Leitsatz (amtlich)
Bringt ein Beteiligter in Verbindung mit einem Verzicht auf eine mündliche Verhandlung zum Ausdruck, daß ein Vorbescheid erlassen werden soll, dann hat er in Wirklichkeit auf eine mündliche Verhandlung nicht verzichtet.
Normenkette
FGO § 90
Tatbestand
Im Verfahren vor dem FG ging es um den ermäßigten Steuersatz nach § 7 Abs. 2 Nr. 2c UStG 1951 für die Lieferung der sogenannten ... Blätter durch die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige). Streitig waren die Umsatzsteuerveranlagungen 1961 und 1962 (FG III 142, 143/65) und 1963 (FG III 170/66).
Durch Verfügung der Geschäftsstelle des FG III 142, 143/65 vom 12. Januar 1966 wurde die Steuerpflichtige darauf hingewiesen, daß ab 1. Januar 1966 Urteile des FG aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen. Mit Einverständnis der Beteiligten könne das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Auf einem entsprechend vorbereiteten Vordruck gab die Steuerpflichtige am 19. Juni 1967 folgende Erklärung ab: "Ich bin damit einverstanden, daß in der oben bezeichneten Sache" - III 142, 143/65 - "ohne mündliche Verhandlung entschieden wird." Zu dieser vorbereiteten Erklärung fügte sie noch hinzu "nach § 90 Abs. 3 FGO, wie für FG III 170/66 beantragt wurde". Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatte, setzte das FG den bereits anberaumten Termin für eine mündliche Verhandlung für die inzwischen zur einheitlichen Entscheidung verbundenen Sachen ab. Das FG erließ ohne mündliche Verhandlung am 21. Juni 1967 ein abweisendes Urteil.
Auf die nach Zustellung des Urteils von der Steuerpflichtigen beantragte mündliche Verhandlung wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt, daß über die Sache bereits durch Urteil entschieden sei.
In der Revision beantragt die Steuerpflichtige, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Sie rügt, daß das FG entgegen ihrem Antrag keinen Vorbescheid erlassen habe. Auf eine mündliche Verhandlung habe sie ausdrücklich nur "nach § 90 Abs. 3 FGO" verzichtet.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 90 Abs. 1 FGO entscheidet das Gericht vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 aufgrund mündlicher Verhandlung. Mit Einverständnis der Beteiligten kann es ohne mündliche Verhandlung entscheiden (Abs. 2). Ohne mündliche Verhandlung kann es durch Vorbescheid entscheiden (§ 90 Abs. 3 FGO). Für diesen Fall braucht ein Einverständnis der Beteiligten nicht vorzuliegen.
Die Steuerpflichtige hat sich damit einverstanden erklärt, daß ohne mündliche Verhandlung entschieden wird "nach § 90 Abs. 3 FGO". Diese Erklärung der Steuerpflichtigen kann nur dahin verstanden werden, daß sie auf eine mündliche Verhandlung verzichte, wenn ein Vorbescheid erlassen werde. Zwar bedarf es zum Erlaß eines Vorbescheides keiner besonderen Erklärung der Beteiligten. Bringt aber ein Beteiligter in Verbindung mit einem Verzicht auf die mündliche Verhandlung zum Ausdruck, daß ein Vorbescheid erlassen werden soll, dann hat er in Wirklichkeit auf eine mündliche Verhandlung nicht verzichtet. Denn er will sich die Möglichkeit einer mündlichen Verhandlung im Anschluß an einen Vorbescheid offenhalten. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 FGO ist aber nur bei einem eindeutigen Verzicht auf die mündliche Verhandlung möglich.
Das FG durfte daher nicht davon ausgehen, daß die Steuerpflichtige sich mit einer entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt habe (§ 90 Abs. 2 FGO). Wegen dieses Verfahrensfehlers muß die Vorentscheidung aufgehoben werden, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob durch das Urteil Bundesrecht verletzt ist (§ 119 Nr. 4 FGO). Die Sache muß zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 69313 |
BStBl II 1971, 113 |
BFHE 1971, 432 |