Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung; Grundsatz der anteiligen Tilgung bei Verspätungszuschlägen für Lohnsteueranmeldungen
Leitsatz (amtlich)
Für die Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für Verspätungszuschläge gilt der Grundsatz der anteiligen Tilgung auch dann, wenn er die Lohnsteueranmeldungen pflichtwidrig nicht oder nicht rechtzeitig abgegeben hat.
Normenkette
AO 1977 § 69 Sätze 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) nahm den Kläger und Revisionskläger (Kläger) als ehemaligen Geschäftsführer einer GmbH für rückständige Lohnsteuer, Kirchenlohnsteuer, Solidaritätszuschläge und Verspätungszuschläge in Haftung. Nach erfolglosem Einspruch hat das Finanzgericht (FG) den Haftungsbescheid sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung insoweit aufgehoben, als das FA den Kläger für die Lohnsteueransprüche, Kirchenlohnsteuer sowie Solidaritätszuschlag in Anspruch genommen hatte; es hielt jedoch die Inhaftungnahme für die Verspätungszuschläge zu den Lohnsteueranmeldungen für Oktober 1994 bis Juni 1995 in voller Höhe für gerechtfertigt. Die Haftung für die infolge der verspäteten Abgabe der Lohnsteueranmeldungen festgesetzten Verspätungszuschläge folge aus § 69 i.V.m. § 37 der Abgabenordnung (AO 1977), da es sich bei den steuerlichen Nebenleistungen um Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis handele.
Mit der Revision rügt der Kläger die fehlerhafte Auslegung von § 69 Satz 1 AO 1977 i.V.m. § 37 Abs. 1 und § 3 Abs. 3 AO 1977. Das FG habe verkannt, dass die Haftung nach § 69 AO 1977 ―außer für die Lohnsteuer― nur in dem Umfang in Betracht komme, als die Pflichtverletzung des Vertretenden für die Nichterfüllung steuerlicher Ansprüche des Vertretenen kausal gewesen sei (Grundsatz der anteiligen Tilgung).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG abzuändern und den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung insgesamt aufzuheben,
hilfsweise, das angefochte Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt hinsichtlich der Klage wegen der Haftung für die Verspätungszuschläge zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Gemäß § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO 1977 haften die gesetzlichen Vertreter einer GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind. Dabei erstreckt sich die Vertreterhaftung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch auf die steuerlichen Nebenleistungen i.S. des § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 3 AO 1977; also auch auf die Verspätungszuschläge, die infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung nicht erfüllt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 22. Februar 1980 VI R 185/79, BFHE 130, 128, BStBl II 1980, 375, m.w.N.).
Als alleiniger Geschäftsführer der GmbH gehört der Kläger zu dem in § 34 Abs. 1 AO 1977 genannten Personenkreis. Damit war er verpflichtet, bis zum 10. Tag nach Ablauf eines jeden Voranmeldungszeitraumes (Kalendermonat) für die Anmeldung und Abführung der von der GmbH einbehaltenen Lohnsteuer/Kirchenlohnsteuer und Solidaritätszuschläge an das FA zu sorgen (§ 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung ―GmbHG―; § 34 Abs. 1 AO 1977; § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―). Dieser Verpflichtung zur fristgerechten Abgabe einer Steuererklärung, in der er die Summe der im Lohnsteueranmeldungszeitraum einzubehaltenden und abzuführenden Lohnsteuer der GmbH anzugeben hatte (Lohnsteueranmeldung), ist der Kläger nicht nachgekommen, weshalb gegenüber der vertretenen GmbH Verspätungszuschläge festgesetzt worden sind (§ 152 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 AO 1977). Für diese Verspätungszuschläge haftet der Kläger (§ 69 i.V.m. § 34 Abs. 1, § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 3 AO 1977), soweit sie infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Verpflichtung zur Begleichung dieser Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht erfüllt worden sind (Senatsurteile vom 24. Februar 1987 VII R 4/84, BFHE 149, 125, BStBl II 1987, 363, und vom 26. Juli 1988 VII R 83/87, BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859, 860).
