in Betracht zu ziehen. In X. lägen die Wohnverhältnisse weniger ungünstig als in dem vom Bundesfinanzhof in dem Urteil III 35/51 U entschiedenen Falle. Es komme hinzu, daß das Gebäude der Beschwerdeführerin in der bevorzugtesten Wohngegend liege, in der sich ausschließlich Gartenhäuser befänden, die durchaus überwiegend dem Wohnbedürfnis der wohlhabenden Bevölkerungsschicht dienten. In dieser Gegend verlören die dort befindlichen Gebäude ihren Charakter als Einfamilienhäuser durch Zwangseinweisung Obdachloser und den dadurch hervorgerufenen, allseits als auf die Dauer untragbar empfundenen Notzustand jedenfalls solange nicht, als der Eigentümer diesen Zustand nicht dadurch zumindest in einem gewissen Umfange legitimiere, daß er ihm durch bauliche Maßnahmen irgendwie Rechnung trage. Die Mieter einzelner Räume in solchen Gebäuden hätten diese, soweit es sich nicht um Einzelpersonen handelte, auch durchweg nur als Notunterkunft angesehen, die sie baldigst gegen eine wirkliche Wohnung, in der sie ein eigenes Familienleben entfalten könnten, umzutauschen oder aufzugeben trachteten. Unter Beachtung dieser Umstände sei das Vorhandensein mehrerer Wohnungen in dem Grundstück der Beschwerdeführerin am Stichtag zu verneinen. Es sei nur eine Wohnung vorhanden gewesen, die der zur beschwerdeführenden Erbengemeinschaft gehörenden Witwe E. Die daneben vermieteten Einzelzimmer seien lediglich Notunterkünfte, nicht aber Wohnungen. Eine zweite Wohnung sei in dem Hause erst durch den Umbau im Jahre 1949/1950 geschaffen worden. Selbst wenn man aber die am Stichtag von den fünf Mietern bewohnten Einzelräume als Wohnungen im Sinne des § 32 Abs. 1 Ziff. 4 BewDV gelten lassen wolle, werde die Eigenschaft des Hauses der Beschwerdeführerin als Einfamilienhaus dadurch nicht beeinträchtigt, weil mit dem dauernden Bestand dieser Wohnungen nicht gerechnet werden könne. Zur Begründung dieser Ansicht weist das Finanzgericht darauf hin, daß das Haus 1939 in modernem, sachlichen Stil erbaut, gut erhalten und nicht mit übermäßig großen Räumen ausgestattet sei. Es sei deshalb wahrscheinlich künftig leichter als Einfamilienhaus als als Mietwohngrundstück zu verwerten. Schon gegenwärtig seien viele Eigentümer derartiger Häuser in dieser Gegend bemüht, ihre Untermieter freizubauen oder freizukaufen, wozu auch die Steuerbegünstigung des § 7 c des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anreiz geboten habe.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) macht, wie schon in der Berufungsinstanz, geltend, daß der 1950 vorgenommene Umbau bereits vor dem 21. Juni 1948 geplant gewesen sei. Durch Vornahme des Umbaues habe der Eigentümer seine bereits früher bestehende Absicht auf Umwandlung des Einfamilienhauses in ein Mietwohngrundstück bewiesen. Ferner überschätze das Finanzgericht die Vorzüge der in Frage kommenden Wohngegend, die durch Maßnahmen der Besatzungsmacht aus einer einstmals ruhigen zu einer sehr lauten Straße geworden sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann nicht zum Erfolg führen.
Den zutreffenden Ausführungen des Finanzgerichts ist zuzustimmen. Dies gilt insbesondere, soweit sich das Urteil mit dem Inhalt und der Tragweite des Urteils des Senats III 35/51 U befaßt. Zur Annahme einer Wohnung gehört, daß die Mietpartei in den ihr zur Verfügung stehenden Räumen eigenen Haushalt und eigenes Familienleben führen kann. Ob dies bei vermieteten Wohnräumen ohne eigene Küche, Bad usw. der Fall ist, ist Tatfrage. In Zweifelsfällen muß, wie das angeführte Urteil dargelegt hat, auf die Verkehrsauffassung und die besonderen örtlichen Verhältnisse Rücksicht genommen werden. An Einzelpersonen vermietete Zimmer erfüllen regelmäßig nicht die Voraussetzungen, die für Anerkennung einer Wohnung im Sinne des § 32 Abs. 1 Ziff. 4 a. a. O. zu stellen sind. Dies gilt insbesondere von der Vermietung möblierter Zimmer. Zu beachten ist im übrigen, daß sich das mehrfach erwähnte Urteil des Senats auf einen wohnraummäßig in besonders ungünstiger Lage befindlichen Kreis bezog und die Möglichkeit, daß in anderen Gegenden schärfere Anforderungen an den Begriff der Wohnung gestellt werden können, ausdrücklich bejaht hat. Das angefochtene Urteil des Finanzgerichts steht mit seinen Ausführungen über den Inhalt und die Tragweite des Urteils III 35/51 U im Einklang mit den vorstehend dargelegten Grundsätzen. Die Feststellung, daß am Stichtag in dem Hause der Beschwerdeführerin nicht mehrere Wohnungen vorhanden waren, läßt keinen Rechtsirrtum oder sonstigen Rechtsbeschwerdegrund erkennen. Der im Jahre 1950 durchgeführte Umbau, der nach Auffassung des Finanzgerichts zur Herstellung einer zweiten Wohnung in dem Hause führte, wirkt nicht auf den Stichtag vom 1. Januar 1948 bzw. 21. Juni 1948 zurück, selbst wenn zu diesem Zeitpunkt der Umbau vom damaligen Grundstückseigentümer bereits beabsichtigt gewesen sein sollte. Das weitere Vorbringen der beschwerdeführenden Erbengemeinschaft, daß die Lage ihres Hauses weniger bevorzugt sei, als von der Vorinstanz angenommen, richtet sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts, die von diesem in für den Bundesfinanzhof bindender Weise (ß 288 der Reichsabgabenordnung) getroffen worden sind. Die Rb. war hiernach mit der Kostenfolge des § 307 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407470 |
BStBl III 1952, 251 |
BFHE 1953, 652 |
BFHE 56, 652 |