Nichtanwendungserlass zu dieser Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
Als Teilwert eines unentgeltlich eingeräumten Nießbrauchsrechts an einem bebauten Grundstück, das der Nießbraucher betrieblich nutzt, ist die Summe der AfA-Beträge anzusetzen, die der Grundstückseigentümer selbst während der Dauer des Nießbrauchs hätte geltend machen können (Anschluß an BFH-Urteil vom 20. November 1980 IV R 117/79, BFHE 131, 516, BStBl II 1981, 68).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nrn. 4-6
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren 1974 und 1975 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Vater der 1932 geborenen Klägerin übertrug 1969 das Eigentum an mehreren Grundstücken auf die 1965 geborene Tochter der Klägerin und behielt sich bis zum 31. Dezember 1972 das Nießbrauchsrecht daran vor. Gleichzeitig räumte er der Klägerin für die Zeit ab 1973 den unentgeltlichen lebenslänglichen Nießbrauch an den Grundstücken ein. Die Klägerin verpflichtete sich am 1. Januar 1973 privatschriftlich ihrem Vater gegenüber, die mit den Grundstücksbelastungen zusammenhängenden Zinsen und Tilgungen zu zahlen. Am 31. Dezember 1974 wurde der Nießbrauchsvertrag entsprechend geändert.
Auf den Grundstücken befanden sich 13 Bungalows, eine Schwimmhalle, ein Wirtschaftsgebäude und Garagen. Der Vater der Klägerin hatte die Gebäude errichtet, um damit den Gewerbebetrieb "Feriendorf X" zu betreiben. Nach der Übergabe der Gebäude zu Beginn des Jahres 1973 führte die Klägerin diesen Betrieb weiter.
Im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb machte die Klägerin unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. März 1977 VIII R 180/74 (BFHE 122, 64, BStBl II 1977, 629) Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf die Gebäude geltend. Sie ist der Ansicht, daß sie wirtschaftliche Eigentümerin der Gebäude geworden sei. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) verneinte die Berechtigung der Klägerin, die geltend gemachte AfA in Anspruch zu nehmen, und wies die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Seine Entscheidung begründete es wie folgt:
Zur Geltendmachung der AfA sei die Klägerin nicht befugt, weil sie nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Gebäude sei.
Die Klägerin könne die AfA auch nicht von einem in den Betrieb eingelegten Nutzungsrecht vornehmen. Gemäß § 5 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) könne ein immaterielles Wirtschaftsgut nur bilanziert werden, wenn es entgeltlich erworben worden sei. Das Nießbrauchsrecht als immaterielles Wirtschaftsgut sei unentgeltlich erworben; die Übernahme der Zins- und Tilgungsverpflichtungen der Grundstückseigentümerin sei keine Gegenleistung. Der BFH habe zwar neuerdings die AfA auch auf unentgeltlich erlangte Nutzungsrechte zugelassen (BFH-Urteil vom 31. Oktober 1978 VIII R 196/77, BFHE 127, 168, BStBl II 1979, 401). Das FG könne dem aber für den Nießbrauch nicht folgen. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, den der BFH in diesem Zusammenhang anführe, regele lediglich die Bewertung von Wirtschaftsgütern in der Bilanz, nicht aber, ob sie überhaupt in die Bilanz einzustellen seien. Diese Frage beantwortete sich ausschließlich nach § 5 Abs. 2 EStG.
Schließlich könne die Klägerin auch die durch Vertrag vom 31. Dezember 1974 übernommenen Tilgungsbeträge auf die Darlehen nicht als Betriebsausgabe geltend machen. Ein fremder Dritter hätte diese Verpflichtungen nachträglich nicht übernommen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Der Klägerin stehe als Rechtsnachfolgerin ihres nießbrauchsberechtigten Vaters die AfA zu (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 11. Dezember 1973 VIII R 47/68, BFHE 112, 27, BStBl II 1974, 509).
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1974 und 1975 unter Berücksichtigung von AfA auf die nießbrauchsbelasteten Gebäude entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zwecks anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Das FG ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin in den Streitjahren nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Gebäude und daher als solche auch nicht berechtigt war, AfA als Betriebsausgaben geltend zu machen.
Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß sich die Stellung der Klägerin rechtlich oder tatsächlich von der eines normalen Nießbrauchers unterschied. Die Tatsache, daß sie Zinsen (§ 1047 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --) und Tilgung der mit dem Grundstück gesicherten Darlehen trug, verstärkte ihre Stellung gegenüber der Eigentümerin nicht.