2. a) Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BFH beschränkt sich die Haftung nach § 69 Satz 1 AO 1977 dem Umfang nach auf den Betrag, der infolge der vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder entrichtet worden ist. Die Vorschrift hat somit Schadensersatzcharakter (vgl. BFH in BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859, 860; BFH-Urteil vom 5. September 1989 VII R 61/87, BFHE 158, 13, BStBl II 1989, 979, 980, sowie BFH-Beschluss vom 11. Juni 1996 I B 60/95, BFH/NV 1997, 7; Klein/ Rüsken, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 69 Anm. 3; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 69 AO 1977 Rz. 17). Die Höhe der Haftung ergibt sich daher unabhängig vom Grad des Verschuldens grundsätzlich allein aus der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den bei dem Fiskus eingetretenen Vermögensschaden. Danach ist die Haftung nach § 69 AO 1977 dem Umfang nach auf den Betrag beschränkt, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet worden ist (zur Kausalität vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1988 I R 129/83, BFH/NV 1989, 409, 410). Stehen zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt ausreichende Mittel nicht zur Verfügung, so bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das FA gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 158, 13, BStBl II 1989, 979; vom 14. Juli 1987 VII R 188/82, BFHE 150, 312, BStBl II 1988, 172, und vom 17. Juli 1985 I R 205/80, BFHE 144, 329, BStBl II 1985, 702).
Diese zur Haftung nicht entrichteter Umsatzsteuer entwickelten Grundsätze gelten auch für die übrigen Steuern ―mit Ausnahme der Lohnsteuer― und grundsätzlich auch für Nebenleistungen (vgl. BFH-Urteile vom 7. November 1989 VII R 34/87, BFHE 159, 106, BStBl II 1990, 201; vom 12. Mai 1992 VII R 52/91, BFH/NV 1992, 785, zur Haftung für Körperschaftsteuer, und in BFHE 144, 329, BStBl II 1985, 702, betreffend die Haftung für Umsatzsteuer und inzident auch für Säumniszuschläge; s. auch FG des Saarlandes, Urteil vom 27. September 1990 2 K 14/86, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1991, 294, für Säumniszuschläge; Prugger, GmbH-Geschäftsführerhaftung im Stichtagsprinzip, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1988, 539; Spriegl/ Jokisch, Die steuerliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers und der Grundsatz der anteiligen Tilgung, DStR 1990, 433).
b) Die gleiche rechtliche Beurteilung gilt auch, wenn es sich um festgesetzte, aber nicht entrichtete Verspätungszuschläge wegen verspäteter Abgabe von Lohnsteueranmeldungen handelt. § 69 Satz 1 AO 1977 lässt entgegen der Auffassung des FA hinsichtlich der Verspätungszuschläge wegen verspäteter oder nicht abgegebener Lohnsteueranmeldungen keinen gegenteiligen Schluss zu. Von dieser Vorschrift sind als Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis auch die Ansprüche des Staates auf Zahlung steuerlicher Nebenleistungen erfasst, die infolge der Pflichtverletzung der gesetzlichen Vertreter nicht verwirklicht werden konnten (vgl. § 69 Satz 1 i.V.m. § 37 Abs. 1 und § 3 Abs. 3 AO 1977; BFH-Urteil in BFHE 149, 125, BStBl II 1987, 363). Eine Differenzierung danach, zu welcher Steuerart die Verspätungszuschläge festgesetzt worden sind, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und ergibt sich auch nicht anderweit.
3. Zu Unrecht sind FA und FG davon ausgegangen, dass der Geschäftsführer verpflichtet sei, die Mittel der GmbH vorrangig ―also vor Befriedigung anderer Gläubiger― zur Tilgung der Verspätungszuschläge zur Lohnsteuer einzusetzen. Diese Erwägungen beruhen ersichtlich auf den für die Lohnsteuerhaftung maßgebenden Grundsätzen, wonach sich die Höhe der Haftungsschuld an der Verpflichtung des Arbeitgebers orientiert, von den Einkünften der Arbeitnehmer durch Abzug vom Arbeitslohn die Lohnsteuer einzubehalten und an das FA abzuführen (§§ 38, 41a EStG). Diese Abzugsteuern sind als treuhänderisch verwaltete Fremdgelder stets vorrangig vor sonstigen Verbindlichkeiten an das FA abzuführen. Demnach können etwaige Liquiditätsschwierigkeiten der Gesellschaft den Geschäftsführer nicht von seiner Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer befreien. Falls die zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vollen Löhne einschließlich des Steueranteils nicht ausreichen, darf der Geschäftsführer die Löhne nur gekürzt auszahlen und muss aus den übrig gebliebenen Mitteln die darauf entfallende Lohnsteuer an das FA abführen. Nach der Rechtsprechung des BFH handelt der Geschäftsführer zumindest grob fahrlässig, wenn er seiner Verpflichtung zur gleichrangigen Befriedigung der Arbeitnehmer hinsichtlich der Löhne und des FA wegen der darauf entfallenden Lohnsteuer nicht nachkommt (vgl. Urteile des BFH vom 29. Mai 1990 VII R 81/89, BFH/NV 1991, 283; in BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859; vom 6. März 1990 VII R 63/87, BFH/NV 1990, 756, und vom 20. April 1993 VII R 67/92, BFH/NV 1994, 142).
Die Orientierung der Haftungssumme an den ausgezahlten Löhnen, auch bei Liquiditätsschwierigkeiten der Gesellschaft, rechtfertigt sich daraus, dass die abzuführende Lohnsteuer Teil des geschuldeten Bruttoarbeitslohnes ist, den der Arbeitgeber treuhänderisch für den Arbeitnehmer und den Steuergläuber einzuziehen hat (vgl. Senatsurteil vom 20. April 1982 VII R 96/79, BFHE 135, 416, BStBl II 1982, 521). Im Grunde handelt es sich bei den Lohnsteuerabzugsbeträgen um Fremdgelder, die die Liquidität der von dem Geschäftsführer vertretenen GmbH nicht berühren und deshalb zur Abführung an das FA bereitzuhalten sind.
Diese Grundsätze zur unbeschränkten Haftung des Geschäftsführers in Höhe der angemeldeten, nach den geschuldeten Bruttolöhnen berechneten Steuerabzugsbeträgen können bei unzureichender Liquidität der Gesellschaft nicht auf den wegen der Nichterfüllung der Verpflichtung zur rechtzeitigen Anmeldung der Lohnsteuer festgesetzten Verspätungszuschlag übertragen werden. Für diesen Anspruch fehlt es an der den Lohnsteuerabzug prägenden unmittelbaren Verknüpfung zwischen der abzuführenden Steuer und den infolge des einbehaltenen Steueranteils jeweils verfügbaren Mitteln des Steuerschuldners (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776).
4. Für die Verspätungszuschläge kommt daher die Beschränkung der Haftung nach den Grundsätzen zur anteiligen Tilgung in Betracht.
Wegen des Schadensersatzcharakters der Haftung nach § 69 Satz 1 AO 1977 kann die Haftung für den Verspätungszuschlag nicht weiterreichen, als dem Fiskus durch die dem Vertreter zuzurechnende Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist (vgl. Senatsurteil vom 5. März 1991 VII R 93/88, BFHE 164, 203, BStBl II 1991, 678). Die in §§ 34, 35 AO 1977 bezeichneten Personen haften gemäß § 69 Satz 1 AO 1977 für die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, die infolge ihrer schuldhaften Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Voraussetzung für die Begründung des Haftungsanspruchs ist danach, dass der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, für den gehaftet wird, vor Begehung der Pflichtverletzung entstanden, aber für den Steuergläubiger wegen der pflichtwidrig verspäteten Abgabe der Steuererklärung mangels zeitnaher Festsetzung nicht rechtzeitig realisierbar gewesen ist oder, dass der bereits festgesetzte Anspruch aufgrund einer Pflichtverletzung nicht erfüllt werden konnte und dadurch ein Vermögensschaden eingetreten ist. Eine vor Entstehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis begangene Pflichtverletzung ist dagegen nicht ursächlich i.S. des § 69 Satz 1 AO 1977 für einen erst nach Entstehung des Anspruchs infolge dessen Nichterfüllung entstandenen Schaden (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 69 AO 1977 Rz. 44).
Deshalb wirkt sich auch die bei der verspäteten bzw. Nichtabgabe der Lohnsteueranmeldung begangene schuldhafte Pflichtverletzung auf die Haftung für einen später festgesetzten und dann nicht erfüllten Verspätungszuschlag nicht aus. Anders als die Lohnsteuer, die unabhängig von der Abgabe der Lohnsteueranmeldung mit Zufluss des Arbeitslohns bei dem Arbeitnehmer entsteht (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EStG), handelt es sich bei dem bei verspäteter Abgabe der Lohnsteueranmeldungen durch gesonderten Verwaltungsakt festzusetzenden Verspätungszuschlag um einen Anspruch des Steuergläubigers, der erst mit seiner Festsetzung entsteht und zu diesem Zeitpunkt fällig wird (§ 220 Abs. 2 Satz 2 AO 1977), sofern keine Zahlungsfrist eingräumt worden ist.