2. Im Streitfall könnte aber -- entgegen der Ansicht des FG -- AfA auf Nutzungsrechte in Betracht kommen, und zwar auf die Nießbrauchsrechte, die der Klägerin von ihrem Vater eingeräumt worden sind.
a) Die Nießbrauchsrechte an den einzelnen Grundstücken sind Wirtschaftsgüter (vgl. BFH-Urteil vom 28. Februar 1974 IV R 60/69, BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481). Sie sind durch die Bestellung mit Beginn der Nießbrauchsberechtigung, d. h. am 1. Januar 1973, im privaten Vermögensbereich (BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481) entstanden. Da das Nießbrauchsrecht ein höchstpersönliches Recht ist (§§ 1059, 1061 BGB; vgl. ferner Palandt/Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 41. Aufl., Überblick vor § 1018 Anm. 1 b), handelt es sich bei den Nießbrauchsrechten der Klägerin nicht um die des Vaters, die dieser sich bei der Übertragung der Grundstücke zurückbehalten hatte. Die Nießbrauchsrechte des Vaters sind Ende 1972, d. h. mit Ablauf ihrer zeitlichen Befristung (§ 163 BGB), erloschen. Die Nießbrauchsrechte der Klägerin sind demgegenüber selbständige Rechte, die ihr von ihrem Vater als ehemaligem Grundstückseigentümer eingeräumt wurden. Sie sind -- aufschiebend bedingten Rechten vergleichbar (§§ 163, 158 Abs. 1 BGB) --- auch bei ihr zunächst im privaten Vermögensbereich entstanden.
b) Ab 1973 dienten die Nießbrauchsrechte der Klägerin unmittelbar dem Gewerbebetrieb der Klägerin und gehörten zu dessen notwendigem Betriebsvermögen (vgl. zum Nießbrauch an einem Gewerbebetrieb BFH-Urteil vom 4. November 1980 VIII R 55/77, BFHE 132, 414, BStBl II 1981, 396). Sie waren entsprechend § 6 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 EStG mit dem Teilwert in die Eröffnungsbilanz des Unternehmens (§ 6 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung -- EStDV --) aufzunehmen.
Der BFH hat wiederholt entschieden, daß ein schuldrechtlich vereinbartes Nutzungsrecht zu aktivieren ist, wenn der Inhaber des Nutzungsrechts eine rechtlich gesicherte Position erlangt hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann (Urteile vom 16. November 1977 I R 83/75, BFHE 124, 501, BStBl II 1978, 386; vom 31. Oktober 1978 VIII R 196/77, BFHE 127, 168, BStBl II 1979, 401; vom 22. Januar 1980 VIII R 74/77, BFHE 129, 485, BStBl II 1980, 244, und vom 20. November 1980 IV R 117/79, BFHE 131, 516, BStBl II 1981, 68, zuletzt BFH-Urteil vom 26. Mai 1982 I R 104/81, BFHE 136, 118, BStBl II 1982, 594). Die dinglich gesicherte Rechtsposition des Nießbrauchers erfüllt diese Voraussetzung. Der Senat hat daher keine Bedenken, die Nießbrauchsrechte an den Grundstücken als einlagefähige Wirtschaftsgüter anzusehen (vgl. auch BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481; ferner Clausen, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 76/77, 120, 133; a. A. z. B. Knobbe-Keuk, Steuer und Wirtschaft 1979, 305, 311). § 5 Abs. 2 EStG und § 153 Abs. 3 des Aktiengesetzes (AktG) stehen dem nicht entgegen (vgl. BFHE 129, 485, BStBl II 1980, 244).
Die Nießbrauchsrechte waren entsprechend § 6 Abs. 1 Nrn. 5 und 6 EStG mit den Teilwerten anzusetzen. Der Teilwert entspricht im Streitfall der Summe der AfA-Beträge, die die Eigentümerin (Tochter der Klägerin) innerhalb der Nutzungszeit hätte geltend machen können, wenn sie die Gebäude zur Erzielung eigener Einkünfte eingesetzt hätte (BFHE 131, 516, BStBl II 1981, 68). Da es sich um lebenslängliche Nießbrauchsrechte handelt, sind bei der Ermittlung der Teilwerte die §§ 14 und 16 des Bewertungsgesetzes (BewG) entsprechend zu berücksichtigen.
c) Das FG hat schließlich zu Recht entschieden, daß die Zins- und Tilgungsleistungen der Klägerin kein Entgelt für die Einräumung der Nießbrauchsrechte waren. Aus dem Vertrag über die Bestellung des Nießbrauchs vom 3. Dezember 1969 sowie aus dem Zusatzvertrag vom 31. Dezember 1974 ergibt sich, daß die Klägerin die Nießbrauchsrechte unentgeltlich erhalten sollte. Wenn das FG festgestellt hat, daß die Vertragsänderung vom 31. Dezember 1974 unter fremden Dritten nicht vorgenommen worden wäre, die Darlehenstilgungen der Klägerin mithin auf privaten, familiären Gründen beruhen, dann ist diese tatsächliche Schlußfolgerung (§ 118 Abs. 2 FGO) rechtsfehlerfrei. Sie ist im übrigen von der Revision nicht angegriffen worden.
3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.
Die Feststellungen des FG erlauben keine Prüfung, ob die von der Klägerin geltend gemachten AfA zutreffend angesetzt sind. Das FG wird diese Feststellungen nachholen müssen.
Fundstellen
BStBl II 1983, 739 |
BFHE 1984, 73 |