Der Senat vermag daher der Ansicht, wonach in die für den Umfang der Haftung bei Nichterfüllung des festgesetzten Verspätungszuschlages bedeutsame Kausalitätsprüfung die bei der Erklärungsabgabe begangene Pflichtverletzung einzubeziehen ist (vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., 7. Aufl., § 69 Anm. 112), nicht zu folgen. Es fehlt an dem erforderlichen, den Haftungsumfang bestimmenden Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung bei der Abgabe der Steuererklärung und einem durch die Festsetzung und die spätere Nichterfüllung des Verspätungszuschlages eingetretenen Haftungsschaden. Ein Schaden des Steuergläubigers kann jedenfalls nicht darin liegen, dass der Vertreter bei rechtzeitiger Erklärungsabgabe einen Anspruch auf Leistung eines Verspätungszuschlages nicht zur Entstehung gebracht hätte, sondern allein darin, dass ein infolge des pflichtwidrigen Verhaltens bei der Erklärungsabgabe festgesetzter Anspruch auf Zahlung des Verspätungszuschlages nicht erfüllt wurde. Hierfür kann die Ursache aber nicht in der pflichtwidrig verspäteten Abgabe der Steuererklärung, sondern allein in der Nichtzahlung liegen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 69 Satz 2 AO 1977, der eine Haftung für sämtliche infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge begründet, für die danach auch insoweit gehaftet wird, als die Pflichtverletzung selbst ohne einen weiteren Festsetzungsakt (§ 240 Abs. 1 AO 1977) zur Entstehung der Säumniszuschläge geführt hat (vgl. VI. Senat in BFHE 130, 128, BStBl II 1980, 375). Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber, der diese Regelung ausdrücklich auf die Säumniszuschläge beschränkt hat, die dort geregelte Haftungserweiterung auch auf die übrigen, nach einer Pflichtverletzung entstandenen Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen, wie Zinsen, Kosten der Zwangsvollstreckung, Verspätungszuschläge und Zwangsgelder hat ausdehnen wollen.
5. Der Umfang der Haftungsschuld bemisst sich somit nach der Pflichtverletzung in Bezug auf die Erfüllung des Anspruchs des FA auf Zahlung der Verspätungszuschläge (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Befinden sich im Gesellschaftsvermögen im Zeitpunkt der Festsetzung der Verspätungszuschläge keine verfügbaren Mittel zu ihrer Entrichtung und hätten diese Mittel auch nicht beschafft werden können, so handelt der Geschäftsführer nicht schuldhaft pflichtwidrig i.S. des § 69 Satz 1 AO 1977, wenn er es unterlässt, die fälligen Verspätungszuschläge zu bezahlen (FG München, Urteil vom 23. Januar 1987 VIII 161/83 L, EFG 1987, 331). Fehlen ausreichende Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten, so kann von dem Geschäftsführer nur eine Tilgung der Verspätungszuschläge in ungefähr dem gleichen Verhältnis verlangt werden, wie die Gesellschaft die Forderungen der anderen Gläubiger getilgt hat (Grundsatz der anteiligen Tilgung, vgl. Senatsurteil in BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859, 862 unter III. 1. der Gründe, sowie Senatsbeschluss vom 31. März 2000 VII B 187/99, zur Veröffentlichung in BFH/NV bestimmt; so auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11. November 1987 VII K 377/85, EFG 1988, 94, und FG München in EFG 1987, 331; Tipke/Kruse, a.a.O., § 69 AO 1977 Rz. 36). Hat der Geschäftsführer dies versäumt, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die er als Haftungsschuldner einzustehen hat (Haftungssumme).
6. Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war insoweit aufzuheben. Der Senat kann nicht in der Sache entscheiden, weil Ermittlungen dazu, inwieweit der Kläger seine Verpflichtung zur anteiligen Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verletzt hat, fehlen. Hierzu bedarf es der Ermittlung der Haftungssumme, die zeitraumbezogen festzustellen ist; d.h. es sind die zu tilgenden Gesamtverbindlichkeiten und die hierauf geleisteten Zahlungen für den gesamten Haftungszeitraum zu ermitteln (vgl. BFH-Urteile in BFHE 144, 329, BStBl II 1985, 702; vom 12. Juni 1986 VII R 192/83, BFHE 146, 511, BStBl II 1986, 657; in BFHE 159, 106, BStBl II 1990, 201; zur Berechnung der Haftungssumme für den Haftungszeitraum vgl. auch Verfügung der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 23. November 1994 S 0190 - 14 - St 311, GmbH-Rundschau 1995, 244). Das FG wird die genannten Feststellungen nachzuholen und über den Umfang der Haftung für die Verspätungszuschläge erneut zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 508957 |
BFH/NV 2001, 84 |
BStBl II 2001, 271 |
BFHE 192, 249 |
BFHE 2001, 249 |
BB 2000, 2401 |
DB 2000, 2510 |
DStR 2000, 1954 |
DStRE 2000, 1275 |
HFR 2001, 93 |
FR 2000, 1295 |
LEXinform-Nr. 0554723 |
KFR 2001, 39 |
BuW 2001, 461 |
GmbH-StB 2000, 325 |
GmbHR 2000, 1215 |
RdW 2001, 237 |
NWB-DokSt 2001, 755 |